Jahn in Liga 2: HSV-Rache für die historische 0:5-Klatsche

Hamburg. Wer noch immer vom historischen 5:0-Auswärtskanter des SSV Jahn von 2018 träumte, ist jetzt endgültig ernüchtert. Dem Hamburger SV reichen zwei längere Phasen, in denen er richtig aufdreht, um die Regensburger Abwehr zu zerlegen.

Szenen der Hamburger Freude: Der HSV hat gut Jubeln: Fünfmal gibt’s gegen den SSV Jahn Ringelpiez mit Anfassen. Foto: jrh

Die Ausgangsposition zwischen dem Hamburger SV und dem SSV Jahn ist vergleichbar mit der gestrigen Partie zwischen Holstein Kiel und dem FC Bayern. Die Hanseaten spielen auf dem Papier nach allen Parametern in einer anderen Liga: Knapp 54.000 Zuschauer im Volksparkstadion, ein Vielfaches an Budget und ein bundesligareifer Kader.

Und dennoch: „Wir spielen in der gleichen Liga“, hatte Jahn-Trainer Joe Enochs vor der weiten Anreise klargemacht. Aber in diesem Punkt unterscheidet sich die Aufstiegself von 2017, mit welcher der heutige Sportchef Achim Beierlorzer als Trainer die Liga zwei Jahre lang gerockt hat. Damals war Regensburg der Favoritenschreck, das Mentalitätsmonster.

Das muss der Jahn abstellen

Das will bis jetzt noch so gar nicht gelingen: Von einer Jahn-Offensive zu sprechen, verbietet sich bei 1:13 Toren nach fünf Spielen. Und für die Defensive ist diese Bilanz auch nicht gerade ein Musterzeugnis. Was wir momentan beobachten,

  • ist eine Mannschaft, die phasenweise ganz passabel mitspielt – sich aber im Spielaufbau so viele Fehler leistet, dass sie damit regelmäßig spielentscheidende Konter einleitet,
  • ein Pressing, das in der gegnerischen Hälfte lediglich Beobachtungsstatus hat,
  • eine Defensive, die sich von jedem schnellen Flügelflitzer aushebeln lässt,
  • verpennte Anfangsphasen und schon zum zweiten Mal
  • Zerfallserscheinungen in der Schlussphase.
Da sah’s noch nach einem Remis aus; Dominik Kothers großer Zeh soll beim vermeintlichen 1:1 beim HSV im Abseits gewackelt haben. Foto: jrh

Von wegen von Beginn an hellwach

Man hat die Warnung von Coach Enochs noch im Ohr: „Wir müssen von Anfang an wach sein“, hatte er an sein Team appelliert, das sich auch gegen Fürth viel zu früh den ersten Gegentreffer eingefangen hat. Und was machen die Oberpfälzer in der ersten Minute: Ballverlust im Mittelfeld, der 19-jährige Fabio Baldé, der es aus der Regionalliga in den Profikader geschafft hat, ist von Robin Ziegele nicht ansatzweise einzufangen, Flanke in die Mitte – Ransdorf Königsdorffer, von HSV-Trainer Steffen Baumgart in seiner PK über den Klee gelobt, nickt völlig unbehindert ein, 1:0 (1.).

Und doch: Ehe Hamburg nachlegen kann, kommt Regensburg wie aus dem Nichts zur ersten Chance. Und was für einer. HSV-Kapitän Sebastian Schonlaus Fehlpass landet bei Christian Viet, der Kai Pröger rechts steil schickt, flache Hereingabe, am zweiten Pfosten kommt Dominik Kother um eine Fußspitze früher als Dennis Hadzikadunic an den Ball – die Kugel rollt über die Linie, 1:1 (7.). Denkt man, da auch Schiri Robin Braun, Virtuose der Gelben Karten, keine Einwände erhebt. Doch der Keller hat noch ein Wörtchen mitzureden. Weil sich Köln bei der Kalibrierung offenbar unsicher ist, überlässt man Braun die Entscheidung, der nach Augenschein Kother einen Millimeter weiter vorne sieht – kein Treffer.

Da konnte Christian Viet (rechts) noch auf ein Remis hoffen; Schiri Robin Braun sah dann aber Dominik Kothers großen Zeh beim vermeintlichen 1:1 beim HSV im Abseits. Foto: jrh

Wäre es ein anderes Spiel geworden?

Klar ist das maximal bitter. Vielleicht wäre es nach dem Ausgleich ein anderes Spiel geworden. Aber ehrlich gesagt: Es ist nicht sehr wahrscheinlich. Denn immer dann, wenn der HSV über seine Flügelflitzer den Turbo anwirft, ist die Regensburger Abwehr komplett überfordert. Baldé düpiert erneut Ziegele, der im 1:1 auch nicht viel mehr machen kann, den Querpass kann der einsame Louis Breunig in der Mitte nicht mehr abfangen, Robert Glatzel schiebt gegen die Laufrichtung des machtlosen Felix Gebhardt ein, 2:0 (14.).

Anschließend ruhen sich die Hamburger lange auf ihren Lorbeeren aus, lassen den Jahn mitspielen. Aber gefährlich vors Tor kommen die Gäste nur einmal, als Kother in den Strafraum dribbelt, fast schon hängen bleibt, die Kugel aber unbeabsichtigt Christian Viet vor die Füße fällt – bevor die Regensburger 10 aus kurzer Distanz einnetzen kann, grätscht Schonlau dazwischen (23.).

Jahn-Coach Joe Enochs gibt Dominik Kother Tipps, wie’s Toreschießen besser gelingt. Foto: jrh

Mit Schlampenflanken keine Chancen

Gleiches Bild in Hälfte 2. Hamburg verwaltet zunächst ohne große Mühe das Ergebnis. Wenn der Jahn dann doch mal einen Umschaltmoment erwischt, dauert es zu lange. Der meist unsichtbare Christian Kühlwetter sichert sich am Mittelkreis die Kugel geschickt, reicht weiter zu Viet, der das Tempo rausnimmt – schließlich verdaddelt Pröger den Ball final (49.).

An den schlampigen Zuspielen krankt das gesamte Regensburger Spiel. Das geht los bei Sebastian Ernst, der schon in der ersten Hälfte mit Fehlpass im Aufbau einen Gegenangriff einleitet, geht weiter über Pröger, der sich in aussichtsreicher Position verrennt oder mit einem Pass auf die unbesetzte andere Seite die Kugel verschenkt – und hört auch bei Ziegeles Kopfballnickerl aus acht Metern (51.) nicht auf.

Schiri Robin Braun erweist sich als Virtuose der Gelben Karten auch bei harmlosen Szenen. Foto: jrh

Hilfestellung für Hamburgs Sturm

Und wenn der HSV nicht proaktiv am 3:0 tüftelt, dann schafft es Regensburg, die Hausherren in Szene zu setzen: Andi Geipl legt im Rückwärtsgang Königsdörfer fast das 3:0 für auf, Gebhardt stellt das kurze Eck gut zu (64.). Als Oscar Schönfelder die Kugel vertändelt, braucht der Jahn Minuten, um dem Strafraumchaos mit einem Befreiungsschlag ein Ende zu setzen (70.).

Als sich Pröger auf seiner rechten Seite doch einmal durchsetzt und scharf nach innen flankt, kommt noch Pech hinzu: Dennis Hadzikadunic klärt eher unfreiwillig am Fünfer, die Kugel rauscht um 5 Millimeter am rechten Pfosten vorbei (71.). Florian Ballas‘ Schuss aus 18 Metern geht einen Meter neben den linken Pfosten (72.). Die Sturm- und Drang-Phase der Regensburger endet mit Schönfelders Querpass im Strafraum, den der angerauschte Nico Ochojski knapp verpasst (73.).

Schaut fast etwas verdutzt aus der Mütze: HSV-Trainer Steffen Baumgart.

Fortsetzung der Pannenserie

Stattdessen setzt der SSV seine Pannenserie fort: Nächster Fehler beim vom HSV bedrängten Spielaufbau aus der eigenen Hälfte, Ernsts No-Look-Pass genau in die Füße des Gegners (83.). Viet will den eingewechselten Noah Ganaus auf der rechten Seite bedienen, sein optimistischer Pass ist für die Katz (87.). Steffen Baumgart hat sich das Regensburger Bemühen lange genug geduldig angeschaut – jetzt sollen die giftigen Hochkaräter von der Bank den Deckel draufmachen.

So einfach geht Tore schießen: Immanuel Pherai schickt den genesenen Jean-Luc Dompé auf die Reise, der ein wenig zaubert, sich Platz verschafft und ohne Gegenwehr ins kurze Eck einnetzt, 3:0 (76.). Fünf Minuten später taucht Davie Selke allein vor Gebhardt auf, der den Fuß rausschnellen lässt – zudem geht die Fahne hoch.

Die Hände zum Himmel: HSV-Stürmer Davie Selke (links) verschafft sich mit im griechisch-römischen Freistil selbst Platz für sein Kopfballtor gegen den SSV Jahn.

Der zerrende Selke köpft

Dann eben mit Köpfchen: Dompé ist jetzt Alleinherrscher auf links, Flanke an den zweiten Pfosten, Selke ringt Breunig zu Boden und nickt dabei zum 4:0 ein (89.) – Schiri Braun, der bei jeder Körperberührung Gelb zückt, zuckt jetzt nur mit den Schultern und zeigt lieber einem meckernden Regensburger eine weitere Karte. Regelwidrig, aber was soll`s?“

Wie gegen Fürth zeigt der Jahn in der Schlussphase Auflösungserscheinungen: Um Zauberer Dompé will sich jetzt gar keiner mehr kümmern. Der zeigt ein weiteres Kabinettsstückchen, zieht von der linken Seite ins Zentrum und hat alle Zeit der Welt, um die Kugel ins rechte Eck zu schlenzen – der Flug des langgestreckten Gebhardt ist vergeblich, 5:0 (93.).

Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Schön war im Hamburger Volksparkstadion für den Jahn nur das Wetter. Foto: jrh
Schön war im Hamburger Volksparkstadion für den Jahn nur das Wetter. Foto: jrh
HSV-Kapitän Sebastian Schonlau ärgert sich umsonst über den vermeintlichen Ausgleichstreffer des SSV Jahn. Foto: jrh
HSV-Kapitän Sebastian Schonlau ärgert sich umsonst über den vermeintlichen Ausgleichstreffer des SSV Jahn. Foto: jrh
HSV-Stürmer Davie Selke (links) verschafft sich mit im griechisch-römischen Freistil selbst Platz für sein Kopfballtor gegen den SSV Jahn.
HSV-Stürmer Davie Selke (links) verschafft sich mit im griechisch-römischen Freistil selbst Platz für sein Kopfballtor gegen den SSV Jahn.
Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Ein schöner Sonntagnachmittag für die Hamburger, ein Tag zum Vergessen für den SSV Jahn. Foto: jrh
Schön war im Hamburger Volksparkstadion für den Jahn nur das Wetter. Foto: jrh
HSV-Kapitän Sebastian Schonlau ärgert sich umsonst über den vermeintlichen Ausgleichstreffer des SSV Jahn. Foto: jrh
HSV-Stürmer Davie Selke (links) verschafft sich mit im griechisch-römischen Freistil selbst Platz für sein Kopfballtor gegen den SSV Jahn.

Schlüsselspiel gegen Mitaufsteiger Preußen Münster

Da wartet diese Woche jede Menge psychologische Aufbauarbeit auf den Trainerstab des SSV Jahn: Am kommenden Sonntag, 13.30 Uhr, muss Regensburg im Schlüsselspiel gegen Mitaufsteiger Preußen Münster beweisen, dass der Jahn zumindest die Kollegen auf Augenhöhe in Schach halten kann.

Bisher profitieren die Oberpfälzer noch von der Sieglosserie von Münster (2 Punkte), Darmstadt (2), Ulm (1) und Braunschweig (1) im Tabellenkeller und behaupten deshalb Platz 14, ohne viel dafür zu können. Kleiner Hoffnungsschimmer: Der gesperrte Mansour Ouro-Tagba, der bei seinen Kurzeinsätzen mehr Wirbel verursachte als der Rest des Jahn-Sturms, kehrt nach seiner Roten Karte zurück.

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