Bidens Rückzug: Eine gute Nachricht für unsere Wirtschaft?
Tännesberg. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet bei einem Wahlsieg Donald Trumps mit einem Verlust von bis zu 150 Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft. Doch ist der Rückzug von US-Präsident Joe Biden so kurz vor der Wahl mehr Chance oder Risiko?

Christina Jarmolinski, US-amerikanische Künstlerin mit Atelier in Tännesberg, ist erleichtert: „Ein Knoten hat sich gelöst – ich bin so dankbar, dass Präsident Biden abgedankt hat.“ Für die Wanderin zwischen den Welten ist „Kamala Harris die bestmögliche Kandidatin“, die in so kurzer Zeit eine Chance auf den Wahlsieg habe.
Unter Trump zurück ins Mittelalter
„Sie hat viel Erfahrung in der Politik, da sie zuvor auch schon Generalstaatsanwältin und Justizministerin in Kalifornien war.“ Als Amerikanerin mit indischen und afrikanischen Wurzeln könne sie die Stimmen der „People of Colour“ einsammeln. „She’s gutsy – sie ist mutig, sie sagt, was sie denkt.“ Das habe auch Nachteile: „Viele mögen das nicht.“
Aber gerade in puncto Frauenrechte sei sie eine Hoffnung für viele Amerikanerinnen: „Donald Trump und J. D. Vance wollen uns zurück ins Mittelalter versetzen“, sagt Christina. „Gerade beim Thema Abtreibung!“ Sie sehe jetzt wieder Chancen, dass Trump verliert. Die 59-jährige Harris, im Vergleich zu den beiden alten Herren ein veritabler Generationswechsel, als Beschützerin der Frauen, Kämpferin für das Recht auf Abtreibung: So tourt die Vizepräsidentin gerade durchs Land.
Nach dem Attentat: Die Staaten sehen Rot
Bis zur TV-Debatte zwischen US-Präsident Joe Biden und Donald Trump, dem alten und neuen Kandidaten der Republikaner, schien sich beim Rematch der beiden Kontrahenten erneut ein enges Rennen anzudeuten. War bereits der verwirrte Auftritt des angeschlagenen 81-jährigen Amtsinhabers bei der Debatte ein Schock für die Demokraten, schien nach dem gescheiterten Attentat auf Trump die bei den Kongresswahlen ausgebliebene rote Welle in Fahrt zu kommen.
Die politische Landkarte färbt sich zunehmend in Republikaner-Rot – vor allem auch in den entscheidenden „Swing States“ (siehe Grafik). Jetzt hat Biden, gedrängt von einflussreichen Demokraten, das Handtuch geworfen – und sich erwartungsgemäß für seine Vizepräsidentin Kamala Harris als Nachfolgerin ausgesprochen.
Durchmarsch Harris oder Schlammschlacht?
Doch Harris ist noch lange nicht durch. Als Vizepräsidentin und mit Unterstützung Bidens und dem Elder-States-Paar Bill und Hillary Clinton nimmt sie zwar klar die Pole-Position ein. Zumal für Abstimmungen in allen 50 US-Staaten die Zeit zu knapp ist. Und die Demokraten wissen: Wenn es beim Parteitag am 19. August zur offenen Machtprobe zwischen mehreren Kandidaten kommen sollte, schwinden die Chancen auf einen Wahlsieg rapide. Auch das spricht für einen Durchmarsch von Harris. Andererseits stehen noch einige ambitionierte Politprofis in den Startlöchern:
- Pennsylvanias Gouverneur Josh Shapiro (51): Der erfahrene ehemalige Generalstaatsanwalt und spätere Gouverneur aus dem fünft-bevölkerungsreichsten Staat wäre der erste jüdische Präsidentschaftskandidat der USA. Aus Sicht der Wahlforscher ein nicht geringes Handicap im südlichen Bibelgürtel.
- Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom (56): Der Sonnyboy aus dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat wird oft mit J. F. Kennedy verglichen, gilt aber als für Wechselwähler als schwer vermittelbarer „Grüner“.
- Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker (59): Der Erbe der Hyatt Hotelkette hat ein ähnlich loses Mundwerk wie Trump. Das Schwergewicht, das Trump „einen alten, verurteilten Schwerverbrecher mit Bräune aus der Spraydose“ nennt, ist seinerseits dem Spott des Kontrahenten ausgesetzt: „Wie viele Burger hättest du gern? Fünf?“
- Michelle Obama, ehemalige First Lady (60): Das goldene Einhorn unter den Kandidaten, das man zum Jagen tragen müsste. Sie hätte viele Sympathien, aber bisher weigert sie sich standhaft, nach acht Jahren im Weißen Haus noch einmal ein Jahrzehnt der Politik zu opfern.

Auch für Deutschland eine Schicksalswahl
Sollte Trump ein zweites Mal US-Präsident werden, hätte das gravierende Folgen für die deutsche Wirtschaft. Im Falle einer erneuten Präsidentschaft erwägt er, einen Mindestzoll von zehn Prozent für Importe aus allen Ländern und für chinesische Einfuhren sogar von 60 Prozent. Besonders für deutsche Unternehmen, die in die USA exportieren, ein schwerer Schlag – die USA sind vor allem für die Automobilindustrie, aber auch für andere Branchen, mit der wichtigste Handelspartner.
Das IW hat in einer Simulation abgeschätzt, wie sich die Zollerhöhung auf die Wirtschaft in den USA, Europa und Deutschland auswirken würde. Der BIP-Verlust in Deutschland würde sich demnach über die gesamte Amtszeit Trumps voraussichtlich auf mehr als 120 Milliarden Euro summieren. Für den Fall, dass China die Zölle für US-Importe seinerseits um 40 Prozentpunkte erhöht, würde das die deutsche Wirtschaft rund 150 Milliarden Euro kosten. Der Zollschock würde zudem den Welthandel dämpfen – mit der Folge, dass neben den Exporten auch private Investitionen sinken würden.
Gegen dieses Szenario müsse die EU dringend präventive Maßnahmen ergreifen. Man könne die verbleibende Zeit bis November nutzen, um die Handelsbeziehungen mit den USA durch Abkommen über Stahl und kritische Rohstoffe auf eine beständigere Grundlage zu stellen. Außerdem wären weitere Freihandelsabkommen mit Australien, den Mercosur-Staaten, Indonesien oder Indien ratsam. Damit könnten die Folgen einer protektionistischen US-Handelspolitik zumindest etwas abgefedert werden.
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