Bockboanig: Wie viel Karl Valentin brauchen wir heute noch?

Nordoberpfalz. Heute sonnt sich unser Bayern immer gerne auch im humoristischen Glanz von Karl Valentin. Wobei er damals kaum verstanden wurde und heute komplett von Zeitgeist überrollt ist – schade eigentlich. Eine Glosse.

Foto: Oberpfalzecho/Ann-Marie Zell

Valentinade oder weiß-blaues Erfolgsrezept? Wir leben im (Bundes-)Land Karl Valentins, aber es beschleicht einen immer mehr das Gefühl auch in einer seiner so vielfältigen, teils absurden Szenen. Denn vieles kann doch wirklich nicht ernsthaft Realität sein, dabei muss es sich doch einfach um eine Groteske des großen bayerischen Künstlers handeln. Ist es aber leider nicht, es ist bitterer Alltag im Jahr 2024.

War jetz’ des gestern oder im dritten Stock? Karl Valentin

Angesichts der allgemeinen Weltlage und des den Globus umspannenden Vollvogels stellt sich sowieso die Frage, ob man denn heute überhaupt noch lustig sein darf. Ja, man darf, manchmal muss man das auch einfach, um nicht den Verstand zu verlieren. Womit man dem verzweifelten Menschen Karl Valentin wieder verdammt nahekommt.

Das ist er, mein absoluter Lieblingsdialog: „Das Krawattl hängt Ihnen außen!“ / „Ja was jetzt, innen oder außen?“ / „Naa, Ihnen außen – hinunterwärts!“ Heute müsste man das Ganze selbstverständlich sezieren und dann streichen. Es ist immer der gleiche absurde Mechanismus: Darf man denn heute überhaupt noch Witze über Orchester machen? Warum wird die genderfluide Frau hier das Opfer und ist es keine Anmaßung, sich in einen Orchesterchef hineinzuversetzen, wenn man selbst keiner ist? Und schon ist der brillante Sketch tot. So sind wir halt, unser Humor ist schon einzigartig auf der Welt. Gottseidank.

Augenzwinkerndes Granteln, lustige barocke Lebensfreude und das „mia sam mia“-Gefühl, das wäre es doch gewesen. Leider haben wir Bayern die Chance auf ein solches Alleinstellungsmerkmal verpasst und reihen uns lieber in die Reihe der „bundesdeutschen Spaßvögel“ ein.

Ein Zwischenspiel: John Cleese = Markus S.?

Schon lange habe ich auch das Gefühl, in einem Monty-Python-Sketch zu leben, auch wenn mir nicht klar ist, wo bei der Staatskanzlei das „Ministry of Cilly Walks“ angegliedert werden kann. Aber zumindest erhalten dabei die Bayerischen Staatsforsten ihre eigene Hymne:

Aber frei nach Monty Pythons Flying Circus – „And now to something completely different“ – also schnell zurück zu Karl Valentin…

„I sag gar nix. Dös wird man doch noch sagen dürfen“

Eigentlich möchte ich das alles gar nicht, lieber in Respekt und Frieden mit meinen Mitmenschen leben und diese halt in Gottes Namen einfach in Ruhe lassen. Schöne Idee, geht aber nicht.

Der Mensch is guad, de Leit‘ san schlecht!

Schließlich ist auch Karl Valentin damals schon an seinen Mitmenschen verzweifelt. Und wie es um den „Humorstandort Deutschland“ steht, liegt auf der Hand. Aber vielleicht sollte ich, statt nur zu lamentieren, mal was Eigenes liefern. Ich habe es probiert:

Karl Valentin 4.0

Schon alleine die Bezeichnung ist valentinesk – verständlicher wäre eher: Was würde Karl Valentin heute sagen?

Ein dilettantischer Versuch des Autors

  • Was, a Wirtshaus gibts nimmer? Und was mach ma mit de g’scherten Bedienungen? Ach so, de arbeiten jetzt alle bei der Bahn.
  • Aha, und Sie san jetzt die Alternative für Deutschland? Danke, vergelts Gott, dann lass mas doch liaber so, wias is…
  • Etz hab ich grad mit am jungen Menschen g’red. Bin i etz mehr a Alter oder a Dicker? Muass i as nächste Mal aufpassen, mit was er o’fangt…
  • Und warum sagt der junge Mensch immer Pro zu mir? Ich war doch scho immer dagegen.
  • Etz hat mir oane g’sagt, ich waar „sooo cute“ – jetzt woaß ich net soll ich sie busseln oder ihr oane schmieren?

Wenns alle soviel Strom im Kopf hätten wia in eanane Radln…

  • Früher sans beim Fußball einfach wieder aufg’standen und ham weiterg’spuilt – aber da ham die 60er ja auch noch in der ersten Liga g’spielt.
  • So, Vegetarier san Sie? Dann essen sie gar kein Fleisch, net amal a Gansjung?
  • Die Leit haben vor nix mehr an Respekt. Weils halt alle Deppen san.
  • Was schimpfens denn alle so über die Ampel – dann sollns halt einfach umegeha und se zamfahren lassen.
  • Wenn Sie ihr Land zurückhaben wollen, dann sans bei mir falsch – da müssen aufs Katasteramt gehen.
  • De ham alle immer soviel Angst um die Wirtschaft, aber des hoaßt doch heit sowieso „Club“.
  • KI? A eiskalts Trum, des klüger ist als ich, des hats früher auch schon gegeben – da hats Ehefrau g’hoassn.

Wieviel Valentin brauchen wir heute?

Ich bin skeptisch, als erster Reflex würde ich sagen: in rauen Mengen. Aber leider ist Karl Valentin komplett aus der Zeit gefallen. Der moderne Mensch hat einfach keine Zeit, sich mit grotesken, urkomischen Wortkaskaden zu befassen. Außerdem darf sich der Deutsche per definitionem nicht mit Humor beschäftigen – dafür geht es ihm zu schlecht.

Trotzdem breche ich immer wieder gerne eine Lanze für diese wunderbare Facette unserer schönen Sprache: Wer schon mal mit einem Kind Wortspielerein durchdekliniert hat (Achtung, dafür muss man sich Zeit nehmen) und sich dabei gekringelt hat vor Lachen, der weiß: Das Wortspiel, der Wortwitz wird nicht sterben. Glück gehabt.

Valentin-Karlstadt-Musäum

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