Stadtbekannter Weidener vor Gericht
Weiden. Man spürte ab Verhandlungsbeginn eine gewisse Ratlosigkeit bei allen Prozessbeteiligten. Vor Gericht stand ein obdachloser Weidener, der genauso zum Straßenbild gehört wie die Kirchtürme oder das Gerichtsgebäude. Jetzt wird er ein gutes halbes Jahr in der JVA verschwinden.

Die Ratlosigkeit des Gerichtes kam einerseits durch die zahlreichen Kleinstdiebstähle während der Bewährungszeit, andererseits vom ellenlangen einschlägigen Vorstrafenregister. Zusätzlich bestand Unsicherheit, ob der Angeklagte der Verhandlung intellektuell überhaupt folgen konnte. Im vorgetragenen Gutachten bescheinigte Landgerichtsarzt Dr. Bruno Rieder eine verminderte Intelligenz. Zusätzlich dürften intensive Experimente mit illegalen Opiaten sehr erfolgreich auf die Zerstörung seiner Wahrnehmungsfähigkeit gewirkt haben. Grundsätzlich besteht jedoch nach Ansicht des Gutachters eine – wenn auch eingeschränkte – Schuldfähigkeit.
Gründliche Aufarbeitung vor Gericht
Geduldig trug Staatsanwältin Franziska Kleber die Anklageschrift vor. Insgesamt wurden dem Beschuldigten sechs vollendete Diebstähle, drei davon in Tateinheit mit Hausfriedensbruch sowie drei versuchte Diebstähle zur Last gelegt. Auf die Frage von Richterin Carina Särve, ob denn alle Anklagepunkte richtig seien, antwortete der 42-Jährige trocken: „Schaut so aus!“ Um die Taten alle nachvollziehen zu können, wurde danach jeder einzelne Diebstahl mit Zeugenaussagen untermauert. Es handelte sich fast ausschließlich um Kleindiebstähle wie beispielsweise eine gestohlene Spezi-Dose im Wert von 89 Cent.
Hausverbot missachtet
Aufgrund seiner langen Vorstrafenserie, den zahlreichen Diebstählen und seinem unverwechselbaren Äußeren wurden dem Angeklagten in zahlreichen Läden in der gesamten nördlichen Oberpfalz bereits Hausverbot erteilt. Ob er dies überhaupt verstanden oder wissentlich übergangen hat, ist schwer zu ergründen. Schließlich kam zur Sprache, dass der Mann bereits in der Förderschule enorme Schwierigkeiten hatte, einfachen Sachverhalten zu folgen.
Nicht nur Ladendiebstähle
Neben den Ladendiebstählen stand in der Anklageschrift zusätzlich, dass er beim versuchten Diebstahl in einer Weidener Hotelrezeption erwischt wurde. Beute machte er keine, eine Strafanzeige erhielt er trotzdem. Ähnlich verhielt es sich in einem Weidener Friseurgeschäft. Da war es die Kaffeekasse. Auch die Polizei hat – nicht nur – ein Auge auf den Mann geworfen. Nachdem er „amtsbekannt“ ist, kontrollierte ihn im Herbst 2022 routinemäßig eine Polizeistreife, als er mit einem LED-Fernseher mit Verpackung angetroffen wurde. Das Ergebnis war wenig überraschend und kam als weiterer Diebstahl zur Anzeige.
Bedauernswert unverbesserlich
Auf Nachfragen von Richterin Carina Särve, warum er permanent stehle, war kaum mehr als ein unverständliches Murmeln im Gerichtssaal zu vernehmen. Die beigeordnete Betreuerin des Angeklagten berichtete, dass dieser von Bürgergeld lebe. Davon bekommt er wöchentlich achtzig Euro als Taschengeld zur freien Verfügung. Sein Schlafplatz ist – sofern er nicht gerade im Gefängnis sitzt – in der Obdachlosenunterkunft in der Schustermooslohe.
Besondere Beachtung während des Prozesses fand das psychiatrische Gutachten, das Drogenmissbrauch, Intelligenzminderung und Milieuschädigung, aber ausdrücklich keine vollkommene Schuldunfähigkeit bescheinigte. Deshalb hatte das Gericht die besondere Herausforderung, eine Tat und Schuld angemessene Strafe zu finden.
Freiheitsstrafe unumgänglich
Doch bevor es zum Abschluss der Gerichtsverhandlung kam, wurde der Auszug aus dem Bundeszentralregister verlesen. Darin fanden sich zahllose Einträge ab 1996 wegen Körperverletzung, Betrug, Hausfriedensbruch und Diebstählen im Raum Weiden, Tirschenreuth, Oberviechtach und Schwandorf. In ihrem Plädoyer forderte Staatsanwältin Franziska Kleber aufgrund der Vielzahl der Delikte und einschlägigen Vorstrafen eine Haftstrafe von sechs Monaten und zwei Wochen ohne Bewährung. Damit ging sie an das untere Ende der Strafzumessung.
Pflichtverteidiger Matthias Haberl stellte die Bedürftigkeit, das Geständnis und die Kooperationsbereitschaft des Mannes heraus. Er blieb aber mit seiner Strafforderung nach sechs Monaten Haft nur geringfügig unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Das Urteil lautete: sechs Monate und zwei Wochen Haft ohne Bewährung. Richterin Carina Särve bejahte zwar die kognitiven Einschränkungen des Verurteilten, stellte jedoch zugleich fest: „Sie wissen genau, dass Sie so etwas nicht machen dürfen!“
Scheinbar völlig unbeeindruckt verließ der Verurteilte den Gerichtssaal, um lächelnd eine der letzten Zigaretten in Freiheit zu genießen.
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