Degenangriff in Fußgängerzone: Courage-Medaille für Helfer

Weiden. Im August 2022 griff eine Frau (65) Passanten mit einem Degen an. Das Innenministerium zeichnet am Montag die vier Männer aus, die sie überwältigten. Bei allen Vieren hat sich der Tag eingebrannt.

Diese vier Männer werden mit der Medaille für Verdienste um die Innere Sicherheit ausgezeichnet: (von links oben im Uhrzeigersinn) Ruppert Grünbauer, Lothar Kneidl, Nicolas Schöner und Alexander Steger. Foto: privat/LTO

Innenminister Joachim Herrmann verleiht am Montag die Medaille für Verdienste um die Innere Sicherheit an 30 Bürger des Freistaats Bayern. Geehrt werden dabei auch Ruppert Grünbauer und Lothar Kneidl, beide Rechtspfleger bei der Justiz Weiden, Nicolas Schöner aus Weiden, damals Kellner beim „Bräuwirt“, sowie Passant Alexander Steger aus Weiherhammer.

Dienstag, 23. August 2022, kurz vor Mittag. Eine Frau (65) aus dem Altlandkreis Vohenstrauß parkt ihren Dacia nahe des „Bräuwirts“. Bewaffnet mit einem geschärften Degen (Klingenlänge 76 Zentimeter) geht sie in Richtung Unteres Tor. Es ist ein sonniger August-Tag. Die Fußgängerzone ist voller Menschen. Einer glaubt aus dem Augenwinkel, es handle sich bei dem Gegenstand um einen Blumentopf an einer Rankhilfe. Ein anderer denkt an eine „historische Stadtführung“.

Mit Degen am Hals getroffen

Auf Höhe des „Pallas“ kommen der Seniorin zufällig die Justizmitarbeiter entgegen. Die drei Herren gehen jeden Tag gemeinsam in die Mittagspause. Aus heiterem Himmel greift die Frau einen 63-jährigen Rechtspfleger mit der säbelähnlichen Waffe an. Sie schreit: „Da sind sie, die Verbrecher.“ Er duckt den Kopf gerade noch weg, der Degen schneidet in seinen Hals.

Kollege Ruppert Grünbauer (62) wird am Arm getroffen, als die Frau erneut ausholt. Im zweiten Anlauf gelingt es ihm, sie an den Handgelenken zu packen. Lothar Kneidl (58) windet ihr nach längerem Rangeln den Degen aus der Hand. Die Angreiferin ist außer sich. Sie steht unter dem Eindruck paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie und entwickelt enorme Kräfte. Aus ihrer Sicht muss sie ihr Leben verteidigen.

Familie Steger aß Pita auf der Parkbank

Die Rechtspfleger sind heilfroh, als Verstärkung eintrifft. „Das war schon sehr hilfreich“, sagt Kneidl. Hotelfachmann Nicolas Schöner (24) ist von einer Kollegin im „Bräuwirt“ auf die Notlage aufmerksam gemacht. Als er ankommt, liegt die Waffe auf dem Boden. Grünbauer blutet aus einer klaffenden Fleischwunde am Arm. Schöner versucht, die Frau von den verletzten Justizmitarbeitern wegzuführen. Als sie sich weiter wehrt, bringt er sie zu Boden.

Ein ganzes Stück sitzen Alexander und Madlen Steger aus Weiherhammer mit ihren Kindern (heute 1 und 4 Jahre)auf einer Parkbank und essen Pita. Die Krankenschwester weist ihren Mann auf den Tumult hin. Der Elektromeister (32) erkennt eine Waffe und Blut. Er läuft sofort los. Gemeinsam halten Steger und Schöner die 65-Jährige fest und reden mit ihr, bis die Polizei eintrifft. Schöner erinnert sich: „Sie war völlig verwirrt. Wusste nicht, welcher Tag ist oder wo sie ist.“

Im März 2023 ordnete das Landgericht Weiden für die Rentnerin wegen versuchten Totschlags die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Rechtsmediziner bestätigt, wie lebensbedrohlich die Situation war. Im Gerichtsprozess ist es zudem immer wieder Thema, dass sich zwar viele Menschen in der Fußgängerzone befanden. Aber letztlich nur einige wenige helfend zum Tatort eilten. Im Gegenzug gab es etliche Handy-Videos.

Zwei halfen, 20 filmten

Grünbauer kann sich erinnern, dass er mitten im Schlamassel den Blick auf eine Frau bekam, die mit dem Smartphone auf die Szene hielt. Er rief ihm zu: „Nicht filmen. Die Polizei rufen!“ Aber es sei tatsächlich schwer gewesen, innerhalb der kurzen Zeit die Situation zu begreifen. Das Ausmaß seiner Verletzung am Arm – „da hing ein zehn Zentimeter großes Stück weg“ – hat er anfangs gar nicht bemerkt. „Das fühlte sich eher an, als hätte ich mich am Hauseck geschürft.“

Grünbauer fährt am Montag gemeinsam mit Kollege Lothar Kneidl zur Ehrung, in München stößt noch Grünbauers Tochter hinzu. Die unerwartete Medaille freut sich, auch wenn sie keine klassischen Helfer waren: „Uns blieb nichts anderes. Wir waren ja mittendrin.“ Nach dem Stehempfang müssen die zwei Rechtspfleger schnell wieder in die Oberpfalz. Grünbauer probt mit dem Landestheater Oberpfalz für die Wiederaufnahme der „Klankermeier“-Saga. Der passionierte Schauspieler spielt darin einen korrupten Politiker.

Nicolas Schöner nimmt Großtante (93) mit

Nicolas Schöner (24) wird seine Großtante Elisabeth Schöner (93) zur Ehrung ins Innenministerium mitnehmen. „Sie ist schon immer meine gute Seele. Sie hat mir von klein auf gesagt: Tu Gutes und dir wird Gutes widerfahren.“ Er sei froh, die Situation damals schnell und richtig erfasst zu haben. Und wer weiß, vielleicht kann er diese Gabe im neuen Beruf gebrauchen. Schöner, der schon länger nicht mehr beim „Bräuwirt“ tätig ist, möchte gern zur Bundeswehr.

Familienvater Alexander Steger wird von seiner Frau Madlen nach München begleitet. Für ihn war es damals selbstverständlich, seine Hilfe anzubieten. Der 32-Jährige hätte nicht mit einer Auszeichnung gerechnet: „Als das farbige Kuvert in der Post war, dachte ich: Oje. Jetzt haben’s dich blitzt.“

Degenattacke
Der Degen war als Beweismittel während des Prozesses im Gerichtsaal. Foto: Archiv Christine Ascherl

„Courage-Medaille“

Am Montag, 11. September, um 12 Uhr verleiht Innenminister Herrmann im Rahmen eines Festakts die „Medaille für Verdienste um die Innere Sicherheit“. Die Medaille wird an Bürgerinnen und Bürger ausgehändigt, die sich durch mutiges und beherztes Einschreiten um die Innere Sicherheit verdient gemacht haben. Zugleich wird auch an den Tod von Dominik Brunner am 12. September 2009 am S-Bahnhof Solln erinnert wie auch an die Terroranschläge in den USA am 11. September 2001.

In München wird am Montag die so genannte „Courage-Medaille“ verliehen. Foto: Matthias Balk/Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration

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