Türkischer Skandal um „graue Pässe“: Prozess in Weiden scheitert

Weiden. Am Landgericht Weiden hätte am Montag ein Prozess gegen zwei türkische Busfahrer (41, 54) beginnen sollen. Ihnen wird vorgeworfen, mindestens 146 Landsleute im Reisebus illegal nach Deutschland gebracht zu haben. Der Trick: "graue Pässe".

Die beiden Türken mit Wohnsitz in Bayern handelten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Weiden als Ausführende einer größeren Organisation, die ihren Mittelpunkt in der Türkei hat.

Bei „grauen Pässe“ handelt es sich um Dienstpässe der Türkei. Der Name kommt vom Umschlag: Die Deckfarbe der Pässe ist grau. Sie können für Personen ausgestellt werden, die im Rahmen eines offiziellen Auftrags kurzzeitig in die EU reisen. Die Anträge werden von den Provinzpolizeidirektionen der Republik Türkei bearbeitet.

Nur: Keiner der 146 eingeschleusten Türken hatte vor, wieder auszureisen. 23 stellten einen Asylantrag, 123 tauchten unter. Der offizielle Auftrag (Kulturaufenthalte oder Trainingsprogramme) war vorgespiegelt, so die Staatsanwaltschaft Weiden.

Vier volle Reisebusse über Waidhaus-Autobahn

Konkret wirft die Staatsanwaltschaft den beiden Busfahrern vier Touren vor, die im Oktober und November 2020 über Waidhaus nach Deutschland führten. Dem 41-Jährigen, der seinen Wohnsitz in Augsburg hat, sowie dem 54-Jährigen, der in München lebt, soll klar gewesen sein, dass die Reiseabsichten vorgetäuscht waren. Sie pickten die Fahrgäste in Istanbul auf und setzten sie in Deutschland ab. Dann fuhren sie zurück und startete die nächste Tour.

Zum Prozessauftakt kam keiner der beiden Männer. Die Angeklagten waren im Januar 2022 festgenommen und nach drei Monaten Untersuchungshaft auf freien Fuß gesetzt worden. Eine längere U-Haft hätte in keiner Relation zur erwarteten Strafe gestanden.

Jetzt international ausgeschrieben

Peter Werner, Vorsitzender Richter der 1. Strafkammer, bezeichnete das Fernbleiben als nicht sonderlich klug: „Ob das schlau ist, sei mal dahingestellt.“ Es wäre nicht ausgeschlossen gewesen, dass am Ende eine Bewährungsstrafe stünde. Das wäre sicher das kleinere Übel gewesen, als fünf Jahre international ausgeschrieben zu sein. Der Haftbefehl gegen beide wurde auf Antrag von Staatsanwalt Christoph Alexander May umgehend wieder in Vollzug gesetzt. Die Verteidiger werden das wohl so weitergeben. Auch eine Angehörige im Zuhörerraum notierte mit.

Beide Männer befinden sich nach Auskunft ihrer Anwälte in der Türkei. Der 54-Jährige ließ ein Attest vorlegen, das zwar belegte, dass er letzte Woche in einem türkischen Krankenhaus in der Notaufnahme war. Aber es belegt auch, dass er am gleichen Tag wieder entlassen wurde.

In der Türkei ein großer Skandal

Das Auffliegen der „Dienstpass-Affäre“ sorgte 2021 für Schlagzeilen. Medien in beiden Ländern berichteten ausführlich. Laut „Tagesschau“ waren seit 2018 bis zu 3000 Türken mit türkischen Dienstpässen eingereist. Für einen dieser „grauen Pässe“ zahlten die Ausreisewilligen je 6.000 bis 10.000 Euro.

In der Türkei berichtete unter anderem die Istanbuler Tageszeitung „Haberturk“ über den Fall, den sie als Skandal bezeichnete. Die meisten Reisenden stammten demnach aus Ostanatolien. In dem von „Haberturk“ recherchierten Fall waren 45 Personen aus der 300.000-Einwohner-Stadt Yesilyurt in Malatya nach Hannover eingeladen. In diesem Fall sollte es im Februar 2020 zu einer „Tagung zur Förderung umweltbewusster Menschen“ gehen. Pikant: Hauptorganisator war ein ehemaliger Bürgermeister der Regierungspartei AKP.

Schleusung mit „grauen Pässen“

Die Bundesregierung erklärt auf eine Anfrage der türkisch-stämmigen Abgeordneten Gökay Akbulut (Die Linke) zur illegalen Einreise mit „grauen Pässen“:

  • Der Modus Operandi ist der Bundesregierung seit längerem bekannt.
  • Inhaber dieser Dienstpässe können sich 90 Tage visumfrei im Schengen-Raum bewegen. Nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden sei das Ziel von vornherein gewesen, sich länger in Deutschland aufzuhalten.
  • Eine belastbare Aussage zur genauen Anzahl der illegal eingereisten Migranten könne derzeit nicht getroffen werden.
  • Korruptionsdelikte in der Türkei könnten nicht ausgeschlossen werden.
  • Die Hinweise kamen von der Bundespolizei.
  • Am 25. Januar 2021 wurde zentral ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und der Staatsanwaltschaft Weiden zur Prüfung vorgelegt. Auch die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt in dieser Sache. Hier sind schon einige Urteil ergangen.
  • Inzwischen wurde diese Möglichkeit der Einreise abgeschafft.

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