Aktienblase, Korrektur und Crash – eine Einordnung der aktuellen Marktgeschehnisse

Nordoberpfalz. Weltweite Technologiewerte mussten in den letzten Wochen einen starken Dämpfer hinnehmen. In den Medien wurde das tatsächliche Potenzial der Künstlichen Intelligenz hinterfragt, nachdem genau dieselbe Künstliche Intelligenz zuvor monatelang in den Himmel gelobt worden und Treiber dieser Tech-Hausse gewesen war. Viele Anleger fragen sich nun, ob es sich bei dem starken Anstieg um eine Blase handelt, die nun am Platzen ist, und wir in eine Rezession zu rutschen drohen.

Zerfallende Wirtschaftspyramide. Quelle: DALL-E

Dr. Matthias Bernhardt arbeitet als Fondsmanager, Vermögensverwalter und Dozent für Finanzmathematik und Finanzmärkte. In seinen Tätigkeiten beschäftigt er sich täglich mit Themen rund um Finanzmärkte, Investmentstrategien und Kapitalmarktforschung. Auch bei OberpfalzECHO bezieht er ab sofort Stellung zu wirtschaftlich relevanten Fragen.

Um uns dieser Frage zu nähern, müssen wir zunächst den Begriff der Aktienblase genauer betrachten und eine Blase von einer Korrektur und einem Crash abgrenzen.

Was ist eine Aktienblase?

Eine Blase am Aktienmarkt entsteht, wenn sich die Aktienpreise stark von ihrem tatsächlichen Wert abkoppeln. Wenn sich eine Blase bildet, steigen die Preise rapide an, ohne dass sich die zugrunde liegenden Unternehmenswerte entsprechend erhöhen. Mit anderen Worten: Die Unternehmen kosten weit mehr, als sie tatsächlich wert sind.

Dies geschieht aufgrund von übertriebener Spekulation oder einer allgemeinen Euphorie der Anleger. Daher geht einer Aktienblase in den meisten Fällen ein Hype voraus, bei dem gerade Privatanleger ohne groß nachzudenken Unternehmensanteile kaufen. Mit der Bildung einer Blase geht oftmals eine Überschuldung der Haushalte oder Unternehmen einher.

Eines der wohl bekanntesten Beispiele ist die Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende. In dieser Zeit investierten Anleger massenhaft in Internetunternehmen, ohne eine Ahnung davon zu haben, was diese Unternehmen überhaupt machen. Sie investierten hauptsächlich deshalb, weil es alle anderen auch taten. Dass sie größtenteils in wertlose Schrottpapiere investierten, war den wenigsten bewusst.

Was passiert, wenn eine Blase platzt?

Es kann Monate und sogar Jahre dauern, bis eine Aktienblase platzt, sie mündet aber immer in einem Marktcrash. Dabei kommt es zu plötzlichen und panikhaften Verkäufen, was einen massiven Preisverfall zur Folge hat. Wann eine Blase platzt, steht in den Sternen. Je weiter sich die Preise von den tatsächlichen Werten entfernen, desto größer ist jedoch die Wahrscheinlichkeit für das Platzen und des dazugehörigen Preisverfalls. Damit einhergehend nimmt auch die Marktvolatilität, was als Unsicherheitsbarometer interpretiert werden kann, stark zu. Das Tückische dabei ist, dass diese Unsicherheit und der rapide Preisverfall oft auf andere Märkte überschwappen, die eigentlich „gesund“ sind. Historisch lässt sich beobachten, dass platzende Blasen ein Auslöser von Rezessionen sein können, wie beispielsweise die große Rezession nach der erwähnten Dotcom-Blase.

Ein Marktcrash muss aber nicht immer bedeuten, dass eine vorausgegangene Blase geplatzt ist. Jüngst konnte man beispielsweise einen Crash auf dem japanischen Aktienmarkt beobachten, als am 5. August der japanische NIKKEI um 12 % an einem Tag gefallen ist. Das entsprach dem größten Tagesverlust seit dem schwarzen Montag 1987. Ironischerweise war der 5. August ebenfalls ein Montag. Zwar hatte sich dieser massive Einbruch von Japan in abgeschwächter Form über Europa bis nach Amerika gezogen, allerdings konnten sich die internationalen Börsen an den Folgetagen wieder erholen. Auslöser für diesen neuen schwarzen Montag war vermutlich die japanische Notenbank, die mit einer Zinserhöhung Investoren überrascht hat, die globale Zinsunterschiede ausnutzten. Mit dem Anheben des japanischen Leitzinses wurden diese Zinsstrategien nicht mehr profitabel und die Händler mussten schlagartig ihre Positionen schließen.

Was ist eine Korrektur?

Von einer Blase oder einem Crash muss man eine Korrektur abgrenzen. Eine Korrektur ist ein natürlicher Teil des Aktienmarktes und bezeichnet einen Rückgang der Aktienkurse um etwa 10 bis 20 Prozent nach einem längeren Anstieg. Im Gegensatz zu einer Blase ist eine Korrektur oft kurzlebig und dient dazu, überkaufte Märkte zu stabilisieren. Korrekturen treten regelmäßig auf und sind oft ein Zeichen gesunder Marktaktivität. Befindet sich der Markt in einer Korrektur, zieht sich dieser Prozess meist über mehrere Wochen oder wenige Monate hin. Auslöser von Korrekturen sind oftmals negative Nachrichten oder wirtschaftliche Unsicherheiten.

Und was liegt heute vor?

Aktuell befinden wir uns in der Erholung nach einer Korrekturphase, deren Auslöser ein Mix an globalen Unsicherheiten war. Ein Auslöser war, dass die Marktteilnehmer begannen, die Künstliche Intelligenz zu hinterfragen. Man konnte in der Mainstream-Presse relativ schnell Vergleiche zur Dotcom-Blase lesen. Allerdings sind wir aktuell nicht in der Situation wie um die Jahrtausendwende, bei der der Großteil der Unternehmen gar keinen Wert besaß. Vielmehr sind die heutigen IT-Unternehmen mit guten Geschäftsmodellen größtenteils profitabel. Deswegen ist eine zweite Dotcom-Blase als eher unwahrscheinlich einzustufen.

Ein weiterer Auslöser war die Skepsis der Marktteilnehmer, ob die US-Notenbank Fed die Zinswende nicht zu spät einleite und so eine Rezession in den USA riskiere, die sicherlich Auswirkungen auf den Rest der Welt hätte. Wenn man sich die Situation in den USA allerdings etwas genauer anschaut, dann erkennt man zwar eine Erhöhung der Arbeitslosenquote und eine Abschwächung der Wirtschaft, die aber sind nicht wirklich auf eine konjunkturell bedingte Schwäche des Arbeitsmarktes oder strukturelle Ungleichgewichte zurückzuführen, die eine Rezession volkswirtschaftlich hieb- und stichfest begründen ließen.

Nicht außer Acht lassen darf man dennoch die internationalen geopolitischen Konfliktherde, allen voran die Lage im Nahen Osten und die Entwicklung der Rohölpreise. Man weiß immer erst hinterher, ob man sich in einer Korrektur befunden hat oder es doch der Startschuss eines langfristigen Abwärtstrends gewesen ist. Die Möglichkeit, in eine Rezession zu rutschen, ist auf jeden Fall kein auszuschließendes Szenario. Allerdings müssten wir dafür erst einen anhaltenden und drastischeren Kurssturz als bisher beobachten.

Ein Ratschlag aus der Praxis

Eine Korrektur, ein Crash oder eine Rezession fühlen sich immer schwierig an, auch für mich im professionellen Anlagegeschäft. Allerdings verfolge ich klar definierte Strategien, die sich auch in solchen Phasen nicht ändern. Anstatt panisch und im Affekt das ganze Portfolio umzukrempeln, ist man gut beraten, anstatt einer Börsenzeitung ein gutes Buch zu lesen.

Als Investor sollte einem das Risiko bewusst sein, dass es an der Börse auch einmal abwärtsgehen kann. Aktienmärkte sind einfach von Natur aus volatil und sowohl Blasen als auch Korrekturen und Rezessionen Teil dieser Dynamik. Viel entscheidender ist es, dass Anleger strategisch breit aufgestellt sind und ihre Investmententscheidungen auf fundierten Analysen und evidenzbasierten Strategien und nicht auf spekulativen Hoffnungen basieren. Und natürlich gilt es, im entscheidenden Moment Ruhe zu bewahren oder eventuell sogar nachzukaufen.

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