Trauer um den Erfinder der Kinder-Uniklinik Ostbayern
Regensburg/Hirschau. Bittere Duplizität der Ereignisse: Noch im September feiert Dr. Hans Brockard, Erfinder der Kinder-Uniklinik Ostbayern, zusammen mit Weggefährten das 20-jährige Bestehen von „Kuno“. Keine drei Wochen später ist der Verwaltungsdirektor der Uniklinik tot.

Mit einem Festakt zum 20-jährigen Bestehen der Kuno-Stiftung im Haus der Bayerischen Geschichte dankt der Stiftungsrat Mitte September Unterstützern und Wegbegleitern. „Kuno war kein Selbstläufer“, blickt Professor Dr. Michael Nerlich, Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg zurück.
Die Hürden waren beträchtlich. Weil eine staatliche Baumaßnahme nicht in Betracht gezogen wurde, wollte man den Bau einer Kinderklinik selbst in die Hand nehmen. Regensburgs Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer erinnert sich noch gut daran, wie die Idee als „chronische Form des Wahnsinns“ diffamiert wurde. Die Initiatoren aber ließen sich davon nicht abschrecken.
Kinder brauchen eine andere Behandlung
Das Motiv: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, erklärt Erzieherin Karin Naber. Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die kleinen Patienten nicht nur eine andere Medikation, sondern auch eine andere psychologische Betreuung benötigen. Um eine bestmögliche medizinische Versorgung von Kindern in Ostbayern zu ermöglichen, startete „Kuno“ eine beeindruckende Spendenaktion, die bis zum heutigen Tag anhält.
Einer, ohne den das Projekt womöglich nicht Wirklichkeit geworden wäre, war Dr. Hans Brockard. Bei der Jubiläumsfeier erinnert er noch daran, dass die Finanzierung zu Beginn auf tönernen Beinen stand. „Wir wussten, wir brauchen viel Unterstützung“, sagt er. Als Motor der Bewegung initiierte er mit Vereinen und Unternehmern die größte Spendenaktion Ostbayerns.
Conrad verdoppelt die erste Million
Zwischen den Osterferien und dem letzten Schultag 2004 verging kaum ein Tag, ohne eine fantasievolle Aktion zugunsten von Kuno. Der Spendenstand kletterte rasant in sechsstellige Höhen. Ende Juli war es die Realschule in Freyung, die mit einer Schüleraktion die erste Million knackte. Beeindruckt von der zivilgesellschaftlichen Eigeninitiative beobachtete auch die Hirschauer Unternehmerfamilie Conrad die Entwicklung.
„Uns hat die Aktion von Anfang an imponiert, denn statt zu jammern und nach dem Staat zu rufen, haben die Kuno-Akteure selbst die Initiative ergriffen“, lobte damals Dr. Werner Conrad. Seniorchef Klaus Conrad assistierte: „Auch die Politik sollte sich diesem für unsere ganze Region wichtigen Vorhaben nicht verschließen“, übte er sanften Druck auf die Mandatsträger aus. „Schließlich geht es um die jüngsten und schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft.“ Und Conrad setzte ein Zeichen mit Wirkung: „Wir verdoppeln den Spendenstand von Kuno!“
Stiftung in seinem Sinn fortführen
Mit durchschlagendem Erfolg: Ende 2005 wurde im ersten Schritt die Kinderklinik St. Hedwig erweitert, ein Jahr später der Neubau am Universitätsklinikum begonnen. Unter dem Motto: „Wir bauen unsere Kinder-Uniklinik Ostbayern selbst“, wurden in kurzer Zeit mehr als zehn Millionen Euro für Baumaßnahmen in der Klinik St. Hedwig und am Uniklinikum Regensburg gesammelt. Der blaue Rabe mit dem Pflaster auf dem Schnabel wurde zum Markenzeichen für eine regionale Bewegung zugunsten der Kinder.
2010 saß einer der Väter der Idee voller Genugtuung bei der Eröffnung des farbenfrohen Neubaus neben Sozialministerin Barbara Stamm. Wenige Wochen nach der 20-Jahrfeier ist Dr. Hans Brockard unerwartet verstorben. „Wir sind tief getroffen“, würdigt laut Mittelbayerischer Zeitung Professor Hugo Segerer seinen Wegbegleiter: „Wir verlieren einen Freund, der über 20 Jahre die Kuno-Stiftung wie ein eigenes Kind gepflegt und entwickelt hat. Bis zuletzt hatte er Pläne. Wir werden die Stiftung in seinem Sinne weiterführen.“
Kinder-Uniklinik auch für die Nordoberpfalz
Es gibt Schicksale, daneben verblassen alle Alltagssorgen. Das der Neustädter Familie Stamminger gehört dazu: Erst erkrankt Mutter Ilona schwer, dann wird bei der neun Monate alten Louisa ein Gehirntumor entdeckt. Vor fünf Jahren begleiteten wir redaktionell die Leidensgeschichte von Baby Louisa. Es gab leider kein Happy End.
Dennoch: Der Fall zeigt, wie wichtig eine spezialisierte Kinderklinik gerade für seltene und schwere Krankheiten ist. Bis Louisas Tumor entdeckt wird, vergeht einige Zeit: „Einen Monat nach der Geburt hatte sie so etwas wie einen epileptischen Anfall“, erzählt Ilona. „Im Weidener Krankenhaus hat man dreimal ein EKG gemacht, und uns danach wieder nach Hause geschickt.“
Louisa strahlt. Würden aus ihrem Kinderwagen keine Schläuche ragen, die zum mobilen Infusionsständer führen, jeder würde das Nesthäkchen für das neugierige, aufgeweckte Kind halten, das es ja auch ist. Trotz allem. Trotz des seltenen, hochaggressiven und nur teilweise operablen rhabdoiden Tumors (im Fachjargon AT/RT, ein atypischer teratoider Rhabdoidtumor) im Kleinhirn, der auf den Hirnstamm drückt – eine niederschmetternde Diagnose, da dort alle lebenserhaltenden Funktionen wie die Atmung gesteuert werden.
Auf der Bank vor dem Elternhaus der Regensburger Kinderklinik ist davon nichts zu spüren. Louisa fixiert den Fotoapparat und setzt sich fürs Familienbild in Szene. Die stolzen Eltern lächeln. Trotz allem. Auch wenn sie wissen, dass nur 20 Prozent der Kinder, die an diesem Tumor erkranken, zwei Jahre alt werden.
Trotz aller Bemühungen stirbt Baby Louisa am 9. März 2020 nach einem kurzen Leben von nur 17 Monaten. Die Kinder-Uniklinik kann keine Wunder vollbringen. Aber sie kann den kleinen Patienten die bestmögliche Versorgung garantieren und ihnen sowie ihren Eltern den Aufenthalt so angenehm wie nur irgend möglich machen.
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