Christinas und Robs bayerisch-amerikanischer Pop-Art-Tempel in Tännesberg

Tännesberg. Eigentlich ist Christina Jarmolinski eine Bayerin. Geboren ist sie schließlich in Fürstenfeldbruck als Tochter einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Vaters. Aufgewachsen ist die Künstlerin aber in Connecticut. Und so kam sie nach Tännesberg.

Künstlerin Christina Jarmolinski und Fotograf Rob de Koter freuen sich über Kamala Harris Punktsieg bei der Präsidentschaftsdebatte am Dienstag. Foto: privat

Wie viel Kultur steckt in Tännesberg? Bekannt ist der idyllische Markt, der nach dem Krieg Ziel von zahllosen Reisebussen aus dem Ruhrgebiet war, für den St.-Jodok-Ritt, die zweitgrößte Pferdewallfahrt Bayerns. Vielleicht noch für die Kreuzwegstationen des Bildhauers Professor Carl Burger. Und für das Oberpfalzfestival, bei dem im Juli Hannes Ringlstetter auf der Bühne stand.

Wer aber weiß schon, dass sich gegenüber der Pfarrkirche St. Michael auf dem Marktplatz 7 ein Blick in das Schaufenster der wunderbaren Pop-Art-Welt von Christina Jarmolinski, einer US-amerikanischen Künstlerin mit oberbayerischen Wurzeln, eröffnet? Da stehen sie nun, Christina und ihr niederländischer Freund Rob de Koter, Fotograf, inoffizieller Manager und Sanierungsbeauftragter des neuen Tännesberger Ateliers, in ihren Kamala-Harris-T-Shirts und strahlen um die Wette.

Die Freude über den Punktsieg der demokratischen Präsidentschaftskandidatin gegen das autokratische Ekelpaket Donald Trump bei der TV-Debatte am Dienstag ist beiden genauso anzusehen wie das Eintreffen ihres neuen Kunstkalenders 2025. „Wir haben am Sonntag schon viele verkauft“, sagt Christina. Wer einen möchte, sollte sich beeilen: „Das ist eine limited Edition.“

Druckfrisch: Der neue Kunstkalender der US-bajuwarischen Künstlerin Christina Jarmolinski in Tännesberg. Foto: Rob de Koter

Kreatives Chaos hinter der Fassade

Hinter der mit Lebensbäumchen und Rosen geschmückten Fassade verbirgt sich ein knallbuntes, kreatives Chaos mit zahllosen, großformatigen Gemälden an den Wänden und hintereinander gestapelt auch am Boden. Dazwischen Skulpturen, Kunstobjekte, lebensgroße Schaufensterpuppen, Vasen, selbst entworfener Schmuck, Tassen mit Kunstmotiven, Staffeleien, Tischen und Regalen, die sich unter der überbordenden Last von Farbflaschen und Tuben, Terpentin und Pinseln biegen.

Dazwischen bahnt sich Shilo, der drei Jahre alte „Australian Shepard und Asian“-Mischling, temperamentvoll seinen Weg und saust freudig auf den seltenen Besucher zu. Die tierische Begeisterung will kein Ende nehmen und auch wenn sie auf Gegenseitigkeit beruht, irgendwann schreitet Rob mit strenger Stimme ein und ruft das Tier ziemlich vergeblich zur Ordnung. Immerhin: Vor der jüngsten Trump’schen Torheit, dass Ausländer die Haustiere der braven Amerikaner verspeisen würden, muss sich Shilo nicht fürchten.

Die wunderbare Pop-Art-Welt der US-bajuwarischen Künstlerin Christina Jarmolinski in Tännesberg. Fotos/Collage: Rob de Koter/Jürgen Herda

Vater Architekt, Mutter Designerin

Wie viel Oberbayern steckt in einem Kleinkind, das in Fürstenfeldbruck geboren wurde und seit dem zweiten Lebensjahr mit dem amerikanischen Vater und der deutschen Mutter an der US-Ostküste aufwuchs? „Mein Papa war als Soldat in Deutschland stationiert“, erzählt Jarmolinski, „aber in seinem zivilen Leben war er Architekt und meine Mama Designerin für Kleidung.“ Dem Vater habe sie schon früh beim Zeichnen seiner Pläne über die Schulter geguckt. „Ich bin mit Kunst aufgewachsen“, erklärt sie ihre kreative Ader, „in den Museen zwischen Boston und New York.“

Aber wie das oft so ist mit der Suche nach den eigenen Wurzeln: Halb zog es sie, halb sank sie dahin zu ihren bayerischen Ursprüngen. „Eigentlich sollte ich Übersetzerin werden“, verrät Christina die frommen Wünsche der Eltern, die der Tochter trotz Bohème-Haushalt eine solide Ausbildung nahelegen. Nur, wo die Liebe eben so hinfällt. Ihre Sprache ist halt mehr die Kunst.

Der wunderbare Kunstmanager Rob de Koter im Atelier in Tännesberg. Fotos/Collage: Christina Jarmolinski/Jürgen Herda

Kokoschkas Sommerakademie  

„Ich habe ein Studium in München aufgenommen“, erzählt die US-Bajuwarin, „aber schon bald an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg mehrere Sommer verbracht.“ Der große Oskar Kokoschka hatte diese Einrichtung als „Schule des Sehens“ auf der Festung Hohensalzburg 1953 selbst gegründet. „Anschließend habe ich noch bei verschiedenen Künstlern in München, Trier und Augsburg studiert – und auch in den USA.“

In der Schwaben-Metropole bleibt Jarmolinski erst einmal hängen. „Zuerst als Bühnenmalerin am Augsburger Theater.“ Mit 25 Jahren sattelt sie eine Keramik-Ausbildung bei Baron von Stetten drauf. Dabei hat sie sich offenbar nicht schlecht angestellt. „Als der Baron unerwartet nach nur einem Jahr starb, hat mich die VHS gebeten, seine Kurse zu übernehmen – ich bin ins kalte Wasser gesprungen.“ Für die Schwaben-Akademie in Irsee ist sie über 20 Jahre lang in der Erwachsenenbildung tätig: „Erst nur Keramik, dann auch freies Malen.“

Die wunderbare Pop-Art-Welt der US-bajuwarischen Künstlerin Christina Jarmolinski in Tännesberg. Fotos/Collage: Rob de Koter/Jürgen Herda

Ausstellung mit dem King of Pop Art

Aber irgendetwas hat der amerikanischen Seele in Christinas Brust gefehlt: Etwas, das sie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten suchen wollte. Als sie die Chance bekommt, in Florida auszustellen, ist sie sofort Feuer und Flamme: „Das war immer schon mein Traum“, schwärmt sie, „der Golf von Mexiko, ich liebe das Schwimmen, Delfine und Palmen.“

Zwischen 1990 und 2000 feiert sie große Erfolge, lernt bedeutende zeitgenössische Künstler wie den King of Pop Art, Robert Rauschenberg, kennen: „Wir hatten eine gemeinsame Ausstellung in Fort Myers, der Stadt der Palmen.“ Vielleicht kein Zufall, dass sich die bayerische Amerikanerin und der Nonkonformist Rauschenberg, der vor allem deutsche Künstler wie den Dadaisten Kurt Schwitters, den Maler und Kunsttheoretiker Josef Albers und den Fluxus-Künstler Joseph Beuys schätzte, auf Captiva Island, wo er ein Atelier am Strand hatte, begegneten.

US-Ikonen mit Klimt-Zügen

Auch wenn Jarmolinski in diesem Jahrzehnt fast alle Werke verkauft, einige großformatige Reminiszenzen an diese Ära – wie das dreidimensionale „Frühstück mit Tiffany“ – finden sich heute noch in ihrem neuen Atelier in Tännesberg. „Sie habe ich behalten“, erklärt Christina, „die Schauspielerin Audrey Hepburn hat mir in ihrer schlichten Art immer gefallen.“ Die Porträts amerikanischer Ikonen, darunter auch Marylin Monroe, erinnern an eine moderne Version des österreichischen Meisters des vergoldeten Jugendstils, Gustav Klimt – nur eben in Pop-Bunt.

Golden sind dagegen die Jahre in Florida für die Künstlerin, die sogar vom renommierten deutschen Journalisten Roger Horné – damals als Auslandskorrespondent Gast in vielen Diskussionsrunden des US-Fernsehens wie CNN, CNN International, CBS, Fox News und C-Span – porträtiert wird. „Ich konnte gut von meinen Verkäufen leben“, blickt sie nostalgisch zurück. „Es gab noch keine Billigkopien aus China, die Amerikaner kauften gerne Kunst im Original.“

Die US-bajuwarische Künstlerin Christina Jarmolinski vor ihrem Gemälde „Frühstück mit Tiffany“ im Tännesberger Atelier. Foto: Rob de Koter

Verleger für das Indien-Abenteuer gesucht

Über ihr Jahr in Indien will sie ein Buch schreiben – halb dokumentarisch, halb fiktiv. „Ich suche noch einen Verleger …“, sagt sie einladend. Mit der Kultur des Subkontinents kam sie vor 35 Jahren in Berührung, als sie für indische Flüchtlinge, meistens Sikhs, vor Gericht übersetzte. Als sie nach ihrer Scheidung Gelegenheit hat, das Milliarden-Reich zu besuchen, muss sie nicht zweimal überlegen. Sie kurvt mit indischen Bussen durchs Land, von Delhi in den Himalaya auf 4500 Meter Höhe.

„Ich habe viele Buddhisten kennengelernt, den Inderinnen ihren Schmuck zu einem fairen Preis abgekauft und eine Journalistin kennengelernt.“ Diese lädt sie nach Poona ein. „Ich habe bei ihr auf der Matratze geschlafen, und sie hat mir gezeigt, wie man indisch kocht.“ Miete habe sie keine genommen, sich stattdessen gewünscht: „Nimm mich mit zu Restaurants, wo man mich nie reinlässt.“ Ein Guru, mit dem die Frau zusammen ist, bringt ihr bei, wie man den traditionellen Schmuck herstellt, den sie jetzt auch in Tännesberg verkauft.

Die wunderbare Pop-Art-Welt der US-bajuwarischen Künstlerin Christina Jarmolinski in Tännesberg. Foto: Rob de Koter

Schwere Zeiten für arme Künstler

Auch in Deutschland waren die Zeiten für Künstler schon mal rosiger: „In den 1970er bis 90er Jahren konnte man noch von der Kunst leben“, sagt Christina, „in Augsburg gab es viele Aufträge für Kunst am Bau.“ Das Künstlerhaus „Antonspfründe“ wurde von der Stadt finanziert: „Resident Artists mussten nur einen kleinen Beitrag für ein Atelier zahlen.“ Aber „the times, they are changin’“, sang Bob Dylan, „die Zeiten haben sich geändert“, seufzt Jarmolinski, die jetzt zusammen mit Rob ein wenig verloren im gemeinsamen Tännesberger Atelier sitzt.

Findig, wie sie nun mal ist, schlägt sie sich mit immer neuen Ideen durch. Sie lässt ihre Motive auf Tassen und T-Shirts drucken. „Ich arbeite auch am Computer“, sagt Christina, als Künstlerin muss man heutzutage mit den Sozialen Medien umgehen können.“ Rob arbeitet bereits an einem Fenster in die Welt, einem Internetauftritt mit Shop. „Man muss sich umstellen“, sagt der professionelle Schiffsfotograf, der einige Fachbücher veröffentlicht hat. Der Holländer fotografiert nicht nur ihre Werke. Sobald sein Foto-Atelier und die neue Website fertig sind, will auch er seine Arbeiten online anbieten. Aber die Kunstsammler rennen den beiden bisher noch nicht die Tür ein.

Die wunderbare Pop-Art-Welt der US-bajuwarischen Künstlerin Christina Jarmolinski in Tännesberg. Foto: Rob de Koter

Tännesberg-Gemälde im Rathaus

Wie sollen sie auch wissen, welche Hochkaräter hinter dem Schaufenster am Marktplatz nächtelang vor Leinwänden buckeln, wie einst mit der Mama Schmuck basteln, sticken, stricken und fotografieren? Eines müssen die beiden noch erzählen: Wie hat es sie in die Oberpfälzer Provinz verschlagen? „Mein Sohn ist Rechtsanwalt in München“, erzählt Christina, „und weil Nachwuchs im Anmarsch war, wollte ich in seine Nähe ziehen.“ Die Haussuche über Immo-Scout führt zu dem bezahlbaren Objekt, das sie liebevoll renovieren, wie tägliche WhatsApp-Fotos bezeugen. 

Fehlen nur noch die Besucher. „Bürgermeister Ludwig Gürtler hat uns sehr nett aufgenommen“, freut sie sich über die Gastfreundschaft des Kommunalpolitikers, der gleich im ersten Jahr ein großes Bild gekauft hat. Natürlich ein Tännesberger Motiv, das jetzt im Rathaus hängt. Auch der inzwischen wieder lebhaft bellende Shilo würde gerne jeden neuen Gast mit fröhlichem Gebell freudig begrüßen. Nur Mut!

Die wunderbare Pop-Art-Welt der US-bajuwarischen Künstlerin Christina Jarmolinski in Tännesberg. Fotos/Collage: Rob de Koter/Jürgen Herda

Gerade Europa muss auf Kamala Harris hoffen

Kamala Harris ist die bestmögliche Kandidatin“, die in so kurzer Zeit eine Chance auf den Wahlsieg habe, sagt Christina Jarmolinski über die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. „Sie hat viel Erfahrung in der Politik, da sie zuvor auch schon Generalstaatsanwältin und Justizministerin in Kalifornien war.“ Als Amerikanerin mit indischen und afrikanischen Wurzeln könne sie die Stimmen der „People of Colour“ einsammeln. Sie sei die am besten qualifizierte Kandidatin für das höchste Amt der Vereinigten Staaten. „Sie ist wortgewandt, ruhig, gelassen und hochintelligent“, sagt Jarmolinski, „und sie kümmert sich um die Probleme der weniger Glücklichen. Sie wird den jungen, armen und älteren Menschen helfen.“

„She’s gutsy – sie ist mutig, sie sagt, was sie denkt.“ Das habe natürlich auch Nachteile: „Gerade die konservativen Republikaner und die bigotten Evangelikalen mögen das nicht.“ Vor allem in puncto Frauenrechte sei sie deshalb eine Hoffnung für viele Amerikanerinnen: „Donald Trump und J. D. Vance wollen uns zurück ins Mittelalter versetzen“, sagt Christina. „Gerade beim Thema Abtreibung!“ Niemand habe das Recht, einer Frau vorzuschreiben, was sie mit ihrem Körper zu tun habe. „Das ist eine individuelle und private Entscheidung, und die Regierung hat kein Recht, ihr da dreizureden.“

Die 59-jährige Harris verkörpere mit neuer Energie endlich den lang ersehnten Generationswechsel. „Sie hat im TV-Duell ihre Professionalität unter Beweis gestellt“, freut sich Christina. „Ihre ruhige Überlegenheit hat den orangenen Mann wahnsinnig gemacht.“ Gerade Europa und die Nato müssten hoffen, dass Harris im November gewählt werde. „Nur so, bleibt die Welt in Balance“, ist sie sich sicher. „Wir können keinen hitzköpfigen, geistig gestörten Politiker in diesen ohenhin turbulenten Zeiten gebrauchen.“

Trump habe in dieser Debatte einmal mehr bewiesen, dass er ein chronischer Lügner sei. „Er stellt ´völlig haltlose Behauptungen auf, etwa, dass die Demokraten die Abtreibung in einigen Staaten über die Geburt hinaus erlaubten, was Nonsens ist.“ Wegen seiner frei erfundenen Hetzstorys, dass haitanische Einwanderer in Springfield Hunde und Katzen essen würden, habe das Rathaus evakuiert werden müssen, „da es von denen, die ihm noch immer glauben, angegriffen wurde“. Und er mache kein Hehl für seine Bewunderung für Diktatoren wie Putin.

Auch Ron de Koter ist ein entschiedener Trump-Gegner: „Ich habe wegen Trump meine Arbeit verloren“, sagt der Niederländer, der in den USA in der Internet-Branche tätig war. „Als der 2016 gewählt wurde, wurden wir alle fristlos entlassen, weil es keine Regulierung des Internets mehr gab.“ Wenn Trump gewählt werde, sieht er auch für Europa schwarz: „Dann steht Russland vor der Tür.“

Die Regierung bereite sich aber auch für den Fall eines Wahlsiegs der Demokraten auf Ausschreitungen wie beim Sturm des Kapitols am 6. Januar 2021 vor. „Die Nationalgarde wird in Alarmbereitschaft versetzt.“ An bürgerkriegsähnliche Zustände, wie manche befürchten, glaubt Christina aber trotz der Vollbewaffnung der amerikanischen Bevölkerung nicht. „Die meisten Trump-Fans sind Feiglinge.“

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