Bauern-Protest: Nordoberpfälzer Landwirte planen die nächsten Schritte
Neuhaus/Windischeschenbach. Vertreter der Bauernverbände, Handwerker und Wirte resümieren beim Neuhauser Bahler-Zoiglwirt die bisherigen 127 Protest-Veranstaltungen. Und beraten, wie es jetzt weitergehen soll – zunächst mit einer Unterschriftenliste an MdB Uli Grötsch (SPD).

Schon die nackten Zahlen sind beeindruckend: Bayernweit mobilisierten die Landwirte bislang bei 930 Protest-Aktionen rund 160.000 Teilnehmer, die rund 100.000 Traktoren auf die Straße brachten. „Dabei gab es in ganz Bayern nur 200 Ordnungswidrigkeiten“, sagt Ely Eibisch, Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes (BBV), um zu belegen: „Wir wollen den Protest nicht eskalieren, wir wollen gemeinsam mit den Bürgern unsere Ziele erreichen.“
In der Oberpfalz stellten die Bauern 127 Aktionen mit 28.084 Teilnehmern auf die Beine – dabei kamen 14.830 Zugmaschinen – nach Polizeiauskunft bei lediglich 30 Ordnungswidrigkeiten – zum Einsatz. Dazu 423 andere Fahrzeuge. „Das belegt, dass der Protest eine breite Unterstützung aus der Gesellschaft erfährt“, erklärt Werner Reinl, Kreisvorsitzender des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), den Zuwachs an landwirtschaftsfremden Gefährten. „Spediteure, Metzger, Bäcker, Handwerker ganz allgemein solidarisieren sich mit unserem Protest.“
Neues Miteinander der Bauernverbände
Besonders freut den BdM-Vertreter aber das wiedererstarkte Miteinander der Bauern: „Die Verbände – der bayerische Bauernverband, der BdM, Land schafft Verbindung (LsV) – ziehen endlich wieder an einem Strang.“ Das war nicht immer so. Milchbauern gründeten ihren eigenen Verband, weil sie sich nicht ausreichend im BBV vertreten sahen. Wächst jetzt wieder zusammen, was zusammengehört? „Ich hoffe“, sagt Reinl, „dass das Schule macht.“
Auch der bayerische BBV-Vize freut sich über die neue Einigkeit: „Ich bin über diese Runde hier mehr als glücklich“, sagt Ely Eibisch. „Wir saßen vor Weihnachten das erste Mal zusammen.“ Vorausgegangen war der Plan der Bundesregierung, die Rückerstattung des Agrardiesels und die Steuerbefreiung landwirtschaftlicher Maschinen zu streichen. „Landwirte sollten einseitig belastet werden, und das, obwohl wir die Straßen mit unseren Maschinen weitgehend nicht nutzen.“ Das führe zu einer Benachteiligung im Wettbewerb mit anderen Ländern.
LsV-Chat explodiert
Die Hauptamtlichen des Bayerischen Bauernverbandes würden zwar in ihren Fachgebieten durch kompetente Aufklärung eine hervorragende Arbeit leisten. „Aber das bringt alles nichts, wenn man die Leute in so einer Situation nicht auf die Straße bekommt.“ Deshalb gehe sein besonderer Dank an den LsV, der die Proteste vorzüglich organisiert habe.
Stefan Adam, Sprecher des LsV in Tirschenreuth erklärt: „Wir sind über WhatsApp bestens vernetzt.“ Rund 2500 Chat-Teilnehmer seien hier am Start. „Das ist regelrecht explodiert.“ So habe man den Protest bestens organisieren können. Adam legt Wert darauf, dass es sich dabei um einen konstruktiven Protest handelt: „Wir treffen durchwegs auf fröhliche Menschen, die den Daumen hochstrecken und uns unterstützen.“ So hätten sich etwa bei einer Veranstaltung in Kemnath die Bürger über die Motive der Landwirte informiert und festgestellt: „Wir sitzen alle im gleichen Boot.“
Landwirte im Bürger-Dialog
Diesen neuen Schulterschluss mit den Verbrauchern wollen die Landwirte künftig pflegen: „Bei einer Veranstaltung im Amberger Congress Centrum (ACC) gab es erstmals einen Dialog zwischen Bauern und den Bürgern – das war ein spannender Austausch, weil man besser versteht, wie jeder tickt.“ In diese Richtung will die Landwirtschaft seine politische Agenda weiterentwickeln. „Wir wollen den Protest nicht verschärfen“, sagt Adam, „werden jetzt auch keine großen Städte mehr anfahren.“
Besonderen Wert legt BBV-Vive Eibisch darauf, dass man jegliche Unterwanderungsversuche von Rechts verhindert habe: „Wir haben zum Beispiel bei einer Veranstaltung in Regensburg einschlägige Plakate rausnehmen lassen.“ Eibisch betont: „Wir sind nicht rechts, wir sind die Mitte.“ Eine Mitte der Gesellschaft, die wie auch Gastronomen, Spediteure, Handwerker und andere Unternehmer wegen der Beschlüsse der Regierung zunehmend in Existenznot gerate: „Und das spüren auch die Bürger, für die alles teurer wird.“
Sorge um Verlust der Lebensmittel-Versorgung
Mit den Aktionen hätten die Landwirte bereits einige Ziele erreicht: „Landwirtschaftliche Geräte bleiben steuerfrei.“ Allerdings führe der schrittweise Abbau der Rückvergütung beim Agrardiesel – ab 2024 noch 60 Prozent, im Jahr darauf ein letztes Mal 30 Prozent – zu einer Wettbewerbsverzerrung. „In Belgien können die Bauern Heizöl verwenden.“ Man habe beispielsweise wegen strengerer Tierwohlbestimmungen bereits 7 Millionen Schweine an Spanien verloren.
Nach der Pandemie und der Erkenntnis, dass Deutschland Schlüsselproduktionen an Asien verloren habe und in eine immer stärkere Abhängigkeit gerate, schwane den Menschen, dass dies auch der heimischen Landwirtschaft drohe: „Die Angst vor dem Verlust, dass wir von Lebensmittelexporten abhängig werden, steigt“, sagt Eibisch. Und klar sei dann auch: „Die Umwelt- und Tierwohlstandards sind dort sicher schlechter als bei uns.“
Unterschriftenliste an Uli Grötsch
Um ihren Forderungen weiter Nachdruck zu verleihen, wollen die Landwirte am kommenden Freitag Unterschriftenlisten an den Bundestagsabgeordneten Uli Grötsch (SPD) überreichen: „Er ist Vertreter der Regierungsparteien und deshalb unser erster Ansprechpartner.“ Die Listen würden in Kopie auch an die anderen Mandatsträger der Region gehen: „Wir erhoffen uns auch von ihnen Unterstützung für unser Anliegen, das von einer breiten Bevölkerungsmehrheit mitgetragen wird.“
Um den in den vergangenen Wochen aufgebauten Kontakt mit der Bevölkerung nicht abreißen zu lassen, planen die Landwirte außerdem eine Veranstaltung mit Günther Felßner, dem Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes (Ort und Termin werden noch bekannt gegeben). „Wir sind noch nicht am Ende mit unserer gesellschaftlichen Offensive.“ 68 Prozent der Bürger hätten Verständnis für die Landwirte, 52 Prozent hielten die Proteste für berechtigt. „Unsere Abgeordneten haben unserer Ansicht nach die Verantwortung, die Interessen ihrer Wähler zu vertreten.“
Landwirte sammeln Unterschriften: Stadt & Land – Hand in Hand
Der Text zur Unterschriftenliste: Die Bauern haben in den letzten Wochen das Heft des Handelns in die Hand genommen und ihrem Ärger über die derzeitige Politik Luft gemacht! Am 30. Januar 2024 wird im Bundestag über Sparmaßnahmen für den Haushaltsentwurf 2024 abgestimmt.
Sie können hier mit ihrer Unterschrift die Herausnahme folgender „Kernpunkte“ fordern – welche alle betreffen – und wir werden diese dem zuständigen Abgeordneten der Regierungspartei übermitteln.
Alle anderen Abgeordneten werden ebenfalls über dieses Ansinnen der Bürger informiert! Sie sind „unsere Vertreter“ in Berlin und können sich dieser Stimme nicht widersetzen! Ich fordere mit meiner Unterschrift ein, folgende Punkte einer Mehrbelastung der arbeitenden Bevölkerung herauszunehmen:
- Abschaffung der Steuerbegünstigung für „Agrar-Diesel“
- Abschaffung der Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge
- Ausweitung der Straßen – Mautgebühren
- Anhebung der CO₂ – Abgabe für Sprit, Heizöl & Gas
- Mehrwertsteuererhöhung im Gastronomiebereich
Mit meiner Unterschrift fordere ich meine Abgeordneten auf, meine Stimme im Bundestag zu vertreten.
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