Mit Menschenhandel Staatsfinanzen saniert

Kemnath. Die Regionalgeschichte des Fichtelgebirgsraums ist Adrian Rossners Leidenschaft, seine ebenso faktenreichen wie spannenden und humorgewürzten Vorträge sind stets für „volle Häuser“ gut.

Auf eine bessere Zukunft hofften im 19. Jahrhundert zehntausende Menschen aus Nordbayern, die sich zur Auswanderung ins "gelobte Land" Amerika entschlossen. Nicht immer hätten sich die Hoffnungen erfüllt, berichtete Dr. Adrian Rossner in seinem Referat für den Heimatkundlichen Arbeitskreis Kemnath. Foto: Bernhard Piegsa

Das bewies der auch aus dem Bayerischen Fernsehen und als Geschäftsführer des Speinsharter KI-Wissenschaftszentrums bekannte Historiker bei seinem Vortrag „Aus der Heimat in die neue Welt – Auswanderung im 19. Jahrhundert“, zu dem Anton Heindl im Auftrag des Heimatkundlichen Arbeits- und Förderkreises rund 50 Besucher im Raum der von ihm gestalteten und betreuten Musikautomatenausstellung „Musikeum“ begrüßte. In seinem Referat blickte Rossner zunächst auf den 1780 geschlossenen „Deal“ zwischen dem letzten Ansbach-Bayreuther Markgrafen Carl Alexander und der britischen Krone über den „Verkauf“ von rund 4000 fränkischen Männern als Soldaten für das britische Heer zurück. Mit dem Erlös habe der Markgraf die maroden Staatsfinanzen sanieren wollen, die Söldner seien in Nordamerika beim Versuch, die dortige Unabhängigkeitsbewegung niederzuschlagen, eingesetzt worden.

Ein bewegtes Kapitel der Geschichte

Das amerikanische Sagenmotiv des „hessischen Reiters ohne Kopf“ habe seine Wurzel möglicherweise in Franken. Auswanderung im eigentlichen Sinne sei erst ab 1818 erlaubt gewesen, ab 1845 habe der Staat durch Abschluss eines Auswanderungsabkommens mit den USA und Einrichtung eines dichten Netzwerks konzessionierter Auswanderungsagenturen versucht, Betrug und Abzocke einen Riegel vorzuschieben.

Zugleich, so Rossner, habe sich die Obrigkeit bemüht, Auswanderungswillige durch Gegenpropaganda von ihren Plänen abzubringen. Doch habe kaum jemand den recht plump formulierten angeblichen Schilderungen gescheiterter Auswanderer geglaubt. Aus den Bezirksämtern Hof, Münchberg, Rehau und Wunsiedel im Fichtelgebirgsraum seien von 1833 bis 1900 10.471 Personen nach außerbayerischen Gebieten abgewandert.

Den Löwenanteil hätten Angehörige der Land- und Textilwirtschaft gestellt: Vor allem um 1850, als die Löhne der fränkischen Weber wegen der drückenden Konkurrenz ausländischer textiler Industrieware an einem Tiefpunkt angelangt seien, und um 1880, als aufgrund stagnierender Lebensmittelpreise die Landwirtschaft in Bedrängnis geraten sei, hätten besonders viele ihr Heil jenseits des Atlantiks gesucht.

Aufgrund der beträchtlichen Reisekosten hätten eher „mittelständische“ als arme Menschen den Weg in die USA angetreten. Mitunter seien ganze dörfliche Nachbarschaften in überteuerten „Zwischendecks“ umgebauter Frachtschiffe ausgewandert, wusste Rossner.

Bevorzugte Bundesstaaten

Erfolgreiche Emigranten, die in der „Neuen Welt“ Fuß gefasst hätten, hätten oft Verwandte und Freunde ermuntert, ihnen zu folgen. Nach 55 und mehr Tagen seien die Schiffe in der Regel in New York angekommen, ihr weiterer Weg habe viele fränkische Auswanderer nach Illinois (Saint Louis), Wisconsin und nach Missouri geführt, wo in Jefferson City ein Stadtviertel „Old Munichburg“ existiere, dessen Name an Münchberg erinnere.

Diese Bundesstaaten seien beliebte Ziele gewesen, weil die Franken dort ähnliche klimatische Bedingungen wie in der alten Heimat vorgefunden hätten. Bäuerliche Auswanderer hätten mithin wieder Farmen erwerben oder gründen und diese in ähnlicher Weise wie in Nordbayern bewirtschaften können. Allerdings seien manche Emigranten auch gescheitert und hätten sich zur Rückkehr nach Europa entschlossen.

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