Für die Oberpfalz im Europa-Parlament: Survival-Führer im Förder-Dschungel

Regensburg. Die EU-Förderregularien seien schon „crazy“, sagt Thomas Rudner (SPD), der vergangenes Jahr als Nachrücker für Ismail Ertug ins Europa-Parlament einzog. Der mit allen Wassern des EU-Förderdschungels gewaschene Regensburger will künftig auch im Kulturausschuss bayerisch-böhmische Projekte unterstützen.

Der tschechische Bildungsminister Vladimír Balaš verlieh Thomas Rudner (Mitte), ehemaliger Geschäftsführer der Stiftung Jugendaustausch Bayern und Leiter des Koordinierungszentrums Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem, am 25. August 2022 in Prag die Medaille 1. Grades des Ministeriums für Schulwesen, Jugend und Sport. Foto: Stiftung Jugendaustausch Bayern

Eines kann man dem Nachrücker im Europa-Parlament nicht vorwerfen: Dass Thomas Rudner vom Hörsaal in den Plenarsaal gewechselt wäre. Das Abitur, das er 1980 am Albrecht-Altdorfer-Gymnasium abgelegt hat, und sein Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Anglistik an der Universität Regensburg und der Philipps-Universität Marburg sind schon ein paar Jährchen her.

Der 62-Jährige hat bereits ein bewegtes Berufsleben hinter sich. Das zentrale Betätigungsfeld des Gewerkschafters: Startchancen junger Menschen zu verbessern. Ob als Bildungsreferent beim Landesjugendring Baden-Württemberg in Stuttgart, als Landesjugendsekretär der DGB-Jugend, als ehrenamtlicher Vizepräsident des Bayerischen Jugendrings oder als Geschäftsführer der Stiftung Jugendaustausch Bayern.

Seine längste und vielleicht wichtigste Station passt zur bayerisch-böhmischen Grenzregion wie die Faust aufs Auge: Thomas Rudner war von 2006 bis 2021 Leiter des Koordinierungszentrums Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch Tandem in Regensburg. Für sein Engagement zeichnete ihn der tschechische Bildungsminister Vladimír Balaš vor knapp zwei Jahren in Prag mit der Medaille 1. Grades des Ministeriums für Schulwesen, Jugend und Sport aus.

Ein Pragmatiker stutzt die Bürokratie

„Tandem war für mich eine super Station“, sagt der Abgeordnete im Redaktionsgespräch. „Ich wechselte aus dem Ehrenamt ins Hauptamt– und habe festgestellt, dass man dort noch einiges bewegen kann.“ Mit anderen Worten: „Da war noch Luft nach oben, was die Zusammenarbeit im Vorschulbereich, bei den Berufsschulen und Erasmus plus angeht.“ Vorsichtig formuliert, ist dem Pragmatiker die Herangehensweise mancher Akteure etwas zu bürokratisch.

„Das schwierigste war, das Bundesministerium für Frauen, Familie und Jugend nicht zu verärgern.“ Um an Mittel für seine Jugend-Projekte zu kommen, geht er auch ungewöhnliche Wege – baut internationale Netzwerke auch, fordert mithilfe der Schwandorfer Bundestagsabgeordneten Marianne Schieder die Unterstützung der SPD-Fraktion ein. „Man lernt sehr viel dabei, wie Politik funktioniert.“

Seit vergangenem Jahr für die Oberpfalz im Europa-Parlament: Thomas Rudner (SPD) im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Nachhaltige Förderung wie für das CeBB

Das gemeinsame Ziel mit Tandem, das Rudner zusammen mit den Euregios, der Stiftung Jugendaustausch, der Staatskanzlei und Landräten wie Franz Löffler vorantreibt: „Entlang der bayerisch-tschechischen Grenze soll es für jedes Kind möglich sein, Tschechisch zu lernen.“ Entscheidend für den Erfolg solcher Projekte, sei deren langfristige Finanzierung.

„Man muss endlich verstehen, dass ein Programm nur nachhaltig wirkt, wenn es wiederholt wird – eine solche institutionelle Förderung hat das CeBB in Schönsee hinbekommen, was ohne das leidenschaftliche Engagement von Alt-Bürgermeister Hans Eibauer nicht geklappt hätte.“ Auf tschechischer Seite sei dieser Ansatz noch nicht durchgedrungen. „Wir haben es selten geschafft, dass aus EU-Mitteln zweimal die gleiche Schule gefördert wurde“, sagt Rudner, der dennoch nie um eine Lösung verlegen ist. „Wir haben dann den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds eingeschaltet.“

Im Huckepack nach Europa: Thomas Rudner (links), Nachfolger von Ismail Ertug, will den Oberpfälzer Sitz im Straßburger Europa-Parlament verteidigen. Simon Grajer unterstützt den 62-Jährigen als Huckepack-Kandidat. Fotomontage: SPD

Chancen auf Sitz im Kulturausschuss

Um die bayerische-tschechische Zusammenarbeit auch im Europa-Parlament nicht aus dem Fokus zu verlieren, will Rudner in der nächsten Legislaturperiode „zusätzlich in den Kulturausschuss, wo Erasmus verhandelt wird“. Die zuständige Fraktions-Kollegin mache nicht weiter, und der Ausschuss gelte als nicht so prestigeträchtig wie Industrie, Landwirtschaft oder Internationaler Handel. „Das erhöht die Chancen.“ Allerdings will er seine Erfahrungen im Verkehrsausschuss nicht aufgeben: „Ich bin dort inzwischen Dienstältester meiner Fraktion.“

Ein Oberpfälzer, der mit allen Wassern des EU-Förderdschungels gewaschen ist, im Kulturausschuss des Europa-Parlaments, das kann der Oberpfalz nur nutzen. „Ich habe bundesweit ein gutes Netzwerk, was die Jugendarbeit angeht.“ Er finde es schade, dass das bisher nur wenige nutzten. Philipp Seitz, Präsident des Bayerischen Jugendrings (BJR), sei so ein findiger Kollege, der wie er strategisch denke.

Beim Besuch in Eslarn (von rechts): Bürgermeister Reiner Gäbl, Jörg Meier, Marktrat Georg Zierer, Simon Grajer, MdEP Thomas Rudner, Ulrike Möstl

EU-Förderdschungel für kleine Vereine undurchdringbar

Und das sei bei den EU-Förderregularien auch dringend erforderlich: „Die sind schon manchmal crazy“, sagt Rudner. Wobei man mit der Handhabung vor Ort in Bayern da noch gut dran sei: „Im Vergleich dazu ist Sachsen eine Katastrophe“, erinnert er sich mit Grausen an manch durchgeboxtes Projekt.

„Für jede kleine Vergabe will man eine europäische Ausschreibung, weil das gegen die De-minimis-Regel verstoßen würde – und dann noch die völlig willkürliche Belegprüfung mit 24 Spalten Belegtabellen und der Forderung, die Belege im Original abzugeben.“

Seit vergangenem Jahr für die Oberpfalz im Europa-Parlament: Thomas Rudner (SPD) im Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Zur Person: Thomas Rudner

Der gebürtige Schwäbisch Gmünder, Jahrgang 1961, legte 1980 das Abitur am Albrecht-Altdorfer-Gymnasium in Regensburg ab. Er studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Anglistik an der Universität Regensburg und der Philipps-Universität Marburg.

  • 1991 bis 1992: Organisationsreferent der Anti-Apartheid-Bewegung in deren Bundesgeschäftsstelle in Bonn.
  • 1992 bis 1995: Bildungsreferent beim Landesjugendring Baden-Württemberg in Stuttgart.
  • 1996 bis 2006: Deutscher Gewerkschaftsbund in Bayern.
  • 2000 bis 2006: Landesjugendsekretär der DGB-Jugend.
  • 2002 bis 2006: Zusätzlich ehrenamtlicher Vizepräsident des Bayerischen Jugendrings.
  • 2006 bis 2021: Leiter des Koordinierungszentrums Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch Tandem in Regensburg.
  • Seit 2021 ist er Geschäftsführer der Stiftung Jugendaustausch Bayern.

Der Vater dreier Söhne kandidierte bei der Europawahl 2019 als Ersatzkandidat von Ismail Ertug. Nachdem dieser sein Mandat niedergelegt hatte, rückte er am 3. Juli 2023 in das Europaparlament nach. Dort ist er Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Tourismus und Mitglied der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China. Bei der Europawahl 2024 kandidiert Rudner auf Platz 16 der Europawahlliste der SPD.

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