A Hund is a scho: Christina Baumers Hundslinger goes to Hollywood
Tirschenreuth. Jetzt auch noch Hollywood: Christina Baumers Heimat-Komödie „Hundslinger Hochzeit“ räumt schon vor dem Kinostart am 15. Januar internationale Independent-Preise ab: Außer Doppel-Gold in Kalifornien auch den Hauptpreis beim Rotterdamer Filmfestival für die beste weibliche Regie.

Das war der Masterplan der Triebendorferin: Weil das Dorf in der Filmstadt München wenig zählt, hat Schauspielerin Christina Baumer die cineastischen Interessen der Nordoberpfalz als Drehbuchautorin, Regisseurin, Produzentin – sprich: als Mädchen für alles – selbst in die Hand genommen.
Wenn schon für den Tatort nur die Weltstadt mit Herz und Söders Nürnberg als Drehorte infrage kommen, dann holt die 38-Jährige für ihre Low-Budget-Komödie „Hundslinger Hochzeit“ die Filmwelt eben heim in die Steinwaldregion: ins Wirtshaus, die Zoigl-Stube und auf die Marktplätze von Friedenfels, Tirschenreuth, Waldsassen und Wiesau.
Internationales Preis-Triple
Die Debüt-Komödie um Hauptdarstellerin Baumer alias Wirtstochter Magdalena, die nach dem Tod ihrer Mutter ihr alteingesessenes Erbe, das „Wirtshaus Rosi“ im Friedenfelser „Grünen Kranz“, gegen die zuagroaste preißisch-mexikanische Konkurrenz, das „Casa Toni“ im Tirschenreuther „Hammerer Zoigl“, mit allen Mitteln weiblicher Kriegslist verteidigt, erringt schon vor der Oberpfalz-Premiere am Mittwoch, 15. Januar, im Cineplanet Tirschenreuth und dem bayernweiten Kinostart am Tag darauf, internationale Preise.
- Beim „Hollywood Independent Filmmakers Awards Festival“, einem internationalen Festival unabhängiger Filmemacher, gewinnt die „Hundslinger Hochzeit“ jeweils Gold für die „beste Komödie“ und „für den besten Film mit LGBTQ-Themen“.
- Beim „Paris Lady Moviemakers Festival“ wurde Crew-Mitglied Natalia Mamaj als beste weibliche Kamerafrau ausgezeichnet.
- Beim Rotterdamer Filmfestival wurde Baumers Film für die „beste weibliche Regie“ preisgekrönt.

Profis und Laien mit Herzblut
Der Überraschungserfolg gelang Baumer mit einer herzerfrischenden Mischung aus begeisterungsfähigen Laien wie Florian Winklmüller (früherer Vorsitzender des Modernen Theaters Tirschenreuth und Jesus-Darsteller bei der Passion) als Pfarrer, der Jugend- und Blaskapelle Bärnau oder der Rentner-Mopedgäng Bisons aus Hermannsreuth und professionellen Schauspielerinnen mit und ohne Nordoberpfälzer Migrationshintergrund:
Lisa Grötsch (u.a. Der Beischläfer) aus Münchenreuth als Lieselotte, Barbara Weiß (u.a. Die Rosenheim Cops) aus Waldsassen oder Kathrin Anna Stahl (u.a. Gestern waren wir noch Kinder) aus Irchenrieth als Franziska sowie Judith Riehl (u.a. Tatort) als Wirtin Peggy, Walter Schuster (u.a. Dahoam is Dahoam) als Wirtsvater, Jürgen Fischer (u.a. als Frank Farmer im Musical Bodyguard) als Sepp, Sandro Stocker (u.a. Aktenzeichen XY) als Gspusi Toni und Edith Konrad (u.a. Biohackers) als Bürgermeisterin Traudl.
Ohne Gagen: Von den Darstellern bis zum Komponisten
Vier Jahre lang hat Christina Baumer als Vorsitzende ihres Vereins Stonewood Film e.V. ehrenamtlich geackert, um die Low-Budget-Produktion im niedrigen sechsstelligen Euro-Bereich zu stemmen – mit Spenden, Sponsoren und Crowdfunding. „Weil uns das Geld ausging, habe ich auch privat Geld reingeschmissen“, sagt sie ohne Wehmut. „Ich bin ein Mensch, der ans Schicksal glaubt.“
Das alles aber hätte nicht gereicht, wenn die stattliche Crew von gut 100 Leuten einschließlich der professionellen Schauspieler nicht auf ihre Gagen verzichtet hätte: „Wir haben natürlich die Fahrtkosten übernommen, Unterkunft und Verpflegung, aber ansonsten hatten einfach alle Lust, mitzuspielen.“ Martin Gerke haben ein halbes Jahr für Gottes Lohn die Filmmusik komponiert, einige Passagen hätten Musiker im Studio eingespielt: „Kathrin Anna Stahl hat das Titellied total geil auf Oberpfälzisch gesungen und Ferdinand Schwarz hat einen Coldplay-artigen Song aufgenommen – total cool.“
„Alle halfen zusammen“
Alle hätten zusammengeholfen, um aus einem Liebhaberprojekt einen professionellen Film zu zimmern: „Die Stadt Tirschenreuth hat einfach mal eine Straße für uns gesperrt“, lobt sie explizit Bürgermeister Franz Stahl, der gesagt habe: „Des mach’ma scho.“ In München undenkbar ist sie sicher. Die Gemeinde Friedenfels habe einen ganzen Monat lang kostenlos die Steinwaldhalle zur Verfügung gestellt. „In den Dorfladen konnten wir zum Drehen auch immer rein“, sagt die Chefin, „keiner hat gemotzt, die Stimmung war toll. Die Friedenfelser haben sogar extra für uns kurzfristig ihre Einkaufsgewohnheiten geändert.“
Die Wirtsleute vom „Grünen Kranz“ hätten fast zehn Tage lang ihr Wirtshaus zur Verfügung gestellt: „Sogar die Wohnung oben drüber durften wir als Garderobe und Maske benutzen.“ Auch im Hammerer Zoigl von Bernd Gleißner konnte die Crew schalten und walten, wie sie wollte. Und das Geld, das ausgegeben wurde, bleibt in der Region: „Die Ferienwohnungsbesitzer haben sich einfach gefreut, dass Film-Leute bei ihnen wohnen.“
Alles gleichzeitig plus Baby
Als wir vor zwei Jahren mit Christina ein Wirtshaus in Waldsassen besichtigten, hat sie uns ihr Filmprojekt erstmals skizziert. Seitdem ist viel passiert. „Ich habe alles gleichzeitig gemacht“, blickt sie zurück, „das Drehbuch geschrieben, einen Verein gegründet, die Finanzierung organisiert, die Produktion vom Casting bis zur Location-Suche geleitet – und 2021 bin ich ja auch noch Mutter geworden und hatte ein Baby“, sagt sie lachend. Wie stark hat sich die ursprüngliche Idee im Entstehungsprozess verändert?
„Komplett“, sagt die junge Tausendsässin (so wird gegendert!), „nicht wiederzuerkennen.“ Sie habe zusammen Co-Autorin Maia Sander noch während des Films vieles umgeschrieben: „Das ist zwar üblich, aber bei uns war’s schon sehr stark.“ Manche Szenen hätten einfach nicht funktioniert – und das gerade bei ihrer eigenen Hauptrolle. „Die war viel zu passiv“, sagt die Drehbuch-Novizin, „ich hätte mir gewünscht, das Drehbuch schon komplett fertig zu haben.“ Wirtstochter Leni wollte sie auf die klassische Heldenreise schicken, ihre Fehler machen und sich entwickeln lassen. „Sie war nur in meinem Kopf, aber nicht in die Handlung integriert“, sagt sie lachend über ihr Altera Ego.
Feinschliff der gelernten Autorin
„Aus Unerfahrenheit“, sei ihr das passiert, „und ich bin ja ein sturer Mensch, eigentlich studiert man Drehbuchschreiben“, gibt sie offen zu. Maia Sander, die an Filmhochschule München genau das absolvierte, hat mit ihr so lange an dieser charmanten Geschichte mit ihren vielen Defiziten gearbeitet, bis alles im Kinosessel saß, passte, wackelte und Luft hatte. „In meiner Vorstellung wollte Magdalena jemanden schicken, um die Konkurrenz zu sabotieren“, nennt Christina ein Beispiel, „dadurch wird sie passiv, das muss sie alles selbst machen.“
Und dann noch der Vorsatz, mehr Frauenrollen zu besetzen – gerade im chauvinistisch geprägten Genre: „Wir hatten tatsächlich zu viele Männer im Drehbuch“, sagt Baumer, „über 45 verschwinden Frauen aus Film und Fernsehen.“ So gewinnt man keinen Blumentopf beim Paris Lady Moviemakers Festival. „Da müssen wir was machen“, war sie sich mit ihrer Co-Autorin einig. „Es ist verrückt, wie das auch in mir drin ist“, ging sie in sich, „wenn man Wirt und Bürgermeister denkt, sieht man erst mal Männer vor dem geistigen Auge.“
Die Meerschweinchen-Intrige kapiert keine Sau
Und dann ist endlich alles im Kasten? Von wegen. „Dann geht’s erst richtig los“, seufzt sie. „Man sichtet sämtliches Material“, sagt Christina, „ich und die Cutterin haben jeden Take von vorne bis hinten angeschaut, – Take drei dieser Szene war gut, aber ist er wirklich der beste?“ Aus dem Rohschnitt schält sich der Feinschnitt bis zum „Picture Lock“ heraus: Anschließend wird der Schnitt erstmal einem Testpublikum von zehn Leuten präsentiert, die auf Fragebogen notieren, was ihnen gefällt und was nicht.
„Wir haben auch danach noch viel umgeschnitten“, sagt die Chefin, „was nicht funktioniert, wurde rausgeschmissen.“ Wie die Sabotageaktion, bei der Magdalena dem anderen Wirtshaus ein Teigmeerschweinchen in die Tiefkühltruhe legt und das Gesundheitsamt hinschickt. „Das hat keine Sau kapiert“, erklärt sie. Der Film wäre sowieso zu lang geworden. „Wir wollten auf den klassischen 90-Minüter kommen.“
Vom Look zum Ton
Jetzt haben wir’s aber wirklich, oder? Von wegen: „Es geht weiter mit der Farbbearbeitung“, erklärt die Filmfachfrau, „man wählt einen Look, nicht zu bunt und nicht zu grau.“ Wie meinen? „Na ja, der deutsche Krimi ist mir zu dunkel und Hollywood zu grell.“ Anschließend korrigiere man zu helle, überstrahlte Szenen. „Natalia Mamaj hatte als Kamerafrau den Hut bei der Farbgebung auf, das ist üblich beim Colour-Grading.“ Nächster Step: das Sounddesign: „Man muss ja hören, wenn eine Tür aufgeht.“ Und Martin Gehrkes Filmmusik muss auch dazu passen: „Die Cutterin und ich haben ihm vorher nur mit Stichworten beschrieben, was wir jeweils haben wollten – boarisch, lustig, dramatisch.“
Er schickte Vorlagen, und wenn die in die richtige Richtung gingen, hat er sie auskomponiert: „Das Thema habe ich sehr unterschätzt.“ Das Endergebnis habe Cutterin Nanette Foh abgenommen, weil die viel Erfahrung habe: „Ich bin Regisseurin und Produzentin in Personalunion“, sagt Christina, „aber musikalisch bin ich eine Katastrophe.“ Die eigentliche Produktion mit der Crew dauerte schließlich von Oktober bis Oktober genau ein Jahr bis zum Endergebnis: „Die meisten brauchen eineinhalb Jahre“, sagt Christina, „ich wollte mit meiner Naivität schon im Mai fertig sein.“
Beim nächsten Mal ein wenig weniger Low Budget
Für das Endprodukt – Trailer und Film – wird dann noch die FSK-Einreichung fällig: „Das ist ganz schön teuer, 1700 Euro – wir haben die Einstufung, ab 6 Jahren‘ bekommen, was sehr gut ist für einen familientauglichen Film.“ Schließlich hat Baumer mit ihren engsten Weggefährten das Gesamtkunstwerk mit richtiger DCP-Mischung fürs Kino-Format in zwei Lichtspielhäuser abgecheckt, ob alles passt. „Die Großen wie Constantin machen diese Schritte im eigenen Kino“, sagt sie lachend. „Das haben wir leider noch nicht.“
Und wie glücklich ist sie jetzt nach dieser Mammutaufgabe mit ihrem Erstlingswerk? „Ich bin sehr zufrieden“, strahlt die Produzentin, „wenn ich das Geld gehabt hätte, hätte ich zwei, drei Szenen noch mal nachgedreht, aber ich kann damit leben.“ Was sie besonders freut: „Das Feedback war super, viele Kinos und Crew-Mitglieder meinten, ,wow, das sieht gar nicht aus wie ein Independent Film‘.“ Ihr Resümee: „Ich würde es auf jeden Fall noch mal machen, aber das nächste Mal mit wenigstens einer halben Million Euro.“
Wird die Steinpfalz jetzt zum deutschen Stonewood?
„Erst einmal muss der Film jetzt gut anlaufen“, will Multitalent Christina Baumer den filmischen Durchbruch nicht verschreien. „Was richtig cool wäre, wenn wir 10.000 Besucher bekämen.“ Dann nämlich gibt es Referenzförderung vom Film- und Fernseh-Fonds Bayern: „Und die Chancen stehen gut für ein zweites Projekt.“ Weil sie keinen passenden Vertrieb gefunden habe, tritt sie auch noch selber als Verleiherin auf. „Ich spreche die Kinobesitzer an“, erklärt sie ihren aktuellen Job, „wir haben schon über 50 Kinos, was sehr viel ist – dort läuft er so lange, bis keiner mehr kommt“, sagt sie froh.
Beworben wird die Hundslinger-Komödie mit dem Trailer in den Kinos selbst – und natürlich mit Plakaten, Aufstellern, über die Presse, Social Media und Apps wie Cineamo: „Man bekommt dann eine Pushnachricht aufs Handy.“ Und wie gut stehen die Chancen auf einen echten Kassenschlager? „Gar nicht mal so schlecht“, meint die Produzentin. Schließlich hat Baumer Antenne-Bayern-Moderatorin Marion Schieder als Stimme im Film und als Ass in der Hinterhand: „Das ist total cool“, sagt Christina kichernd, „sie spricht die Stimme der toten Mutter aus der Urne.“
Weiter in der Verwertungskette folgen nach den bayerischen die Kinos deutschlandweit: „Einen Kontakt in Berlin und Hamburg habe ich schon“, verrät Christina, „und dann kommen im Sommer die Open-Airs.“ Auch wenn Totgesagte länger leben: Sollte sich der Film dann doch einmal im Kino totgelaufen haben, bleibe noch der Weg ins Fernsehen: „Ich setze große Hoffnung in den BR“, sagt sie, „da würde er perfekt ins Programm passen.“ Schließlich blieben noch die Streaming Dienste: „Bei Amazon trete ich selbst als Verkäuferin auf.“ Und im Hinterkopf spukt noch der ganz große Coup: „Netflix sucht ja immer Stoffe ohne Ende für eine Serie.“
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