„Zuagroaste“ Künstler begeistert vom Tännesberger St.-Jodok-Ritt

Oberviechtach. Für das US-niederländische Künstlerpaar Christina Jarmolinski und Rob de Koter ist es der erste große St.-Jodok-Ritt, seit sie sich in ihrem Tännesberg Atelier am Marktplatz 7 niederließen. Corona hatte die zweitgrößte Pferdewallfahrt Bayerns auf ein Mini-Format eingedampft.

Die Open-Air-Messe vor der Tännesberger Wallfahrtskirche St. Jodok. Foto: OberpfalzECHO

Eigentlich kann man danach die Uhr stellen: Der St.-Jodok-Ritt in Tännesberg (Landkreis Neustadt/Waldnaab) findet immer am vierten Wochenende im Juli statt. Eigentlich, denn natürlich gingen die Pandemie-Maßnahmen auch an der Pferdewallfahrt nicht spurlos vorbei.

„Wir kamen im Dezember 2019 nach Tännesberg“, erzählt die deutsch-amerikanische Künstlerin Christina Jarmolinski. „In den ersten zwei Jahren fiel der Ritt den Pandemie-Maßnahmen zum Opfer.“ Erst seit 2022 konnte der St.-Jodok-Verein wieder Pferdefreunde aus der Umgebung einladen. „Heuer sind wir zum ersten Mal so richtig aktiv mit dabei“, sagt Christina, „Rob mit dem Fotoapparat und ich habe mich einfach unter die Leute beim Festzug am Samstag gemischt.“

„Das war beeindruckend“, sagt die Künstlerin mit amerikanischem Vater und deutscher Mutter, die in Connecticut an der Ostküste aufgewachsen ist. „Die ganzen Reiter in ihren historischen Kostümen, die Fahnenabordnungen der Vereine und die Kolping-Fanfarengruppe, die vom Rathaus durch die Gassen zum Marktplatz ziehen.“

Die beschwingte US-Künstlerin Christina Jarmolinski mit Sohn Christian, der bunte Festzug und Herold David Nesner. Fotos/Collage: Rob de Koter/jrh

Der Herold gibt das Startzeichen

Immer wieder ein Gänsehautmoment, wenn Herold David Nesner mit fester Stimme den Start des St.-Jodokritts ankündigt und die Regularien bekannt gibt: Die Straßen müssen sauber gekehrt sein und die Gläubigen sollten sich zahlreich an der Prozession zum „Jodokkirchlein“ beteiligen, um das im Jahr 1796 abgegebene Gelübde zu erfüllen.

Mit dabei auch die Markträte Tännesbergs mit Bürgermeister Ludwig Gürtler: „Der Rathauschef hat uns damals ganz toll aufgenommen und er war auch der Erste, der ein großformatiges Gemälde von Tännesberg fürs Rathaus bei mir gekauft hat“, freut sich Christina, während Tausende Besucher am Straßenrand zur Marschmusik der Blaskapelle Gleiritsch und der Jugendblaskapelle Roggenstein applaudieren.

Der Jodokritt am Sonntagvormittag des Festwochenendes ist eine eucharistische Prozession zu Pferd und zu Fuß. Der Zug marschiert, angeführt vom Fanfarenzug der Kolpingfamilie, mit Gebeten und Gesang vom Ortskern Tännesbergs zur etwa zwei Kilometer entfernten St.-Jodok-Kirche. Foto: Rob de Koter

Verheerende Viehseuche als Ursprung

Die Tradition geht zurück auf das Jahr 1796, als sich die Tännesberger erstmals mit einer verheerenden Viehseuche konfrontiert sahen – Schweinepest, Rinderwahnsinn und Vogelgrippe lassen grüßen. Welcher Virus damals wütete, der in kürzester Zeit 200 Tiere dahinraffte, ist nicht bekannt.

Mangels tiermedizinischer Expertise wussten sich die Menschen damals nicht anders zu helfen, als zur Jodok-Kirche zu pilgern. Weil Zeugmacher Leonhard Paritus kurz darauf eine erste, erkrankte Kuh durchgebracht haben soll und die Seuche anschließend abklang, entschlossen sich die Tännesberger fortan dem Herrgott mit dem St.-Jodokritt zu danken – ein Gelübde, das sie bis zum bayerischen Schicksalsjahr 1866 erfüllten.

Ob der historische Hintergrund zum vorläufigen Aus der Pferdewallfahrt führte, ist nicht überliefert.  Nach der österreichischen Niederlage bei Königgrätz im Juli 1866 trafen bayerische und preußische Truppen bei Kissingen aufeinander. Nach heftigem Kampf mussten die Bayern den Rückzug antreten – sie verloren die letzte Schlacht gegen die Preußen.

Die Gleiritscher Blaskapelle unter Leitung von Paul Braun. Foto: Rob de Koter

Sogar Pilger aus Wien

Der St.-Jodok-Kult ist allerdings noch wesentlich älter als der gleichnamige Ritt. Davon zeugt die Wallfahrtskirche St. Jodok am Tännesberger Waldrand, zu deren Vorgängerbau seit 1019 Bauern aus der Umgebung pilgerten. Der heilige Jodokus, ein bretonischer Einsiedler des 7. Jahrhunderts, genoss im Hochmittelalter große Verehrung als Nothelfer gegen Krankheiten und Seuchen.

Nach ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) wurde die Kirche wieder aufgebaut und 1689 erneut geweiht. Wie bedeutend der Wallfahrtsort für die Gläubigen des Barocks war, beweist ein Wiener Prozessionskreuz in der Kirche. Als 1690 die Pest in Wien ausbrach, machten sich Pilger aus der Hauptstadt der k.- und k.-Monarchie ins oberpfälzische Tännesberg auf – bei ihrer Ankunft sollen sie die Nachricht erhalten haben, dass die Seuche auf dem Rückzug sei.

Als die ehemals so bedeutende Wallfahrtskirche nach dem Zweiten Weltkrieg zu zerfallen drohte, gelang es, sie durch großzügige Spenden und tatkräftige Mithilfe vieler Landwirte zu renovieren. Beim Kirchweihfest 1976 wurde Sankt Jodok wieder geweiht.

Sie haben seit 2019 ihr Atelier in Tännesberg: US-Künstlerin Christina Jarmolinski und der niederländische Fotograf Rob de Koter. Foto: Jürgen Herda

St.-Jodok-Ritt mit eucharistischer Prozession

Der Jodokritt am Sonntagvormittag des Festwochenendes ist eine eucharistische Prozession zu Pferd und zu Fuß. Der Zug marschiert, angeführt vom Fanfarenzug der Kolpingfamilie, mit Gebeten und Gesang vom Ortskern Tännesbergs zur etwa zwei Kilometer entfernten St.-Jodok-Kirche.

Ein vier- oder sechsspännig gezogener und prächtig geschmückter Wagen mit dem Priester führt das Allerheiligste in der Monstranz mit sich. Vor der Kirche feiert die Festgemeinde eine Heilige Messe im Freien und der Priester segnet die Pferde. Anschließend zieht die Prozession zurück nach Tännesberg, wo der Schlusssegen in der Michaelskirche erteilt wird.

Der Zug besteht aus Themengruppen zu Pferd, die Motive aus der Geschichte darstellen, begleitet von privaten Reitern und Kutschen, Abordnungen örtlicher Vereine, einem Wagen mit dem Allerheiligsten, gefolgt von Kommunionkindern des jeweiligen Jahres. Den Abschluss der Prozession bilden Gläubige zu Fuß.

  • Kreuzritter und Fahnenreiter: die Paulsdorfer, einstige Burgherren von Tännesberg (schwarze Kleidung mit Kreuz und Fahnen)
  • Georgenritter: Symbol der Standhaftigkeit (weißer Umhang)
  • Martinsritter: In Erinnerung an den heiligen Martin, Symbol für Großzügigkeit (blauer Umhang)
  • Feuerritter: Tännesberg wurde von drei großen Brandkatastrophen heimgesucht (1726, 1796 und 1826, roter Umhang).
  • Wappenritter: Die Paulsdorfer dienten ihrem Landesherrn (mit bayerischem Wappenschild)
  • Pestritter: Sie erinnern an die Seuche, die in Tännesberg mehrmals ausbrach (Kettenhemden und schwarzer Umhang)
  • Marktrichter und Marktschreiber: Zur Feier der Verleihung der Marktrechte an Tännesberg im Jahre 1412 (schwarze Haube mit Marktstandarte)
  • Heroldsreiter: Sie überbrachten in berittenen Zeiten Nachrichten und Meldungen (bunte Barette, Wams in roter Farbe)
  • Weitere Reiter: Bürger und Bauern von Tännesberg
  • Pilgerzug mit Kreuz: Zur Erinnerung an die Pilger, die zur Kirche St. Jodok in Tännesberg pilgerten.

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