Lässt Vater Staat ärmere Menschen im Stich?

Nordoberpfalz. Die Lage für Menschen mit geringem Einkommen in der Region spitzt sich weiter zu. Horrende Energiepreise und teure Lebensmittel lösen massive Existenz- und Zukunftsängste aus.

„Viele Menschen haben Angst vor der Zukunft“, weiß Caritas-Fachberaterin Elisabeth Hirn. Foto: Theo Kurtz

Explodierende Energiepreise und teure Lebensmittel machen einkommensschwachen Bürgern enorm zu schaffen. Diese Erfahrungen müssen die beiden Fachberaterinnen Elisabeth Hirn von der Caritas und ihre Diakonie-Kollegin Dagmar Deutschländer immer wieder in ihren Sprechstunden machen. Mittlerweile kommen sogar Angehörige der Mittelschicht stärker in die Bredouille.

Angst vor der Zukunft nimmt zu

„Ich komme einfach nicht mehr klar“. Diese Aussage hört Elisabeth Hirn jetzt öfter. Beim Blick auf die Stromrechnung oder der satten Nachzahlung bei den Nebenkosten wird Mietern, die ohnehin jeden Euro zweimal umdrehen müssen, schwarz vor Augen.

„Viele haben Angst vor der Zukunft“, erzählt sie. Und permanente Sorgen nagen schwer an der Gesundheit. Ein Teufelskreis. Wer länger als sechs Wochen krank ist, bekommt nur mehr Krankengeld. Das sind schlappe 70 Prozent des bisherigen Bruttolohns. Auf Dauer ist der gewohnte Lebensstandard damit aber nicht mehr zu halten.

Kaum bezahlbaren Wohnraum

Die staatliche „Stütze“ hält aber mit der Realität längst nicht mehr mit. So wird alleinstehenden Arbeitslosengeld II-Empfängern eine Wohnung mit maximal 50 Quadratmetern zugestanden. Die Warmmiete darf im Landkreis Neustadt/WN 380 Euro und in der Stadt Weiden 401 Euro aber nicht übersteigen. Das Problem: es gibt kaum freie Wohnungen in dieser Größe und in dieser Preisklasse. Nicht wenige müssen Euros zusammenkratzen oder ein zinsloses Darlehen aufnehmen, um die von Amts wegen zu große Bleibe zu finanzieren.

Heizkostenzuschuss ist zu mickrig

Angesichts der dramatischen Energiepreise reicht der darin enthaltene Heizkostenzuschuss von 1,40 Euro pro Quadratmeter hinten und vorne nicht. Der von Berlin versprochene einmalige Wohngeld-Zuschuss ist für die Fachberaterin der Caritas keine Lösung. 135 Euro bekämen demzufolge Singles, 175 Euro Zwei-Personen-Haushalte.

Hartz-IV-Sätze gehen an der Realität vorbei

Elisabeth Hirn plädiert für eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze, deren Höhe ohnehin schon seit längerem kritisiert wird. „Das Existenzminimum müsste unbedingt neu berechnet werden“, findet sie. Das sieht ihre Kollegin von der Diakonie ähnlich. „Ich denke, eine Erhöhung um 100 Euro für jeden Empfänger wäre angebracht“, ist Dagmar Deutschländer überzeugt. Darüber hinaus sollten die Sätze mit der Inflation gekoppelt werden. Die beträgt aktuell fast acht Prozent.

Eigentlich müsste Vater Staat in der aktuellen Situation die Miete komplett übernehmen, meint Dagmar Deutschländer. Mehr Geld sollte ihrer Meinung nach auch den Kindern aus einkommensschwachen Familien zur Verfügung gestellt werden. „Nur so ist für sie eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich“, betont die Diakonie-Fachberaterin. „Und das ist enorm wichtig.“

800 Ratsuchende im vergangenen Jahr

800 Ratsuchende hatten sich alleine im vergangenen Jahr an Elisabeth Hirn gewandt. „Finanzielle Unterstützung gibt es bei uns allerdings nicht“, macht die Fachberaterin klar. Aber dafür wertvolle Hinweise. „Ich appelliere an die Leute, mal ihre Einkommens- und Ausgabenseite genau zu beleuchten“, erzählt sie.

In einem zweiten Schritt müssen die Kosten runtergefahren werden und Einsparungspotenziale ausgelotet werden. Und noch einen wichtigen Hinweis gibt Elisabeth Hirn: „Keine Ratenkäufe tätigen, wenn man aktuell nicht ausreichend Geld im Portemonnaie hat.“ Sie rät Betroffenen dringend, bei finanziellen Schwierigkeiten selbst die Initiative zu ergreifen und rechtzeitig mit dem Vermieter oder auch mit dem Energieversorger zu reden.

Situation wird sich weiter verschärfen

Auch bei Dagmar Deutschländer steht das Telefon kaum still. „Die Menschen haben einen riesigen Informationsbedarf und wollen sich auch ihre Sorgen von der Seele reden.“ Die Anrufe werden bestimmt weiter zunehmen. „Die Situation wird noch schwieriger werden“, befürchtet die Diakonie-Beraterin. Spätestens dann, wenn die horrenden Energiepreise in den Betriebskostenabrechnungen der Vermieter auftauchen.

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