Lebensgefährliche Schleusung zwischen Playmobil-Spielzeug

Weiden. Wegen einer lebensgefährlichen Schleusung musste sich ein bosnischer LKW-Fahrer vor dem Schöffengericht verantworten. Unter menschenunwürdigen Zuständen befanden sich 25 Türken, die über Ungarn und Tschechien nach Deutschland eingeschleust wurden, eingepfercht in einem LKW-Anhänger.

20230606 Schleuser aus Bosnien vor Gericht Foto Martin Stangl
Der angeklagte bosnische LKW-Fahrer bespricht mit seinem Verteidiger Stephan Schütz in einer Verhandlungspause einen Antrag. Foto: Martin Stangl

Auf nicht einmal einem Quadratmeter pro Person zusammengepfercht befanden sich 25 Türken, die von einem serbisch-bosnischen Trio nach Deutschland eingeschleust wurden. Keine der sich auf dem LKW befindlichen Personen hatte gültige Einreisepapiere.

Das „Ticket“ kostete jedem der illegal Einreisenden zwischen 2000 und 4500 Euro. Deshalb warf die Anklage den Schleusern banden- und gewerbsmäßige Schleusung in fünfundzwanzig Fällen vor.

LKW in desolatem Zustand

Staatsanwalt Christoph-Alexander May und die ermittelnden Behörden hatten viel Recherchearbeit geleistet, um eine lückenlose Anklageschrift zusammenzustellen. Diese galt es nun vor dem Schöffengericht Weiden unter Vorsitz von Richter Hubert Windisch strafrechtlich zu erörtern.

Neben der illegalen Tat legte die Staatsanwaltschaft großen Wert auf die menschenunwürdigen Umstände, unter der die Schleusung stattfand. Auf dem Sattelschlepper befanden sich eine große Anzahl ungesicherter Europaletten mit Spielzeug. Inmitten der Paletten ließen die Schleuser wenige Quadratmeter Platz, um fünfundzwanzig Menschen stehend über mindestens zehn Stunden zu transportieren.

Auch der Zustand des LKW war äußerst gefährlich: Eine Bremsscheibe war gebrochen und würde im Falle einer Notbremsung den Sattelzug unkontrollierbar machen.

Minutiös geplante Schleusung

Ein Geständnis wollte der Bosnier nicht abliefern. Dafür schilderte er vor Gericht seine weitgehende Ahnungslosigkeit, was den Schleusungsvorgang anging. Gemeinsam mit seinem Bruder startete er in seinem Heimatland eine Reise nach Ungarn, mit der Absicht, dort einen im Internet angebotenen LKW zu erwerben.

Vor Ort stellte sich heraus, dass die Beschreibung und der geforderte Kaufpreis weit auseinander lagen. Um trotzdem ins Geschäft zu kommen, entschlossen sich die Brüder zusammen mit einem ebenfalls nach Ungarn angereisten serbischen Staatsbürger eine Probefahrt zu unternehmen.

Diese Fahrt ging schließlich über Prag bis nach Waldhaus. Dort wurde das Trio von der Bundespolizei gestellt und die Schleusung aufgedeckt.

Ahnungslos bis zum Schluss

Auf die Frage von Gericht und Staatsanwaltschaft räumte der Angeklagte ein, dass ihm dämmerte, dass etwas Illegales im Gange war. Schließlich sei er bei der Beladung des LKW unter fadenscheinigen Gründungen abgehalten worden, den Ladevorgang zu beobachten.

Insbesondere bei den Reisedaten waren beim Angeklagten Erinnerungslücken und Unstimmigkeiten zu vernehmen. Die Ermittlungsbehörden hatten nämlich ihre Hausaufgaben hervorragend gemacht.

So konnten die Grenzübertritte nach Ungarn und in die Tschechische Republik eindeutig rekonstruiert werden. Diese Erkenntnisse machten die Einlassungen des Bosniers nicht glaubhafter.

Verurteilter Schleuser verweigert Aussage

Der als Zeuge zur Vernehmung geladene Bundespolizist berichtete vom Aufgriff in Wernberg Anfang Juli 2022. Den Beamten fiel auf, dass ein PKW mit bosnischem Kennzeichen einem LKW mit derselben Länderkennung quasi als Spähfahrzeug vorausfuhr.

Der Verdacht der Fahnder bestätigte sich beim Öffnen des Sattelschleppers: Es handelte sich um eine Schleusung. In diesem Zusammenhang wurde das Trio festgenommen und sitzt seit dieser Zeit in Haft.

Der bereits zu zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Serbe machte vor Gericht von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, weil sein Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Im Anschluss an die Zeugenvernehmung forderte die Staatsanwaltschaft für den LKW-Fahrer zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe, weil die Schilderungen „nichts mit der Wahrheit zu tun haben!“

Verteidiger fordert Freispruch

Ganz anders sah Pflichtverteidiger Stephan Schütz die Beweislage. Trotz einiger Ungereimtheiten in die Aussagen des Angeklagten kann man ihm keine Kenntnis nachweisen, dass er von den Menschen auf dem Sattelschlepper wusste.

Auch die defekte Bremsanlage ist nach Ansicht der Verteidigung nicht auf den ersten Blick sichtbar. Zudem ist auf dem sichergestellten Handy keine konspirative Kommunikation nachzuweisen gewesen.

Im Zweifel für den Angeklagten

Ganz dem Rechtsgrundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ fiel die Beurteilung der Schleusung durch das Gericht aus. Es fiel aber der Rechtsprechung sichtlich schwer, den Aussagen des Angeklagten zu folgen. Deshalb hielt das Schöffengericht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monate für tat- und schuldangemessen.

Die Kenntnis von einer Schleusung war dem Angeklagten nach Meinung des Gerichtes klar zu erkennen. Ob sich der Bosnier allerdings bewusst war, dass die Mitgereisten ihn als Bandenmitglied einbezogen haben, ist ihm nicht nachzuweisen.

Nachdem der Verurteilte bereits seit sechs Monaten in der JVA Weiden einsitzt, könnte er gemäß dem Halbstrafenprinzip bei guter Führung bereits in sechs Wochen in sein Heimatland und damit in die Freiheit abgeschoben werden.

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