Amtsgericht schickt Oberpfälzer Lügenbaron ins Gefängnis

Weiden. Kommt er oder kommt er nicht? Das war die spannende Frage zu Beginn eines Betrugsprozesses vor dem Amtsgericht. Das Verfahren startete mit einer Schwindelei: Der Angeklagte legte ein angebliches Corona-Attest vor. Zwei Tests im Gericht fielen dann negativ aus.

20231107 Oberpfälzer Münchhausen verurteilt Foto Martin Stangl
Zahlreichen Vorstrafen – hauptsächlich wegen Betrugsdelikten – hat ein Oberpfälzer angehäuft. Als angeblicher Ingenieur, Major der US-Streitkräfte oder Hauptmann der ukrainischen Nationalgarde sorgte er in der Region bereits für erhebliche Schlagzeilen. Foto: Martin Stangl

Unglaubliche Geschichten gab ein Angeklagter (63) aus dem Landkreis Neustadt vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Hubert Windisch zum Besten. Manch ein Prozessbeobachter mutmaßte, dass ein naher Verwandter des auf Lügen spezialisierten Barons Münchhausen auf der Anklagebank saß.

Jeden Vorwurf aus der Anklageschrift wusste er mit einer scheinbar plausiblen Erklärung zu kontern. Dabei gingen ihm in der Vergangenheit viele Menschen und Organisationen auf den Leim. Der Lions-Club Tirschenreuth war ebenso sein Opfer, wie die Sparkasse Tirschenreuth oder Ex-Mitschüler aus seiner Weidener Schulzeit. Nun stand er wegen Betrugs an zwei Autohäusern im Landkreis Tirschenreuth vor dem Amtsgericht in Weiden.

Als Hauptmann der ukrainischen Nationalgarde Autos „gekauft“

Im Februar 2022 hatte sich der Angeklagte bei einem Autohaus im Landkreis Tirschenreuth für einen Pkw im Wert von 26.500 Euro interessiert. Dabei trat er in mehreren Gesprächen mit dem Autoverkäufer extrem selbstsicher auf und gab an, Hauptmann der ukrainischen Nationalgarde zu sein. Der Verkäufer schöpfte keinerlei Verdacht, weil Kleidung, Aussehen und Auftreten einer seriösen Respektsperson sehr nahekamen.

Am Tag der Autoübergabe legte er zudem die Kopie eines Überweisungsbelegs vor und erhielt tatsächlich ohne weitere Überprüfung das Auto. Erst als Tage später kein Geldeingang beim Autohaus zu verzeichnen war, schrillten die Alarmglocken. Eine Strafanzeige folgte, nachdem der Autohausmitarbeiter am angegebenen Wohnort des vermeintlich hochrangigen Militärs eine ausgeräumte Wohnung vorfand. Das ergaunerte Auto wurde später sichergestellt und von der Polizei dem Autohaus übergeben.

Millionenschweres Forsthaus am Arber – mit Porsche

Dieselbe Masche funktionierte in einem anderen Autohaus. Diesmal war es ein Auto im Wert von etwa 12.000 Euro. Auch hier verbarg der Angeklagte sein wahres Gesicht und beeindruckte den Verkäufer mit der Mär vom ukrainischen Hauptmann. Als die geschuldete Kaufsumme nicht eintraf, tischte der Betrüger eine weitere unglaubliche Story auf. Der zufolge war er im Besitz eines wertvollen Grundstücks am Fuße des Arbers mit einem noch wertvolleren Forsthaus. In der Garage stünden mehrere Oldtimer. Darunter ein gesuchter Bulldog und ein Porsche Targa.

Erst als der bereits mehrfach wegen Betrugs Vorbestrafte ohne zu bezahlen den Kontakt abbrach, erstattete das Autohaus Anzeige. Auch in diesem Fall konnte die Polizei das Fahrzeug sicherstellen und nach mehreren Wochen dem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben.

Angeblich Major der National Guard America und Jumbo-Flugkapitän

Nur kurz wurde bei der Verhandlung auf die offensichtlich missbrauchten Titel des Angeklagten eingegangen. In diesem Zusammenhang sprach er von einem bedauerlichen Fehler der Krankenkasse, die den Hochstapler auf seiner Versichertenkarte als „Dipl.-Ing.“ auswies.

Auf den „Major der National Guard America“ und den „Hauptmann der Ukrainischen Nationalgarde“ bestand er jedoch: „Die Länder geben sicher gerne Auskunft über meine Dienstgrade. Es ist aber gerade in der Ukraine etwas kompliziert.“
Seine angebliche Lizenz als Jumbo-Pilot war schon fast eine unwichtige, jedoch unterhaltsame Nebensache.

Damit sich das Gericht auf die wesentlich schwerwiegenderen Betrugsvorwürfe konzentrieren konnte, ließ das Gericht im Einverständnis mit Staatsanwalt Oliver Kugler und Strafverteidiger Dr. Georg Karl (Regensburg) den Vorwurf des Titelmissbrauchs nach Paragraf 132a fallen.

Das geheimnisvolle Konto in der Ukraine

Um den Betrugsvorwürfen auf den Grund zu gehen, lotete das Gericht die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten aus. Dieser präsentierte dem Gericht eine weitere Münchhausen-Geschichte: „Mein Konto bei einer ukrainischen Bank weist ein Guthaben von über 40.000 Euro auf.“ Aufgrund der lebensbedrohlichen Kriegssituation („Ich persönlich habe Missstände in der ukrainischen Armee aufgedeckt und werde deshalb mit dem Tod bedroht“) sei es ihm derzeit unmöglich, in die Ukraine zu reisen und das Konto aufzulösen. Seine Einkünfte stammen übrigens aus seiner Arbeit im Naturschutz und insbesondere beim Wolfsschutz.

Korrekte Kontoauszüge bei Wasserschaden leider unbrauchbar geworden

Der Angeklagte sah aber in der temporären Unerreichbarkeit seines ukrainischen Geldes kein Problem und präsentierte ein weiteres Konto. Dieses Mal bei einer oberpfälzischen Regionalbank. Damit hatte er jedoch kein Glück.

Die vom Gericht überprüften Kontoauszüge wiesen seltsamerweise ein beständiges Minus auf. Um keine Antwort verlegen, bezeichnete er die Auszüge kurzerhand als fehlerhaft: „In Wirklichkeit sind da fast 8.000 Euro Guthaben drauf.“ Andere Kontoauszüge, die dies belegen könnten, seien leider bei einem Wasserrohrbruch unbrauchbar geworden.

Staatsanwalt fordert hohe Freiheitsstrafe

Vor den Plädoyers verlas Richter Hubert Windisch den Auszug aus dem Bundeszentralregister. Die Einträge ließen den Schluss zu, dass der Angeklagte massive Probleme mit dem Gesetz hat. Insgesamt sind bisher neun Betrugsfälle gerichtlich gewürdigt worden. Meist Geldstrafen, in mehreren Fällen auch Haftstrafen, standen zu Buche. Zusätzlich wurde auch eine Erpressung sowie eine Insolvenzverschleppung geahndet.

Staatsanwalt Kugler erkannte im vorliegend Fall eindeutig die Betrugsabsicht des Angeklagten und forderte eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren.
Die Strafverteidigung räumte einige „Ungereimtheiten“ im Verhalten des Angeklagten ein. Trotzdem sah Rechtsanwalt Karl eine gute Chance für eine Bewährungsstrafe unterhalb von zwei Jahren. Strenge Bewährungsauflagen könnten den Angeklagten auf den Pfad der Tugend zurückführen.

Gericht verhängt zwei Haftstrafen: 2,5 Jahre plus 1 Jahr 4 Monate

Der Angeklagte war im März 2022 vom Amtsgericht Tirschenreuth zu 1,5 Jahren Haft verurteilt worden. Einer der Betrugsfälle an den Autohäusern hat sich vor dieser Verurteilung, einer danach zugetragen. Das Schöffengericht Weiden verhängte daher zwei Haftstrafen: Für den ersten Betrug an einem Autohaus in Mitterteich gab es 2,5 Jahre Haft, einbezogen wurde die Strafe aus Tirschenreuth. Zusätzlich verhängte das Schöffengericht für den zweiten Betrug an einem weiteren Autohaus eine gesonderte Strafe (1 Jahr 4 Monate Haft), die ebenfalls nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

In seiner Urteilsbegründung sparte der Richter nicht mit harten Worten. Er nannte den Verurteilten einen „Berufsbetrüger mit hoher krimineller Energie“. Zum Schluss wurde der sonst so besonnene Windisch sehr deutlich: „Sie lügen, wenn Sie den Mund aufmachen.“

Der 63-Jährige kann noch Berufung einlegen. Dann würde am Landgericht Weiden erneut verhandelt.

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