Nach Jahren der Wanderschaft: Die Kräuter haben sie wieder geerdet

Pullenreuth. Sie hat viel von der Welt gesehen. Jahrelang war sie auf Achse, auch beruflich. Doch irgendwann war bei Cornelia Müller an dem Punkt angekommen, nach etwas anderem zu suchen. Sie fand es in der Natur und den Kräutern ihrer Nordoberpfälzer Heimat.

Die Heimatunternehmerin Cornelia Müller ist eine viel beschäftigte Frau. Als Kräuterführerin führt die gelernte Architektin die Menschen durch die Natur. Foto: Carla Hauptmann

Vom idyllischen Pullenreuth zog sie einst aus, um als Studentin die weite Welt kennenzulernen. Als Masterstudiengang-Nomadin war sie in London, Belgrad, Beirut, Barcelona, im US-Bundesstaat Nevada und in der Bretagne. Hier, im Nordwesten Frankreichs war sie in einer Jugendherberge als „Mädchen für Alles“ im Einsatz. Ihre Seminararbeit schrieb sie in einer Berghütte in den Ammergauer Alpen.

Gearbeitet hat sie in Großstädten wie Paris und Berlin. Doch der Job verlangte ihr viele Kompromisse ab, zu viele. Sie suchte nach etwas anderem, liebäugelte allen Ernstes mit Estland, fand aber schlussendlich dort den Ruhepunkt, wo sie aufwuchs. Seit 2014 ist Cornelia Müller (33) wieder zurück in ihrer angestammten Heimat.

Im Winter wird die Idylle zum Schneeloch

Die Natur, die Pflanzen haben sie hier wieder sesshaft werden lassen. Mit ihren beiden Buben lebt die alleinerziehende Mutter auf dem elterlichen Anwesen in Tannenhäusl, einem auf 640 Meter hoch gelegenen Weiler, bei dem der Winter allzu gerne auch heftiger anklopft. Da verschwindet der Hauseingang schon mal unter einer meterhohen Schneedecke. „Wir müssen uns dann von oben nach unten freischaufeln“, erzählt Cornelia Müller lächelnd.

Sportliches Arbeitspensum

Ihr Arbeitspensum ist allerdings alles andere als beschaulich. Cornelia Müller ist Kräuterführerin, Leiterin des Projekts Kräuter & Leut, betreibt ihr eigenes Architekturbüro, hilft und berät als Heimatentwicklerin Leute bei der Umsetzung ihrer Geschäftsidee. Mit ihrem „arch wild.studio“ ist sie außerdem auch noch Heimatunternehmerin.

Zwischendrin ist sie, wenn, wie vor Kurzem passiert, die Schule in Neusorg wegen eines Brandschadens geschlossen bleibt, noch als Homeschooling-Beauftragte für ihre beiden Söhne im pädagogischen Einsatz. Trotzdem schafft sie es, die sogenannte Work-Life-Balance hinzukriegen. Sie ist in der glücklichen Lage, sich ihre Projekte aussuchen zu können – die Architektin, die auch in ihrem Brotjob auf Nachhaltigkeit achtet, ist gefragt.

Als Kräuterführerin macht Cornelia Müller (rechts) auf die heilenden Schätze aus der Natur aufmerksam. Foto: Phillipp Koller

Sie bezeichnet sich als Kräuterarchitektin

Die Heimkehrerin bezeichnet sich augenzwinkernd gerne als Kräuterarchitektin. Die Pflanzen hatten es ihr schon als kleines Mädchen angetan. „Ich war anders als die anderen“, erzählt sie lächelnd. Statt mit Puppen zu spielen, hat sie sich lieber aus Binsenkraut Schlappen geflochten. Sich intensiver mit dem Kräuterthema zu beschäftigen, hat sie mehr oder weniger einem „Unfall“ zu verdanken.

Schafgarbe auf die blutende Wunde

Sohn Josef riss sich beim Radfahren die Kuppe des großen Zehs auf. Auf die stark blutende Wunde hatte sie schnell die am Wegrand wachsende Schafgarbe gelegt. „Ich habe von der blutstillenden Wirkung der Pflanze erst kurz zuvor erfahren“, erzählt sie. Und tatsächlich: Das Kraut wirkte Wunder. „Am nächsten Tag wuchs tatsächlich auch schon wieder Haut drüber“, erzählt sie. Eine Erfahrung, die sie motivierte.

Im Herbst erscheint ein neues Buch

Sie ließ sich zur Kräuterführerin ausbilden, baute ein Netzwerk mit mittlerweile 50 gleichgesinnten Kräuterenthusiasten auf, konzipiert Veranstaltungsreihen und realisiert Buchprojekte rund um das Thema Kräuter.

2019 kam „Faszination Kräuterwissen“ auf den Markt, ein Jahr später dann „Wildkräuter, Handarbeit & Brauchtum“. Und im Herbst wird, in Zusammenarbeit mit ihrem Netzwerk und 32 Kräuterleuten, das dritte Werk erscheinen. Es wird sich – natürlich – dabei alles wieder um Kräuter, Rezepte und Bräuche drehen, aber inhaltlich der kalten Jahreszeit entsprechend angepasst.

Aus Flechten wird leckeres Püree

Das Leben umgeben von einer schier unberührten Natur, das genießt sie. Die meiste Zeit läuft sie wie ihre beiden Buben barfuß rum. Die wunderbare Heilkraft der Kräuter weiß sie zu schätzen und natürlich zu nutzen. Haben die Söhne Fieber, marschiert sie nicht gleich in die nächste Apotheke. Der gute alte Brustwickel leistet wertvolle Dienste. Und auch beim Kochen dürfen die Zutaten von Mutter Natur nicht fehlen.

Flechten? Das morbide Etwas, das Bäume befällt, landet bei ihr im Kochtopf und wird zu leckerem Püree verarbeitet. Oder wie wäre es mit einem Chutney aus Vogelbeeren oder einer Creme aus Birkenblättern? Cornelia Müller probiert gerne aus.

Und prompt wartet auf die Frau mit den vielen Ideen eine neue Aufgabe. Sie hat ein Angebot bekommen, als Kräuterpädagogin Seminare zu geben und interessierte Leute auszubilden. „Das muss ich mir aber noch überlegen“, lacht sie. Aber die zweifache Mutter probiert ja gerne aus.

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