Jahn in Liga 2 auf Trainersuche: Beierlorzer will nach Joe Enochs Abgang keine Doppelfunktion

Regensburg. Der kurze Austausch nach dem Abpfiff sprach Bände: Joe Enochs geht nach dem Debakel in Nürnberg auf den Sportchef zu und flüstert ihm einige Sätze ins Ohr. Achim Beierlorzer lauscht mit versteinerter Miene. Das sah nach Aufgabe aus. Heute dann die offizielle Trennung.

Nach dem Abpfiff hat Jahn-Trainer Joe Enochs Redebedarf mit Sportchef Achim Beierlorzer. Foto: jrh

Schweren Herzens hätten sich Sportchef Achim Beierlorzer und Jahn-Trainer Joe Enochs nach einem intensiven Gespräch am Sonntagvormittag darauf verständigt, die Zusammenarbeit aufgrund der gravierenden sportlichen Krise mit nur vier Punkten aus den bisherigen zehn Ligaspielen und dem Desaster am vergangenen Freitag beim 1. FC Nürnberg zu beenden.

Bis auf Weiteres wird Co-Trainer Andreas Patz das Training der Profi-Mannschaft übernehmen. Er wird die Mannschaft gemeinsam mit seinem Trainerteam um Philipp Tschauner, Oliver Seitz und Christoph Rezler auf das Pokal-Heimspiel am Dienstag gegen die SpVgg Greuther Fürth vorbereiten. Die Suche nach einem neuen Cheftrainer beginne ab sofort.

Maximale Respektlosigkeit

Wenn sich Joe Enochs die vergangenen Wochen die Kommentarspalten in den Sozialen Medien angetan haben sollte, hätte er schon eine doppelte Elefantenhaut gebraucht, um die Schmähungen unbeeindruckt zu ignorieren. Natürlich muss man sich bei dieser Bilanz – nicht nur der aktuellen Zweitliga-Saison, sondern bereits der vergangenen Rückrunde – nicht wundern, wenn das Vertrauen in das taktische Geschick des Kaliforniers unter Schwindsucht litt.

Und da wir längst in einer Zeit der maximalen Respektlosigkeit leben, überrascht es nicht, dass sich sogenannte Fans auch weit unterhalb der Gürtellinie gegen Enochs, aber auch Sportchef Achim Beierlorzer austobten. Da nützt es auch nichts, gebetsmühlenartig darauf hinzuweisen, dass man mit dem Budget des SSV Jahn nicht als Topfavorit in die Liga des HSV, 1. FC Köln, von Fortuna Düsseldorf, Schalke 04 und Konsorten aufgestiegen ist. Schließlich hat man das vor wenigen Jahren schon mal weitaus besser hinbekommen.

Sportchef Achim Beierlorzer fiebert dem Schlusspfiff entgegen. Foto: jrh

Beierlorzer hat’s schon mal gerockt

Vergessen scheint inzwischen auch, dass es Achim Beierlorzer war, der die besten zwei Zweiliga-Jahre der Regensburger ever geprägt hat: Mit einem mutigen, aggressiven Red-Bull-Stil, der eine Monstermentalität aus der damaligen Elf herausholte und die Favoriten in Angst und Schrecken versetzte – wie beim 5:0 in Hamburg oder de 4:3 gegen Düsseldorf nach 0:3.

Warum das dem heutigen Sportchef, der ja nicht in der VIP-Loge, sondern mit auf der Trainerbank sitzt, bislang nicht gelang, ist die entscheidende Frage. War es einzig und allein dem Gespür von Fußball-Professor Christian Keller zu verdanken, dass damals die Kaderzusammenstellung derart famos glückte? Unter Berücksichtigung so mancher Trainer-Fehlentscheidung zuvor, die unterstellte Mitwirkung von Heiko Herrlich und Beierlorzer beim Headhunting sowie einem Blick nach Köln darf man daran leise Zweifel haben.

Lenkten lange zusammen die Geschicke des SSV Jahn: Präsident Hans Rothammer (links) und Sportchef Christian Keller. Bild: Jürgen Herda

Neuzugänge enttäuschen

Unzweifelhaft dagegen ist, dass keiner der bisherigen Neuzugänge die Erwartungen erfüllen konnte, die Mannschaft insgesamt klar besser zu machen. Außer vielleicht Kai Pröger, der auf der rechten Seite aufrichtig rackert, um den Abgang von Flügelflitzer Konrad Faber zu kompensieren, ist weit und breit kein Unterschiedsspieler zu entdecken.

  • Im Sturm entfachte Eric Hottmann trotz des Debakels in Nürnberg in einer Stunde mehr Gefahr als der völlig enttäuschende ehemalige Heidenheimer Christian Kühlwetter in rund zehn Stunden Zweitliga-Einsätzen. Warum der in seinen Kurzeinsätzen hoch motivierte Mansour Ouro-Tagba keine Chance mehr bekam, ist unverständlich.
  • Im Mittelfeld bleibt Sebastian Ernst mit wenigen Ausnahmen blass, in Nürnberg sogar körperlos. Warum der aggressive Leader Andi Geipl dagegen bereits zwei Spiele auf der Bank schmoren musste, bleibt Joes (und Achims?) Geheimnis.
  • In der Abwehr kamen Nico Ochojski und Alexander Bittroff allenfalls als Lückenbüßer zu Kurzeinsätzen, in denen sie die Abwehr nicht wirklich stabilisieren konnten.
Regensburgs Christian Kühlwetter (links) und Bochums Erhan Masovic in Aktion. Foto: dpa-Bildfunk

Baustellen für den neuen Cheftrainer

Insgesamt ist aber vor allem augenscheinlich, dass die Mannschaft wiederholt nach einer Stunde massive Einbrüche erleidet. Ob das an konditionellen Defiziten oder an der mangelnden Resilienz nach Gegentoren liegt, muss das Trainerteam beantworten. Dass ein Robin Ziegele vom pfeilschnellen 18-jährigen Stefanos Tzimas ähnlich abgehängt wird, wie Emre Can von Vinícius Júnior ist geschenkt – Florian Ballas wäre es nicht besser ergangen, das lässt sich nur im Kollektiv verteidigen.

Baustellen gibt es für den neuen Trainer also zur Genüge: Ob der neue Jahn-Flüsterer die Mannschaft in absehbarer Zeit stabilisieren kann, ist mehr als fraglich. Man bräuchte eine eierlegende Wollmilchsau, die sowohl einfühlsam als auch durchsetzungsfähig, taktisch clever, aber auch simpel genug für einfache Fußballergemüter tickt – mit anderen Worten einen Motivations-Klopp und Konditions-Magath in einer Person.

FCI-Trainer Michael Köllner kann die Fehlentscheidungen des Schiedsrichters bei der Heimpleite gegen Viktoria Köln noch immer nicht fassen. Foto: jrh

Welcher Trainer ist verfügbar?

Wer der Jahn Zirkus schon einige Jahrzehnte verfolgt, blickt nicht gerade mit elektrisiertem Optimismus auf diese Trainerentlassung – die nach allen Statistiken ohnehin nur selten nachhaltigen Erfolg bringt.

  • Die gute Seele Joe Enochs folgte auf Mersad Selimbegovic, ohne kurz vor Torschluss den Abstieg verhindern zu können.
  • Der glücklose Christian Brand folgte auf den glücklosen Alexander Schmidt – alles Entscheidungen von Christian Keller, dem erst mit Heiko Herrlich ein wirklicher Glücksgriff gelang.
  • Zu Franz Gerbers Zeiten löste der abgehobene polnische Nationaltrainer Franciszek Smuda den überforderten Jugendtrainer Oscar Corrochano völlig ohne Effekt ab.
  • Und beim vorletzten Zweitliga-Abenteuer führte der bräsige Ingo Peter den Jahn an den Rand des Abgrunds, den dann Günter Brandl vollenden durfte.

Für Achim Beierlorzer bedeutet das: Der fränkische Fußballlehrer steht jetzt vor der schwierigsten Entscheidung seiner Laufbahn. Da er es – leider – nicht selbst anpacken will, in einer Doppelfunktion wie die englischen Fußball-Manager, muss der erste Schuss sitzen. In nicht allzu weiter Distanz verfügbar wären Michael Köllner, Alexander Zorniger, Jens Härtel, Alois Schwartz – und Heiko Herrlich. Das wär‘ doch mal das Comeback des Jahres: Beierlorzers Vorgänger als Nachfolger.

Das wäre mal ein Comeback: Hinterließ beim SSV Jahn große Fußstapfen: Heiko Herrlich im Interview im Regensburger Rosarium. Bild: Jürgen Herda

Pressemitteilung zu Joe Enochs Demission

Der SSV Jahn und Cheftrainer Joe Enochs beenden die Zusammenarbeit. Nach intensiven Gesprächen sind der SSV Jahn Regensburg und Cheftrainer Joe Enochs am Sonntagvormittag gemeinsam zum Entschluss gekommen, die Zusammenarbeit aufgrund der anhaltenden sportlichen Krise mit nur vier Punkten aus den bisherigen zehn Ligaspielen und der deutlichen Auswärtsniederlage am vergangenen Freitag beim 1. FC Nürnberg zu beenden. 

Achim Beierlorzer, Geschäftsführer Sport des SSV Jahn, begründet die Entscheidung wie folgt: „Die gemeinsame Trennung fällt uns und mir persönlich wirklich sehr schwer. Joe hat im Mai 2023 das Amt in einer schwierigen und komplexen Situation übernommen. Durch seine hervorragende Arbeit zusammen mit dem Trainerteam und der Mannschaft konnten wir gemeinsam in diesem Jahr den direkten Wiederaufstieg in die 2. Liga schaffen. Nach dem bislang nicht zufriedenstellenden Saisonverlauf haben Joe und ich uns nach dem Spiel am vergangenen Freitag in Nürnberg sehr offen, direkt, sachlich und respektvoll ausgetauscht und sind gemeinsam zum Ergebnis gekommen, die Zusammenarbeit zu beenden.“

Leider hätten in den vergangenen Wochen die erhofften Ergebnisse gefehlt, weshalb wir in der Mannschaft einen neuen Impuls setzen müssen. „Joe hat im gesamten Verein eine sehr hohe Wertschätzung genossen, als Trainer und als Mensch.“ Er habe von Beginn an die Werte des SSV Jahn gelebt und große Identifikation mit dem Verein gezeigt. „Wir bedanken uns von ganzem Herzen bei Joe für all das, was er mit der Jahn-Elf erreicht hat und für die großartigen Momente, die wir mit ihm gemeinsam erleben durften.“

Bitter ist das vor allem für den sympathischen Trainer: „Der SSV Jahn ist mir in den vergangenen Monaten sehr ans Herz gewachsen, meine Frau und ich haben uns im Verein und in der Stadt sehr wohlgefühlt. Deswegen ist es für mich persönlich sehr schade, dass sich die Wege nun trennen.“ Zugleich sei er dankbar für die Zeit hier und für die vielen Menschen rund um den Verein, die er kennen- und schätzengelernt habe.

„Ich möchte mich bei den Verantwortlichen, meinem Trainerteam, der gesamten Mannschaft und dem Staff sowie allen Mitarbeitern herzlich bedanken. Was wir gemeinsam in der vergangenen Saison erreicht haben, macht mich sehr stolz.“ Leider habe man es in den vergangenen Wochen in der laufenden Zweitliga-Saison nicht geschafft, gute Ergebnisse zu erzielen. „Ich bin davon überzeugt, dass in der Mannschaft das entsprechende Potenzial steckt, um zurück in die Erfolgsspur zu kehren und den Klassenerhalt zu schaffen“, sagt Joe Enochs. 

Bis auf Weiteres wird Co-Trainer Andreas Patz das Training der Profi-Mannschaft übernehmen. Er wird die Mannschaft gemeinsam mit seinem Trainerteam um Philipp Tschauner, Oliver Seitz und Christoph Rezler auf das Pokal-Heimspiel am Dienstag gegen die SpVgg Greuther Fürth vorbereiten. Die Befassung mit einer Neubesetzung der Position des Chef-Trainers beginnt unmittelbar.

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