Das Dieselross: Familienerbe und Zeitzeuge in Kötzersdorf

Kötzersdorf. Ein Fendt "Dieselross" von 1939, liebevoll erhalten von Michael Hautmann, steht für landwirtschaftliche Geschichte und wird bei der Biomeile am 8. September präsentiert.

Michael Hautmann mit seinem Fendt Dieselross im Hof vor seinem Bauernhaus in Kötzersdorf bei Kemnath. Foto: Hans Walter

In Kötzersdorf, einem kleinen Dorf am Tor zur Oberpfalz unweit der Stadt Kemnath, steht ein ganz besonderes Stück landwirtschaftlicher Geschichte: Ein Fendt „Dieselross“ Typ F18, Baujahr 1939, liebevoll gepflegt und erhalten von Michael Hautmann. Dieser Oldtimer-Traktor ist nicht nur ein technisches Meisterwerk seiner Zeit, sondern erzählt auch eine bewegte Geschichte von Krieg, Erfindungsreichtum und familiärem Stolz.

Eine Revolution auf dem Bauernhof

Der Traktor wurde im Frühjahr 1939 von Michael Hautmanns Vater, Georg Hautmann, bei der Baywa in Kirchenlaibach gekauft. Georg, damals 33 Jahre alt und ein vorausschauender Landwirt, erkannte sofort das Potenzial der neuen Zugmaschine für seinen landwirtschaftlichen Betrieb. Der Fendt „Dieselross“ war zu dieser Zeit eine revolutionäre Anschaffung: Mit seinen 16 PS und einem robusten Einzylinder-Motor bot er eine enorme Erleichterung für die tägliche Arbeit auf den Feldern und im Wald.

Gerettet vor dem Krieg

Doch das Jahr 1939 brachte nicht nur Fortschritt, sondern auch Krieg. Nur wenige Monate nach der Auslieferung des Traktors stand das Militär auf dem Hof der Familie Hautmann. Die Soldaten verlangten die Einziehung des neuen Traktors als Zugmaschine für den Kriegseinsatz. In einer mutigen und verschmitzten Aktion versteckte Georg Hautmann die Kurbel des Traktors, ohne die der Motor nicht gestartet werden konnte. Die Soldaten konnten den Traktor nicht zum Laufen bringen und ließen schließlich von ihrem Vorhaben ab. So blieb der Fendt auf dem Hof – ein Glücksfall für die Familie und ihre landwirtschaftlichen Aufgaben.

Unverzichtbarer Helfer im täglichen Leben

Über die Jahre hinweg leistete das „Dieselross“ treue Dienste auf dem Hof, der damals unter anderem sechs Kühe, mehrere Schweine und 10.000 Tagwerk Grund, einschließlich Wald, umfasste. Mit dem passenden Einscharpflug und einem Messerbalken ausgestattet, übernahm der Traktor mehr und mehr die Arbeit, die zuvor mit Ochsen oder Pferden erledigt werden musste. „Mit der integrierten Schwung- und Antriebsscheibe konnten wir sogar die Dreschmaschine antreiben, wodurch auch die aufwändigen Dampfmaschinen allmählich ausrangiert werden konnten“, erinnert sich Michael Hautmann stolz. Der Traktor war eine Sensation in der Region und veränderte das Leben auf dem Land nachhaltig.

Einfache Technik – große Wirkung

Michael Hautmanns Sohn, Peter, schätzt die Genialität des Traktors bis heute. „Die Einfachheit der Konstruktion war und ist das Geniale daran“, sagt er. „Mit minimalem technischen Aufwand konnte man auf dem Feld, der Wiese, im Wald und auf dem Hof viel bewegen und antreiben. Wenn etwas kaputt ging, konnte man es in jeder Dorfschmiede mit wenig Aufwand reparieren.“ Auch die Wartung war einfach, weil es sich um echte „deutsche Wertarbeit“ handelte.

Ein unverkäufliches Familienerbstück

Obwohl der Traktor bis 1951 im aktiven Einsatz war und dann durch einen neuen Fendt F25 mit 25 PS ergänzt wurde, blieb das „Dieselross“ stets ein wertvolles Familienerbstück. Michael Hautmann ist besonders stolz darauf, dass alle originalen Fahrzeugbriefe und Kaufverträge erhalten geblieben sind. „Der Bulldog war in all den Jahren unverkäuflich und wird es auch in Zukunft bleiben“, sagt er entschlossen.

Ein Höhepunkt bei der Bio-Meile auf Schloss Wolframshof

Am Sonntag, den 8. September, wird das „Dieselross“ von Michael Hautmann im Rahmen der Bio-Meile der Ökomodellregion der Steinwald-Allianz auf Schloss Wolframshof bei Kastl ausgestellt. Die Bio-Meile ist eine Veranstaltung, die nun zum dritten Mal im Abstand von zwei Jahren stattfindet. Sie präsentiert nicht nur regionale Erzeugnisse und nachhaltige Landwirtschaft, sondern ist auch ein Schaufenster für unsere traditionsreiche Region.

Einblicke in das Landleben der Vergangenheit

Dieses Jahr wird die Veranstaltung einen besonderen Höhepunkt bieten: Die Vereine und Dorfgemeinschaften der Pfarrei Kastl organisieren zur Bio-Meile auch einen Infostand zum historischen Erntedankzug, der im nächsten Jahr vom 12. bis 14. September stattfinden soll. Unter dem Motto „Das Leben auf dem Lande wie es früher war“ wird die Veranstaltung ein lebendiges Bild des dörflichen Alltags vor dem Zweiten Weltkrieg zeichnen.

Mit zahlreichen Motivwagen, Fußgruppen und Gespannen wird der historische Erntedankzug die Vielfalt und die Traditionen der ländlichen Gemeinschaft zum Leben erwecken. Besucher können sich auf eine beeindruckende Darstellung freuen, die die Themen des dörflichen Lebens in der Zeit vor dem Krieg aufgreift: Von der Feldarbeit über die Ernte bis hin zur traditionellen Tierhaltung und den alten Handwerksberufen. Es wird gezeigt, wie das tägliche Leben damals organisiert war, welche Herausforderungen die Menschen zu bewältigen hatten und wie sie durch Erfindungsreichtum und Gemeinschaftssinn den Alltag meisterten.

Eine lebendige Geschichte

Das „Dieselross“ von Michael Hautmann wird dabei als einer der ältesten erhaltenen Traktoren der Region eine zentrale Rolle spielen. Es repräsentiert nicht nur die technologische Innovation der damaligen Zeit, sondern auch die Anpassungsfähigkeit und den Fortschrittswillen der ländlichen Bevölkerung. Besucher der Bio-Meile haben die seltene Gelegenheit, dieses einzigartige Fahrzeug aus nächster Nähe zu erleben und mehr über seine bewegte Geschichte zu erfahren.

Michael Hautmann wird selbst vor Ort sein, um die Geschichte seines Traktors zu erzählen und Fragen zu beantworten. Für ihn ist die Teilnahme an der Bio-Meile eine Herzensangelegenheit. „Es ist wichtig, dass wir die Geschichte unserer Region lebendig halten und den Menschen zeigen, wie das Leben früher war“, sagt er. „Der Fendt ‚Dieselross‘ ist ein Teil dieser Geschichte, und ich freue mich, ihn den Besuchern präsentieren zu können.“

Die Bio-Meile der Steinwald-Allianz und der historische Erntedankzug sind eine wunderbare Gelegenheit, in die Vergangenheit einzutauchen und die Traditionen des Landlebens zu entdecken. Für Familien, Technikinteressierte und Geschichtsliebhaber gleichermaßen bietet die Veranstaltung auf Schloss Wolframshof einen unvergesslichen Einblick in die kulturelle und landwirtschaftliche Vergangenheit der Region.

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