Von Reue keine Spur: Stieftöchter vergewaltigt und missbraucht
Weiden. Ein 27 Jahre alter Mann aus Tirschenreuth hat seine Stieftöchter (14 und 20) vergewaltigt und sexuell genötigt. Das Landgericht Weiden verurteilte ihn am Mittwoch zu vier Jahren Haft. Der Berufslose war geständig.

Die Mädchen waren zum Tatzeitpunkt 14 und 20 Jahre alt. Die Vergewaltigung der Älteren trug sich im Sommer 2021 in deren Wohnung in Weiden zu. Der Stiefvater hatte die 20-Jährige zunächst bedrängt, auf die Couch gestoßen und schließlich ins Schlafzimmer verschleppt. Dort kam es zur Vergewaltigung, die sie in Schockstarre durchlitt. Sie habe „wie eingefroren“ auf dem Bett gelegen (siehe Infokasten).
Mutter glaubte den Töchtern nicht
Sie zeigte die Tat erst an, als ein Jahr später ihrer jüngeren Schwester ein ähnliches Schicksal widerfuhr. Die 14-Jährige war im Sommer 2022 mit dem Angeklagten in den Keller in Tirschenreuth gegangen. Es handelt sich um einen dunklen Gewölbekeller ohne Fenster. Im hintersten Abteil erklärte er ihr, dass dies nun ihr „Geheimraum“ sei. Sie solle ihn nicht länger als Vater, sondern als Freund verstehen. Dann bedrängte er sie sexuell. Auch hier kam es beinahe zu einer Vergewaltigung.
Die 14-Jährige zog sofort ihre Schwester und ihre Mutter ins Vertrauen. Die Schwester glaubte ihr aus eigener Erfahrung ohne Zweifel. Problem: Die Mutter nicht. Es kam zu einem heftigen Streit zwischen der 20-Jährigen und ihrer Mutter. Die 45-Jährige warf mit Gegenständen nach der Tochter, eine Vase ging zu Bruch. Das Zerwürfnis besteht bis heute. Die Mutter stand dem Angeklagten auch vor Gericht zur Seite.
Die beiden Mädchen fuhren damals schnurstracks zur Polizeiinspektion Tirschenreuth, um Anzeige zu erstatten. „Die Große hat sich tierisch über das Verhalten der Mutter geärgert, die ihnen keinen Glauben schenkte“, erinnert sich die Polizeibeamtin im Zeugenstand. Der Stiefvater stritt alles ab. Ein DNA-Gutachten belegte den sexuellen Übergriff. Eine Psychologin prüfte die Aussagetüchtigkeit der beiden Opfer, die sie für komplett glaubwürdig einstufte.
Kein Wort des Bedauerns
Vor Gericht erfolgt am Mittwoch daher die Kehrtwendung: Über seinen Verteidiger Matthias Haberl legt der 27-Jährige ein Geständnis ab. Nach einem Verständigungsgespräch stellt ihm das Gericht dafür einen Strafrahmen unter 4,5 Jahre in Aussicht. Bei seiner Vernehmung stellt sich der Berufslose als nicht besonders helle heraus. Er bringt nicht einmal den Hochzeitstag mit seiner zweiten Frau – der Mutter der Geschädigten – 2021 oder 2022 zusammen: „Da hab ich keinen Plan mehr.“ Auch ein „letztes Wort“ fällt ihm nicht ein.
Anwalt Dr. Gerd Michler vertritt die Töchter als Nebenkläger. Er vermisst bis zuletzt ehrliche Reue. „Es hätte sich gehört, ein Wort des Bedauerns an die Opfer zu richten.“ Die 20-Jährige leide sehr an der erlebten Vergewaltigung, habe Alpträume und einen Waschzwang: „Noch heute fühlt sie sich beschmutzt.“ Der Angeklagte habe sich in der Familie seiner neuen Frau verhalten wie in einem „Selbstbedienungsladen“.
Die 1. Strafkammer unter Vorsitz von Peter Werner folgt Staatsanwältin Carolin Ammon (plädierte auf 4,5 Jahre), wonach der Tatnachweis klar geführt war. Vorsitzender Richter Werner: „Es gibt keinen Zweifel an der Täterschaft.“ Zugunsten des Angeklagten sei das vollumfängliche Geständnis gewertet worden, das den Opfern eine nochmalige Vernehmung erspart habe. Die vier Jahre gibt es für Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Missbrauch von Schutzbefohlenen. Der 27-Jährige bleibt in Haft, in der er sich seit Februar 2023 befindet.
Als Mietnomaden kreuz und quer durch Oberpfalz
Die Töchter (16 und 22) leben inzwischen zusammen in einer Wohnung an einem anderen Ort. Sie haben eine chaotische Kindheit hinter sich, wie sie gegenüber einer Psychologin schilderten. Außer der leiblichen Schwester zählt die Familie noch zwei Kinder, die ihre Mutter mit außerehelichen Affären bekam. Ein Kindsvater ist der „Ex“ der Tochter.
Die Großfamilie wechselte im Laufe der Jahre extrem oft die Wohnung: Sie zogen als Mietnomaden kreuz und quer durch die Oberpfalz. Eine der Töchter erinnerte sich gegenüber der Psychologin, in der zweiten Klasse in vier Schulen gegangen zu sein.
„Freezing“: Wenn Opfer in Schockstarre verfallen
Beide Geschädigte mussten ihre Aussagen auf der Wache, bei der Kriminalpolizei, gegenüber einer Ermittlungsrichterin und schließlich noch gegenüber einer Aussagepsychologin wiederholen. Diese Sachverständige bejahte die Glaubwürdigkeit beider Opfer. Die Schwestern hätten erlebnisfundiert und konstant ausgesagt, es gäbe keinerlei Hinweise auf erfundene Falschaussagen.
Die Sachverständige Psychologin Dr. Sabine Loos hatte auch eine wissenschaftliche Erklärung für die „Schockstarre“ parat, wie es das Vergewaltigungsopfer während der Tat beschrieb. Die neuropsychologische Forschung spreche von „Tonic Immobility“. In zehn bis 15 Prozent der Fälle komme es zu einem „Freezing“ der Opfer, einer Lähmung, gesteuert vom Vagusnerv. „Das ist also gar nicht einmal selten.“
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