Oberpfälzer Reaktionen zum Ampel-Aus: Von schockiert bis euphorisiert

Amberg/Weiden. Der Bruch der Ampel-Koalition zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt hat auch für die Region Folgen. Die Reaktionen der Parteien: erwartbare Rechtfertigungen, Schuldzuweisungen, Wahlkampfmodus. Dabei wäre gerade jetzt Demut, Selbstreflexion und Staatsräson bitter nötig.

Fritz Möstl (Mitte), langjähriger SPD-Landtagsabgeordneter aus Eslarn., zum vorzeitigen Ampel-Bruch zwischen Kanzler Olaf Scholz (rechts) und Christian Lindner. Collage/Fotos: Jürgen Herda/Möstl/dpa

Die Regierungskrise in Berlin hat viele Väter – nicht nur Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck. Die internationale Gemengelage ist kompliziert wie lange nicht und hatte und hat natürlich massive Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft – die selbst auch einen Teil dazu beigetragen hat, etwa mit falschen Entscheidungen in den Chefetagen der Autoindustrie.

Doch was sind in Zeiten von Echo-Kammern und Fake-News schon richtige Entscheidungen? Wie die Wahl in den USA zeigt: Verbreitet man dreiste Lügen lange genug auf den richtigen Plattformen wie Elon Musks X, dann spielen reale Fakten und ernstgemeinte Lösungsvorschläge nur noch eine untergeordnete Rolle.

Eindruck allgemeinen Politikversagens

Zusammen ergibt das eine ungesunde Mischung aus permanentem Krisenmodus, angefeuert durch die Algorithmen der Sozialen Medien, Panikmache, aber auch real existierende Defizite in allen Politikfeldern von Gesundheit über Verteidigung bis Wohnungsbau. Und egal, was man von der Ampel-Regierung halten mag: Sie hat es nicht geschafft, einen gemeinsamen Nenner zu finden und die eigene Strategie zu vermitteln.

Dadurch entstand – je nach Perspektive zu Recht oder Unrecht – der Eindruck eines allgemeinen Politikversagens, der zunehmend zur Bedrohung des gesamten demokratischen Regierungssystems wird. Und das zur Unzeit, da ein skrupelloser Egomane ohne jeden moralischen Kompass in den USA das Ruder übernimmt und sämtliche westliche Bündnisse und Kooperationen infrage stellt.

Höchste Zeit zu liefern

Ein nach wie vor uneiniges und weitgehend handlungsunfähiges Europa ohne den nuklearen Schutzschirm der USA ist dem Hegemonialstreben Putins auf absehbare Zeit nicht gewachsen. Und ein Handelskrieg mit Trumps USA, der fest entschlossen ist, die eigene Wirtschaft protektionistisch zu schützen, koste es, was es wolle, kommt vor allem Deutschland teuer zu stehen.

Mit anderen Worten: Wann, wenn nicht jetzt, wollen sich Politiker aller Couleur auf den Kernauftrag konzentrieren: Zum Wohle des GANZEN deutschen Volkes, über Parteiinteressen hinweg, Lösungsansätze für diese kernigen Herausforderungen zu finden? Voreilige Koalitionsabsagen an andere demokratische Parteien helfen dabei nicht. Es ist nicht die Zeit, weiter zu spalten. Es ist höchste Zeit, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen und zu liefern.

Fritz Möstl: „Richtige Entscheidung“

Wer nichts mehr werden will, muss sich auch nichts schönreden. Deshalb ist Fritz Möstl, langjähriger SPD-Landtagsabgeordneter, unser erster Ansprechpartner. Der „Elder Statesman“ aus Eslarn kommentiert das Ampel-Aus gegenüber dem Echo so: „Für mich hat Olaf Scholz zum richtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung getroffen.“ Auch den Vorschlag, Neuwahlen im März anzusetzen, halte er für richtig.

„Wenn die Union vaterlandstreu ist, dann müsste sie dafür sorgen, dass man – bei allen berechtigten Debatten und Kompromissen – jetzt einen vernünftigen Haushalt hinbringt.“ Schließlich müsse man kein Wahrsager sein, um zu prophezeien, wie die Wahl in etwa ausgeht, und welche Regierungskonstellationen übrigblieben: „Die demokratischen Parteien müssen in dieser Situation sachlich zusammenarbeiten.“

Revival der GroKo am Horizont

„Mit einer Großen Koalition kann ich leben“, macht Möstl deutlich, wohin die Reise aller Wahrscheinlichkeit nach geht. „Aber so ein Bündnis muss mit Inhalten gefüllt werden“, fügt er hinzu, „und da muss jeder im Wahlkampf genau hinschauen, welche Vorschläge die Parteien auf den Tisch legen.“ Was dem Sozialdemokraten besonders wichtig ist: „In dieser Zeit, muss der Staat Geld in die Hand nehmen, um die Probleme zu lösen.“ Die Schuldenbremse sei dabei der größte Bremsklotz.

Weshalb Möstl FDP-Chef Christian Lindner die größte Verantwortung am Scheitern der Regierung aufbürdet: „Wer Lindners Buch ,Schattenjahre‘ gelesen hat, der weiß nicht nur, dass er sein eigenes Unternehmen an die Wand gefahren hat, sondern mit seinen Rezepten aus der neoliberalen Mottenkiste für die Aufgabe als Finanzminister völlig ungeeignet war.“ Die Kompromissvorschläge des Kanzlers hätten der Wirtschaft dagegen geholfen, ist er überzeugt.

Sicherheit nur ohne Schuldenbremse

Als Reaktion auf den kommenden, unberechenbaren US-Präsidenten Trump „müssen die Europäer versuchen, selber so stark aufzutreten, wie sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz auch sind – und ständige Störenfriede wie Orban isolieren.“ Trump sei nun mal gewählter Präsident: „Man muss versuchen, mit ihm zurechtzukommen – ob er alles tut, was er sagt, wird man sehen.“ Auch in puncto Außenpolitik der Appell an die Union: „Wenn Europa sich selber schützen will, muss die Union Vaterlandstreue beweisen.“

Heißt konkret? Allein die Beschlüsse zur Stärkung der NATO, die derzeit auf dem Tisch liegen, würden Deutschland eine massive Erhöhung der Verteidigungsaufgaben abverlangen. Dabei ist ein mögliches Ausscheren der USA und der Ausstieg aus der Militärhilfe für die Ukraine noch gar nicht eingepreist. „Mit der Schuldenbremse ist das nicht zu schultern“, sagt Möstl, „das weiß auch Friedrich Merz.“   Andererseits: „Trump ist immer für Überraschungen gut“, behält sich der Eslarner einen Rest an Zweckoptimismus. „Er muss sich in seinem Land auch erst einmal gegen sämtliche demokratische Institutionen behaupten.“ Der Schritt aus der Nato, denkt Möstl, wird so einfach nicht.

Oberpfälzer Stimmen zum Ampel-Aus: (von links oben) Caroline Wagner (SPD). Regensburg, Albert Rupprecht (CSU, Weiden), Stefan Schmidt (Grüne, Regensburg), Hans Martin Grötsch (Freie Wähler, Amberg-Sulzbach), Susanne Hierl (CSU, Amberg-Neumarkt), Nils Gründer (FDP, Neumarkt), David Mandrella (SPD, Amberg-Neumarkt) und außer Konkurrenz Christian Lindner (FDP-Chef). Collage: Jürgen Herda

Das meinen Oberpfälzer Mandatsträger: Schwarz, Rot, Grün, Gelb und Orange

Albert Rupprecht, Weidener CSU-Bundestagsabgeordneter: „Jetzt ist es wichtig, auch und gerade mit Blick auf die vielen neuen und alten Herausforderungen um uns herum, so schnell wie möglich unsere Handlungsfähigkeit wieder herzustellen. Die Ukraine-Krise und die neuen Machtverhältnisse in den USA zeigen, dass Deutschland jetzt streitfähig sein muss, auch für Europa. Daher muss die Vertrauensfrage so schnell wie möglich gestellt werden: für Klarheit und Deutschland als verlässlichen Partner.

Persönlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass es zu vorgezogenen Neuwahlen kommt. Ich bin davon ausgegangen, dass Olaf Scholz – ähnlich wie Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Agenda 2010 – die Verantwortung für alle kommenden Entscheidungen übernehmen würde. Damit hätte es sowohl für seine Partei als auch seine Koalitionspartner der Regierung sicher noch eine Chance bis zum regulären Wahltermin gegeben. Diese Verantwortung hat er nicht aufgebracht. Stattdessen „ein weiter so wie bisher“ inklusive Neuverschuldung, das war hochgefährlich.

In seiner Presseerklärung hat er einige elementar wichtige Themen wie die Flüchtlingsproblematik oder das Wahlergebnis in den USA mit den Auswirkungen für Deutschland nicht angesprochen. Auch das ein ganz klares Indiz dafür, wie es unter einer SPD-geführten Regierung weitergehen soll. Nämlich, keine Änderung und weiter wie bisher.

Der gesamte Ablauf des gestrigen Abends hinterlässt den Eindruck, dass selbst Christian Lindner von der Dynamik überrascht wurde und alles von der SPD-Führung über Tage vorbereitet wurde.“

Stefan Schmidt, Grünen-Bundestagsabgeordneter aus Regensburg: „Um Klimaziele zu erreichen, unsere Sicherheit zu stärken und die Wirtschaft von der Abhängigkeit von Öl und Gas zu befreien, war dieses Tempo in der Sache richtig und angemessen. Wir haben es aber versäumt, einen Teil der Menschen auf diesem Weg auch emotional mitzunehmen. Das werden wir künftig besser machen.

Dennoch hat die Ampel in drei Jahren mehr für unser Land bewegt als die Union in den 16 Jahren zuvor. Ich bin überzeugt, dass diese Regierung wichtige und richtige Weichen für die Zukunft unseres Landes gestellt hat. Man arbeitet leider auch bei der CSU bewusst mit Lügen wie etwa dem angeblichen Haustierverbot. Dieser Trumpismus und die unsachliche Polemik setzen sich auch im Wahlkreis Regensburg beim hiesigen CSU-Bundestagsabgeordneten fort.“

Carolin Wagner, Vorsitzende der SPD-Landesgruppe Bayern im Deutschen Bundestag: „Wer Verantwortung für unsere Demokratie trägt, verpflichtet sich zum Kompromiss! Das war mit Christian Lindner nicht mehr zu machen. Dass er mit seiner Taktiererei nicht zum Wohl Deutschlands, ja nicht einmal zum Wohl seiner eigenen Partei handelt, ist klar und zeigt auch der Entschluss von Verkehrsminister Volker Wissing, aus der FDP auszutreten und weiter in der Regierung mitzuarbeiten.

Gerade nach der Wahlentscheidung in den USA, die der Welt große Unberechenbarkeit und Instabilität bringt, brauchen wir ein verlässliches Deutschland in einem starken Europa. Die Ampel-Koalition war von Anfang an ein ambitioniertes Projekt mit Partnern, die politisch völlig unterschiedlich sind. Umso wichtiger waren Vertrauen und professionelles Handeln auf Sachebene. Das hat die FDP nicht gezeigt. Ich habe volles Verständnis, dass Kanzler Olaf Scholz den Zeitpunkt für die Vertrauensfrage in den Januar legt. Wir können uns jetzt keinen Stillstand leisten.

Wir wollen die Rente stabilisieren und die kalte Progression ausgleichen, damit den Menschen mehr Geld in der Tasche bleibt. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Pflegekasse nicht insolvent geht. Dazu schnelle Investitionen in die Wirtschaft und Hilfe für die Ukraine. Das muss schnell entschieden werden und deswegen nutzen wir die Zeit bis Weihnachten noch dafür.

Ich erwarte jetzt von der CDU/CSU, sich ihrer Staatsverantwortung zu stellen und drängende Beschlüsse nicht zu blockieren. Die Menschen in diesem Land haben das nicht verdient und sie haben kein Verständnis für weitere Bremsklötze.“

Nils Gründer, FDP-Bundestagsabgeordneter aus Neumarkt: „Mit dem Papier von Christian Lindner lagen zahlreiche Vorschläge für eine echte Wirtschaftswende auf dem Tisch. Als FDP stehen wir hinter der Forderung nach einem sofortigen Stopp neuer Regulierungen, sind für eine Überarbeitung des Bürgergelds und gegen nationale Alleingänge beim Klimaschutz.

Der Vorschlag des Finanzministers wird auch von Stimmen aus der Wirtschaft durch die Bank gelobt. Von Olaf Scholz kamen weder inhaltliche Gegenargumente noch eigene Vorschläge für eine Richtungsentscheidung. Monatelang hat Olaf Scholz die wirtschaftlichen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger verharmlost. Gleichzeitig zeigt sein ständiges Infragestellen der Schuldenbremse, dass er kein Interesse am Wohl künftiger Generationen hat. Damit sabotiert die SPD unseren Wohlstand.

Es ist offensichtlich, dass das Statement von Scholz von langer Hand geplant war. Die Entlassung von Christian Lindner bestätigt die Ideenlosigkeit des Kanzlers. Unseren Vorschlägen für wirtschaftlichen Aufschwung hatte Scholz nichts entgegenzusetzen. Dieses Laientheater nimmt ihm die Bevölkerung nicht ab. Jetzt steht unser Land vor einer neuen Richtungsentscheidung. Als FDP sind wir nach wie vor bereit, Verantwortung für Wohlstand und Arbeitsplätze zu übernehmen.“

Susanne Hierl, CSU-Bundestagsabgeordnete aus Neumarkt: „Die Bilanz nach drei Jahren Ampel-Koalition ist verehrend: eine historische Wirtschaftskrise, die Verdopplung der AfD, die Stärkung auch der linken Ränder und eine höchst verunsicherte Bevölkerung, die das Vertrauen in Politik und Staat verloren hat.

Das Ende der Ampel-Regierung hat sich bereits seit Monaten abgezeichnet. Spätestens nach der Vorlage des Papiers durch Christian Lindner war klar, dass es so nicht weitergehen kann. Jetzt sind schnelle Neuwahlen nötig, um als Land handlungsfähig bleiben zu können. Insbesondere im Hinblick auf die Wahl von Donald Trump müssen wir Verantwortung für unser Land übernehmen und uns für Stabilität einsetzen.

Die Herausforderungen unserer Zeit sind vielfältig. Als CSU sind wir bereit Verantwortung zu übernehmen. Eine Hängepartie aus parteitaktischen Gründen können wir uns in der aktuellen (wirtschaftlichen) Lage nicht leisten. Eine Verzögerung der Vertrauensfrage bis in den Januar ist aus meiner Sicht unverantwortlich. Deutschland hat Besseres verdient und kann es besser als wir es aktuell erleben. Eine Regierung ohne eigene Mehrheit ist keine Option für Deutschland.“

David Mandrella, SPD-Bundestagskandidat für Amberg-Neumarkt: „Das Aus der Ampel-Koalition und die Rolle, die die FDP dabei spielte, empfinde ich als verantwortungslos. Christian Lindner und die FDP haben diesen Bruch über Monate hinweg vorbereitet, anstatt in einer schwierigen Zeit an einem politischen Kurs festzuhalten, der Stabilität bringt. Gerade jetzt, mit wirtschaftlichen Herausforderungen und einer weltpolitisch angespannten Lage, braucht unser Land eine Regierung, die ihrer Verantwortung gerecht wird.

Die SPD geht mit klarer Haltung in den Wahlkampf – es geht uns darum, Menschen eine Stimme zu geben, die oft übersehen werden: jene, die jeden Tag aufstehen, hart arbeiten und dieses Land am Laufen halten. Sie möchten wir in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Deshalb appelliere ich an die CDU/CSU, jetzt staatsmännische Verantwortung zu zeigen und nicht auf billige Wahlkampfmanöver zu setzen. Unser politischer Auftrag ist es, das Leben der Menschen zu verbessern – das muss im Mittelpunkt stehen.

Mit meiner Kandidatur im Wahlkreis Amberg-Sulzbach-Neumarkt möchte ich den Bürgerinnen und Bürgern ein Angebot machen: Ich möchte Verantwortung übernehmen und ihre Anliegen mit Entschlossenheit vertreten. Dafür trete ich an.“

Hans Martin Grötsch, FW-Bundestagskandidat im Landkreis Amberg-Sulzbach: „Deutschland steht vor einem politischen und gesellschaftlichen Scherbenhaufen. Fehlentscheidungen der Ampel- und der unionsgeführten Bundesregierungen haben Deutschland gesellschaftlich und wirtschaftlich nachhaltig destabilisiert. Wir brauchen endlich wieder eine Bundesregierung, die den Fokus auf das Wohl unserer Bevölkerung legt.

Wir Freien Wähler kommen aus der Bevölkerung und arbeiten für die Bevölkerung. Wir sind keine ideologisierten Berufspolitiker, sondern wollen im Interesse der Sache anpacken. Deshalb braucht Berlin eine starke FW-Fraktion, um, wie in München, als Korrektiv zu wirken!

Es ist nötig die Vertrauensfrage zeitnah zu stellen, um den Weg für Neuwahlen freizumachen, und ich appelliere an alle Bundestagsparteien: Legt eure ideologischen Parteibrillen ab, um für die Bürger der Bundesrepublik Deutschland bis zur Neuwahl Kompromisse zu finden, denn die Bevölkerung hat diesen jahrelangen Hick-Hack nicht verdient.“

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