Ritterbünde: Zwischen Tradition und Moderne
Kemnath. Ein „Rollenspiel ohne öffentliche Showauftritte“: So beschreiben die Ritterbünde der Neuzeit selbst mit Nonchalance und Understatement ihr von einem ausgeklügelten Regelwerk für Umgangsformen und Gewandungen geprägtes, von mittelalterlichen Idealen, Regeln und Bräuchen inspiriertes Gemeinschaftsleben. Doch hinter dem „Spiel“ verbergen sich seit der Gründung der ersten Bünde im 19. Jahrhundert ernste Anliegen.
Widerschein einer „Philosophie des anständigen Lebens“ nannte Robert Schön, Vorsitzender des Heimatkundlichen Arbeits- und Förderkreises Kemnath (HAK), bei der Eröffnung der Sonderausstellung des Kemnather Heimat- und Handfeuerwaffenmuseums die dort präsentierten Dokumente aus der Geschichte des Ritterbundswesens in Kemnath und Deutschland. Von den durchaus hochpolitischen Anfängen der Ritterbünde wusste der „Hochmeyster“ des Deutschen Ritterbunds, „Konrad von Winterstetten“ alias Kurt Fischbach von den „Welfenrittern zue Ravensburg“, zu berichten.
So hätten die strengen Regeln für Mitgliederaufnahme und Gemeinschaftsleben ursprünglich auch als Schutzschirm gedient, um in den politisch weit restriktiveren Zeiten des 19. Jahrhunderts sichere geheime Freistätten zu schaffen, in denen die Mitglieder ungefährdet „das sagen konnten, was sie öffentlich nicht sagen durften“. Der älteste noch bestehende Ritterbund, die „Schwemmritter zue Landeshuota“, existiere seit 1856. Mit der „Vereinigung der österreichischen und bayerischen Ritterbünde“ sei 1884 ein überregionaler Zusammenschluss der Bünde in Österreich-Ungarn und Bayern gelungen, für den der Großmeister des Wiener „Ritterordens Grüner Humpen“ Josef Mauczka („Josephus von Thury“) geworben habe.
1898 habe sich diese Vereinigung in „Bund Deutscher Ritterschaften“ umbenannt und 1920 in Nürnberg mit dem 1899 gegründeten konkurrierenden „Allgemeinen Deutschen Ritterorden“ zum Deutschen Ritterbund vereinigt. „Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges gab es in Deutschland und Österreich 275 Ritterbünde“, wusste der „Hochmeyster“. Das Hitlerregime habe die Bünde 1935 zur Auflösung gezwungen, 1951 sei der Deutsche Ritterbund, nun als „Freundschaftsbündnis ohne politischen Hintergrund“ mit „Freundschaft, Toleranz und Heimatliebe“ als Wertefundament, wiedererstanden: „Als Folge des Krieges waren aber viele Ritterbünde endgültig untergegangen.“ Gegenwärtig gehörten ihm noch 20 Bünde in Bayern, Württemberg und Mitteldeutschland an. Dem HAK dankte Fischbach für die Gelegenheit, sich der Öffentlichkeit mit einer musealen Ausstellung vorstellen zu können: Damit habe sich ein langgehegter Wunsch erfüllt.
Im Namen von Stadt und Landkreis begrüßte zweiter Bürgermeister und Vizelandrat Hermann Schraml die Abordnungen des 1920 gegründeten „Ritterbunds Waldeckh zue Kemenatha“, des deutschen Dachverbands und weiterer örtlicher Bünde aus Nürnberg, Haldenwang bei Günzburg. Landshut und Ravensburg. Gegen den Vorwurf eines angeblich „ewiggestrigen“ Geistes nahm HAK-Museumsbeauftragter Bernhard Piegsa die Ritterbünde in Schutz. Die ideellen Säulen ihres Selbstverständnisses wie „Fairness, Freundschaft, Loyalität, Toleranz, Heimatliebe, Humor und Ehrbewusstsein“ seien „zeitlos gültige Werte, ohne die jede menschliche Gesellschaft ein Schreckensbild der Kälte, des Misstrauens, der Wurzellosigkeit und des Krieges aller gegen alle abgäbe“.
Besonderer Dank
Sein besonderer Dank galt dem „Großmeyster“ des Kemnather Bunds Werner Ponnath („Werner von Podewils auf Wildenreuth“), der seinerseits die Verdienste seines Kollegen Otto Meyer („Ottokar von Heydegg“) vom „Wallensteiner Ritterbund“ in Nürnberg um die Beschaffung zahlreicher wertvoller Exponate hervorhob. Zu diesen zählen beispielsweise die Hochmeisterfahne des Deutschen Ritterbunds und der Amtshelm von Gründungs-Hochmeister Josephus von Thury. „Ebenso aufrichtig und innig“ dankte Piegsa allen an der Ausstellungsvorbereitung Beteiligten im HAK, namentlich dem langjährigen Museumsleiter Anton Heindl.
Dieser habe schon 2019 gemeinsam mit Werner Ponnath und dem damaligen HAK-Vorsitzenden Hans Rösch die Weichen für eine Sonderausstellung im Doppeljubiläumsjahr 2020 gestellt: „Die bekannten äußeren Umstände durchkreuzten dies, aber für mich stand nach Übernahme des Museumsbeauftragtenamts 2020 fest, dass ich dieses Ausstellungsprojekt – gewiss eines der ungewöhnlichsten und spektakulärsten in der 40-jährigen Museumsgeschichte – im Blick behalten würde.“ Mit einem Mahl in der 1923 errichteten ritterbundseigenen „Burg“ auf der Feyhöhe klang die Vernissage aus.
Sonntags geöffnet
Die Sonderausstellung „Dem kühnen Wort lasst unsere Taten folgen: 140 Jahre Deutscher Ritterbund und seine Bünde“, deren Titel den Leitspruch des Deutschen Ritterbunds aufgreift, kann im Heimat- und Handfeuerwaffenmuseum Kemnath, Trautenbergstraße 36 (Fronveste), bis zum 12. Januar 2025 sonntags von 14 bis 16 Uhr, am ersten Sonntag des Monats zusätzlich von 10 Uhr bis 12 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.
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