Interview zur Europa-Wahl (2): Thomas Rudners Verkehrskonzept für die Oberpfalz

Regensburg/Weiden. Thomas Rudner (SPD) vertritt die Oberpfalz seit 2023 als Nachrücker des Europa-Abgeordneten Ismail Ertug. Im zweiten Teil des Interviews beschreibt der Regensburger, wie der Umstieg auf die E-Mobilität gelingen und die Schiene gestärkt werden soll.

Beim Besuch in Eslarn (von rechts): Bürgermeister Reiner Gäbl, Jörg Meier, Marktrat Georg Zierer, Simon Grajer, MdEP Thomas Rudner, Ulrike Möstl

Im zweiten Teil des Redaktionsgesprächs mit OberpfalzECHO schildert Thomas Rudner seine Ziele im Verkehrsausschuss, die Herausforderungen für den Umstieg auf die E-Mobilität und die Stärkung der Schiene – und verteidigt das Lieferkettengesetz.

Herr Rudner, Sie haben von Ihrem Vorgänger den Sitz im Verkehrsausschuss übernommen. Wie ist der Einstieg in die neue Aufgabe geglückt?

Thomas Rudner: Ein Kollege hat mich abgeholt, hat mir eine Seite auf den Tisch gelegt: „Das musst du zur Verordnung bezüglich der Ladesäuleninfrastruktur sagen.“ Am Dienstag war Punkt 1 der Tagesordnung meine Vorstellung, Punkt 2, dass ich den Kollegen erklärt habe, wie sie abstimmen sollen. Es war meine erste Ein-Minuten-Rede. Man hat nur eine Minute Zeit, nach 1 Minute 10 fällt der Hammer, dann wird das Mikro abgedreht. Das nennt man dann wohl, ins kalte Wasser geworfen werden. Es hat aber gut geklappt.

Sie befürchten eine „eiskalte“ Verunsicherungskampagne zur E-Mobilität: Ich pendle mit einem Hybrid, zugegeben, mehr ein elektrisches Feigenblatt. Die Ladeinfrastruktur in und um Weiden ist bescheiden. Parken im Parkhaus verboten. Die Stadtwerke sagen: Der Ausbau in den meisten Stadtvierteln würde das Netz überlasten. Mir fehlt die Fantasie, wie das in einer Phase des Spardiktats zu schaffen sein soll?

Rudner: Alle EU-Staaten haben sich verpflichtet, die Ladeinfrastruktur massiv auszubauen – mindestens alle 60 Kilometer entlang der Magistralen wie zum Beispiel an der A6 zwischen Prag und Nürnberg. Die Zuständigkeit liegt bei den einzelnen Staaten, das muss im nächsten Jahr beginnen. Das war eine gemeinsame Entscheidung des Rats und der Kommission. Die Kommission wird ab 2026 darauf schauen, was wie umgesetzt worden ist und ob man gegebenenfalls Druck machen muss.

Ist dafür dann auch genügend Strom verfügbar?

Rudner: Wir müssen parallel die Infrastruktur für Erneuerbare Energien mit Wasserstoff als Speichermedium ausbauen. Wir hatten im Mai ein oder zwei Tage, wo wir bereits 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien bezogen haben. Wenn man das alles konsequent umsetzt, ist das machbar. Wir haben gemeinsam mit allen Staaten das Verbrenner-Aus beschlossen. Nach diesem Beschluss haben die Autokonzerne Milliarden ausgegeben, um die E-Auto-Produktion aufzunehmen.

Plötzlich tritt die CSU vor der Wahl auf den Plan und sagt: „Wenn wir eine Mehrheit finden, nehmen wir das zurück.“ Eine solche Mehrheit gibt es nur mit den Rechtsaußen-Parteien der ID-Fraktion. Thomas Rudner

Man verunsichert damit Beschäftigte wie Kunden und hintertreibt die eigenen Ziele. Man muss auch vor Ort dafür werben. In Regensburg kann man bei den Schnellladesäulen von EnBW auf den Parkplätzen von Tank & Rast, dm, Globus, Penny oder REWE aufladen.

Allerdings sind diese Stromtankstellen oft teurer als Superbenzin …

Rudner: Der Strompreis wird demnächst reguliert werden. Das Problem war, dass man in die E-Mobilität eingestiegen ist, ohne vorher eine Infrastruktur aufzubauen.

Viele befürchten, dass die deutschen Hersteller mit den chinesischen nicht konkurrenzfähig sind. VW hat die Preise für eigene E-Autos in China massiv gesenkt. Die USA haben deshalb einen 100-prozentigen Zoll eingeführt. Wird die EU da nachziehen?

Rudner: Damit würde man der deutschen Automobilindustrie keinen Gefallen tun, wenn im Gegenzug China die Zölle erhöht. Ich denke, dass die Preise der deutschen Hersteller sinken werden. Als die Förderung für den Kauf von E-Autos ausgelaufen ist, konnte man sehen, dass die Hersteller diesen Betrag zuvor als Gewinn verbucht hatten. Sobald der chinesische Marktführer BYD, der auf ein Massenpublikum abzielt, mit nennenswerter Zahl am europäischen Markt ist, werden die Preise auch hier fallen. Eine andere Frage ist, ob man mobile Spionageeinheiten auf unseren Straßen haben möchte.

Seit vergangenem Jahr für die Oberpfalz im Europa-Parlament: Thomas Rudner (SPD) im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Seit Jahren hört man aus Brüssel die Absicht, mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Davon merkt man auf der Straße allerdings wenig – im Gegenteil, der Güterverkehr wächst und wächst …

Rudner: Derzeit werden dreiviertel der Güter auf der Straße transportiert, bis 2050 wollen wir 50 Prozent auf der Schiene haben. Vor allem mit dem kombinierten Verkehr von Schiene und Straße könnte man schnell für Entlastung sorgen. Aber damit haben es die Konservativen nicht so eilig.

Die Giga-Liner hat man noch schnell vor der Wahl durchgepeitscht, aber den kombinierten Verkehr wollte man nicht mehr anpacken. Thomas Rudner

Wir müssen die Frage beantworten, wie schnell die Schienen ertüchtigt werden können, damit man das Hochgeschwindigkeitsnetz aufbauen kann. Eine der wichtigsten Strecken ist München – Verona. Für den Brenner-Basis-Tunnel sind in Österreich und Italien die Trassenverläufe des gesamten Südzulaufs abgeschlossen. Deutschland hinkt wieder hinterher.

Im Europa-Parlament hofft man, dass Elektroflugzeuge die regionale Mobilität verbessern werden. „Mit diesen Flugzeugen können viele neue Direktverbindungen entstehen, von denen vor allem Regionalflughäfen profitieren würden“, haben Sie gesagt. Ein Vorteil für abgelegene und dünn besiedelte Regionen?

Rudner: Elektrisches Fliegen ist sicher kein Super-Wahl-Thema. Aber wenn es gelingt, elektrische Kleinflugzeuge zu etablieren, wäre das für unsere kleinen Regional-Flughäfen wie Straubing ein Vorteil. Vor allem, weil wir sie mit regenerativer Energie unter anderem von Windpower Regensburg tanken können. Ich kann damit neue Verbindungen für Businessflüge schaffen. Auch nachhaltiger Flugsprit wird immer wichtiger. Man kann schon jetzt Anteile von altem Frittieröl beimischen – 2 Prozent ab 2025 bis 70 Prozent in 2050. Da behaupten dann einige, es würde keiner mehr in Europa landen, sondern Istanbul anfliegen. Wie groß, glauben die, ist der Flughafen dort? Das werden sie nicht.

Haben Sie sich die Umsetzung des Lieferkettengesetzes mal im Detail bei Unternehmen vor Ort angeschaut? Der Eindruck ist: Was auf dem Papier in Bangladesch und Indien bestätigt wird, muss ja noch lange nicht stimmen. Ist es nicht schwer genug, Regeln in Deutschland zu kontrollieren?

Rudner: Richtig ist, dass solche Gesetze nur etwas bringen, wenn sie auch kontrolliert werden. Der Aufschrei aus manchen Richtungen zeigt mir, dass die Industrie das sehr ernst nimmt. Und es betrifft auch nur Unternehmen ab 1000 Mitarbeiter und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz europaweit, die das auch leisten können. Im Übrigen hat es für die Unternehmen auch den Vorteil, dass sie weniger Konkurrenz von außereuropäischen Firmen bekommen, die sich nicht an die Regeln halten.

Wenn ich mir in Regensburg anschaue, dass nach einer öffentlichen Ausschreibung Granitsteine aus China verbaut werden, frage ich mich: Wie kann das wirtschaftlicher sein als Steine aus Flossenbürg? Die Antwort ist einfach: Weil die von Strafgefangenen in Zwangsarbeit hergestellt wurden. Thomas Rudner

Das habe ich von einem ehemaligen Gewerkschafter. Das verletzt Menschenrechte und schadet unseren regionalen Unternehmen.

Im Huckepack nach Europa: Thomas Rudner (links), Nachfolger von Ismail Ertug, will den Oberpfälzer Sitz im Straßburger Europa-Parlament verteidigen. Simon Grajer unterstützt den 62-Jährigen als Huckepack-Kandidat. Fotomontage: SPD

Wahl-Programm: Thomas Rudner im Speed-„A bis Z

Asylverfahren an den Außengrenzen: „Ich habe mich enthalten, weil ich finde, dass man nirgends Kinder einsperren darf.“

CO₂-neutrales Europa bis 2050 ohne Atomkraft: „Unbedingt. Bayern will das schon 2040 erreicht haben. Dafür muss man aber noch mehr tun.“

Digitale Souveränität soll durch den Schutz kritischer Daten und KI-Modelle nach europäischen Werten: „Absolut notwendig. Damit kann man die eigene Souveränität verteidigen.“

Europa-Ticket für den öffentlichen Verkehr statt Flugreisen auf Kurzstrecken: „Eine Forderung aus dem SPD-Programm. Es funktioniert ähnlich wie das Deutschland Ticket zum dreifachen Preis. Wir müssen allerdings vorher ein europaweites Ticketsystem durchbringen. Und das ist komplex.“

Fahrgastrechte ohne Grenzen: „Das ist notwendig, kann politisch entschieden werden, wird noch etwas dauern, bis es durch ist, aber es kommt.“

Fairer Handel, auch wenn BRICS-Staaten nicht mitmachen: „Ist erreichbar durch bi- und multilaterale Abkommen, wenn die Interessen beider Seiten berücksichtigt werden.“

Faire Löhne und Renten und europaweit, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit: „Wir müssen den Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des Median-Einkommens überall kontrollieren. Das bedeutet bis Ende des Jahres 14 Euro in Deutschland, Scholz sagt ab 2025 15 Euro. Das muss kontrolliert werden, damit Speditionen nicht georgische Fahrer zum polnischen Lohn in Deutschland fahren lassen.“

Kreislauf-Wirtschaft mit weniger Einwegverpackungen und mehr Recycling: „Die Verpackungsverordnung ist durch, diese kleinen Shampoo-Tüten und Milch-Kapseln in den Hotels werden bis 2030 verschwinden.“

Recht auf Reparatur: „Die Hersteller müssen Ersatzteile vorhalten. René Repasi, ein Jura-Professor aus Rotterdam, hat das beeindruckend vorgestellt, die Journalisten waren begeistert von der Show.“

Spitzenkandidaten, die jeder kennt: „Das wäre wichtig für die Akzeptanz der EU-Politik. Unseren Kandidaten kann man wählen.“

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