Tödlicher Champagner: Festnahme in den Niederlanden

Weiden. Die Tragödie liegt 21 Monate zurück: Im Februar 2022 starb ein Gast (52) im Restaurant "La Vita", der flüssiges MDMA statt Champagner getrunken hatte. Die Staatsanwaltschaft Weiden und der Zoll geben jetzt die Festnahme von Tatverdächtigen in den Niederlanden bekannt.

OberpfalzECHO/David Trott

Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Weiden, Wolfgang Voit, am Mittwochnachmittag informierte, ist in den Niederlanden ein Pole (35) festgenommen und inzwischen nach Deutschland ausgeliefert worden. Am Mittwoch wurde er dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht Weiden vorgeführt, der den Vollzug des Haftbefehls anordnete. Der 35-Jährige befindet sich jetzt in der JVA. Die Festnahme ist den Ermittlern des Zollfahndungsamtes München (Dienstsitz Weiden) zu verdanken.

Wie Voit erklärt, wird er beschuldigt, für die Lagerung der Flaschen in den Niederlanden verantwortlich gewesen zu sein. Der 35-Jährige verantworte damit möglicherweise mit, dass die Flaschen an Dritte gelangten. Ihm werden Handel mit Betäubungsmitteln, fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Tötung vorgeworfen. Der Fall sei damit noch längst nicht erledigt: „Die Ermittlungen auf weitere potenzielle Mittäter werden mit Hochdruck weitergeführt.“ Bis zu einem Urteil gilt die Unschuldsvermutung.

Sollte es zu einem Gerichtsprozess kommen, würde dieser am Landgericht Weiden stattfinden. Es gilt das Tatortprinzip. Das heißt: Dort, wo etwas passiert ist, wird es auch bearbeitet.

Drogenflaschen „verirrten“ sich in Handel

Der Fall hatte weltweit Schlagzeilen gemacht: In der Nacht zum 13. Februar 2022 starb in einem Lokal in der Weidener Altstadt ein Gast (52), nachdem er von einem Glas Champagner getrunken hatte. Sieben weitere Personen erlitten schwere Vergiftungen, an deren Folgen sie teilweise heute noch leiden. Die Staatsanwaltschaft Weiden gab am nächsten Tag bekannt, dass die Flasche reines, flüssiges MDMA enthielt: Methylendioxymethylamphetamin. Quasi den Rohstoff für die Herstellung von Ecstasy-Tabletten.

Der Gastwirt verbrachte damals eine Nacht in Polizeigewahrsam. Aber schon am Tag danach war klar: Er hatte mit dieser Flasche nichts zu tun. Es gab keinerlei Tatbeteiligte in Weiden. Die präparierten Champagnerflaschen sollten nie in den Ausschank kommen. Sie waren Tarnung für den Ecstasy-Grundstoff MDMA. Mit den drei Litern hätten für den Drogenmarkt tausende Konsumeinheiten hergestellt werden können. Wert laut Staatsanwaltschaft Weiden: mindestens fünfstellig.

Zusammenarbeit mit polnischen und niederländischen Behörden

Die Ermittler des Zolls folgten laut Staatsanwaltschaft dem „Weg“ der Flasche sowie weiterer mit Rauschgift befüllter Champagnerflaschen, die im Lauf der Ermittlungen auftauchten. Die Erkenntnisse: Die Flaschen waren durch mehrere Personen, die den wahren Inhalt nicht kannten, mehrmals weiterverkauft worden.

Im Weidener Fall hatte der Wirt die Doppel-Magnum von seinem Barkeeper, der sie wiederum einem Bekannten abgekauft hatte. Dieser Bekannte – ein Moët-Fan aus der Region – hatte sie 2019 für rund 500 Euro bei Ebay erstanden. Die Ermittlungen führte das Zollfahndungsamt München (Dienstsitz Weiden) unter Federführung der Staatsanwaltschaft Weiden. In Zusammenarbeit mit niederländischen und polnischen Behörden wurde schließlich der 35-jährige polnische Staatsangehörige als dringend tatverdächtig identifiziert.

Das Amtsgericht Weiden erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl. Zunächst soll sich der Pole durch Flucht einer Festnahme entzogen haben. Die Festnahme gelang nach Informationen von OberpfalzECHO dann im August 2023, diese Woche erfolgte nun die Auslieferung nach Deutschland.

Weitere Funde im Sommer 2022

Die Niederlande sind bekannt für Drogenlabors, in denen illegal MDMA zubereitet wird. Eine offizielle Polizeistudie aus den Niederlanden enthüllte 2018, dass das Land weltweit der wohl größte Produzent synthetischer Drogen ist. Den Jahresumsatz bezifferte die Polizeiakademie Apeldoorn auf 17,8 Milliarden Euro.

Auch in den Niederlanden war 2020 eine Flasche „Moët Ice Impérial“ mit flüssigem MDMA geöffnet worden. Vier Menschen erlitten Vergiftungen. In Deutschland sind nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Weiden im Laufe des Frühjahrs/Sommers 2022 ebenfalls weitere solcher Drei-Liter-Flaschen mit identischem Inhalt sichergestellt worden („im mittleren einstelligen Bereich“).

Die Presseerklärung zur Festnahme im Wortlaut:

„In dem Ermittlungsverfahren wegen der Ereignisse in einem Weidener Lokal in
der Nacht des 13. Februar 2022, bei denen acht Personen aus einer mit MDMA
gefüllten Champagnerflasche tranken und in der Folge teils lebensgefährliche
und in einem Fall tödliche Vergiftungen erlitten, konnte nach intensiven
Ermittlungen des Zollfahndungsamts München – Dienstsitz Weiden – unter
Federführung der Staatsanwaltschaft Weiden mittlerweile ein
Tatverdächtiger festgenommen und an die hiesigen Ermittlungsbehörden
übergeben werden.

Im Rahmen der Ermittlungen wurde der „Weg“ der in der Nacht des 13. Februar 2022 ausgeschenkten Champagnerflasche sowie weiterer mit Rauschgift gefüllter
Flaschen bis in die Niederlande zurückverfolgt. Die Flaschen waren zuletzt durch
mehrere Personen, die offenbar den wahren Inhalt nicht kannten, mehrmals
weiterverkauft worden. Auf diesem Wege geriet einer der Champagnerflaschen
nach Weiden. In Zusammenarbeit mit den niederländischen und
polnischen Behörden wurde der nunmehr festgenommene 35-jährige polnische
Staatsangehörige als dringend Tatverdächtiger identifiziert. Die
Staatsanwaltschaft wirft ihm bandenmäßiges Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, fahrlässige Körperverletzung und
fahrlässige Tötung vor.

Konkret soll er jedenfalls für die Lagerung des in Flaschen abgefüllten
Rauschgifts in den Niederlanden verantwortlich gewesen sein und
mitverantworten müssen, dass die Flaschen an Dritte gelangten. Das Amtsgericht
Weiden erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft deshalb einen
nationalen Untersuchungshaftbefehl und einen Europäischen Haftbefehl gegen den Beschuldigten.

Nach anfänglicher Flucht konnte er nunmehr in den
Niederlanden festgenommen werden. Nachdem das zuständige niederländische
Gericht die Auslieferung nach Deutschland bewilligt hatte, wurde der
Beschuldigte nach Überstellung am heutigen Tage dem Ermittlungsrichter beim
Amtsgericht Weiden vorgeführt. Dieser ordnete den Vollzug des Haftbefehls an.
Der Beschuldigte befindet sich nunmehr in Haft. Er äußerte sich bisher nicht zum
Tatvorwurf.

Die Ermittlungen gegen den Beschuldigten dauern an und werden, auch im
Hinblick auf potenzielle Mittäter, weiter mit Hochdruck fortgeführt. Es wird
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch hinsichtlich des nunmehr inhaftierten
Tatverdächtigen weiterhin die Unschuldsvermutung gilt.

Die Staatsanwaltschaft Weiden und das Zollfahndungsamt München
danken allen an den bisherigen Ermittlungen beteiligen in- und ausländischen
Zoll-, Polizei- und Justizbehörden für ihre tatkräftige Unterstützung.“

In solchen blickdichten Gläsern war der Champagner getrunken worden. Symbolfoto: Oberpfalzecho
In solchen blickdichten Gläsern war der Champagner getrunken worden. Symbolfoto: Oberpfalzecho
Ein niederländisches Drogenlabor, das 2021 ausgehoben wurde. Auf dem leerstehenden Bauernhof waren Kessel, Fässer und Rohstoffe für Arzneimittel im Gesamtwert von (schätzungsweise) 750.000 Euro gefunden worden. Ziel: die Herstellung von XTC. Foto: Politie Drenthe
Ein niederländisches Drogenlabor, das 2021 ausgehoben wurde. Auf dem leerstehenden Bauernhof waren Kessel, Fässer und Rohstoffe für Arzneimittel im Gesamtwert von (schätzungsweise) 750.000 Euro gefunden worden. Ziel: die Herstellung von XTC. Foto: Politie Drenthe

Alles über den Champagner-Fall:

Zusammenfassung zum Jahrestag: Am Sonntag jährt sich Champagner-Unglück: Alles, was zum Fall bekannt ist

Interview mit Restaurantleiterin Franziska Voigt: Franziska Voigt nippte vom Champagner: “Ich dachte, jetzt sterbe ich”

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1 Kommentare

Sanne - 15.11.2023

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