ISS-Batterie in den Atlantik gestürzt: Weltraumschrott-Gucken beim Radeln
Schwarzhofen. Seltenes Schauspiel am Oberpfälzer Himmel: Eine Vielzahl von Kondensstreifen, als feierten beschwipste Eurofighter Party. Von Flugzeugen nichts zu sehen. Zeit und Ort passen zur Vermutung, dass weit über Schwarzhofen (Lkr. Schwandorf) Teile des ISS-Weltraum-Schrotts rasen.

Start der kleinen Radrundfahrt gegen 18 Uhr in Altendorf bei Nabburg. Kurz zuvor rattert das iPhone. Eine aktualisierte Meldung der Warn-App Nina: „Eintreten von Trümmerteilen in die Erdatmosphäre.“ Eine Warnung für die von mir ausgewählten Oberpfälzer Landkreise Amberg-Sulzbach, Neustadt/WN, Regensburg, Schwandorf, Tirschenreuth und Stadt Weiden.
Tiefflug über Altendorf?
Erste Auffälligkeit: Nach dem Ortsschild Richtung Zangenstein über dem Fußballplatz zwei schwere Maschinen im Tiefflug – Löschflugzeuge der Altendorfer Feuerwehr? Soweit ist die Gemeinde mit den zwei respektablen Wirtshäusern dann doch noch nicht! Nach Zangenstein den Hügel hoch zum Armerhof, wo die Kälber wie immer neugierig aus ihren Boxen lugen.
Durch Schönau im Bogen nach Schwarzhofen. Am Ortsausgang blickt man hinunter auf die Schwarzach, die sich wieder brav in ihr mäanderndes Flussbett zurückgezogen hat. Und jetzt sehe ich sie: erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier … Kondensstreifen am Abendhimmel. Und es werden immer mehr, die sich am Horizont ins Abendrot zu stürzen scheinen.
Herrenlose Batteriesplitter?
Sind das die kleinsten Teilchen des ISS-Batterienblocks, die nun herrenlos in 139 Kilometer Höhe, wie die Luftwaffe vermeldet, durch den fast wolkenlosen Oberpfälzer Himmel rasen? Und da sind auch meine zwei Begleitflugzeuge wieder, diesmal zu meiner rechten Seite im Osten. Ich dokumentiere die Szenerie mit der zugegeben nicht idealen Kamera meines iPhones X – was vor meinen Augen noch groß und wichtig erscheint, ist am Bildschirm nichtig und klein, wie Reinhard May so schön sang.
Das kleine, mutmaßliche Weltraumschrott-Spektakel begleitet mich noch bei meiner Abfahrt von Girnitz zurück nach Zangenstein, dann verschwindet der Überblick in der Tiefe der Ebene und hinter der trutzigen Burgruine. Wo sich der Trümmerregen wohl ergossen hat?
Gefahr gebannt: Batterie stürzt in den Atlantik
Zurück am Schreibtisch dauert es einige Zeit, bis ich an verlässliche Daten komme. Entwarnung durch den Katastrophenschutz: „Das ausrangierte Batteriepaket der Raumstation ISS hat Deutschland überflogen und ist im Atlantik abgestürzt.“ Die Gefahr, dass herabfallende Trümmerteile, im Kirchturm von Altendorf einschlagen, ist gebannt.
Das ausrangierte Batteriepaket der Raumstation ISS sei um 19.21 Uhr von Westen kommend in 139 Kilometer Höhe über die Mitte Deutschlands geflogen, teilte das Weltraumlagezentrum der Bundeswehr im niederrheinischen Uedem mit – und wenig später über dem Atlantik abgestürzt. Wo genau, sei noch nicht bekannt. Wahrscheinlich sei es zu großen Teilen verglüht, gibt Simone Meyer, Sprecherin des Weltraumlagezentrums, bekannt.
Pkw-große ISS-Batterie einfach mal abgekoppelt
Bei dem Objekt handelt es sich um eine Palette mit neun ausgedienten Batterien der Internationalen Raumstation (ISS). Die Plattform mit Batteriepaketen ist in etwa so groß wie ein Auto und wiegt rund 2,6 Tonnen. Sie wurde im März 2021 von der ISS abgekoppelt, um später, so die Idee, in der Atmosphäre zu verglühen.
Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa sei in den vergangenen 50 Jahren durchschnittlich ein bekanntes Stück pro Tag auf die Erde gefallen. Die meisten dieser Teile stammten von Satellitenexplosionen und -kollisionen. Bislang sei keine ernsthafte Verletzung oder bedeutender Sachschaden bekannt geworden.
Mehr als 25.000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als zehn Zentimetern seien im Weltraum unterwegs, etwa 500.000 mit einem Durchmesser zwischen einem und zehn Zentimetern sowie mehr als 100 Millionen Partikel, die größer als ein Millimeter sind – insgesamt bringe es dieser Weltraumschrott auf ein Gewicht von rund 9.000 Tonnen.
Politiker vieler Staaten mit Weltraumaktivitäten zeigten sich besorgt und plädierten für eine weitgehende Reduktion von Weltraum-Schrott – etwa durch entsprechendes Design von Raumschiffen und Satelliten. Der frühere Esa-Chef Jan Wörner fordert „endlich ein Frühwarnsystem zum Schutz der Erde“.
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