[Update] Prozess gegen WohnSachWerte: Unterbrechung bis 6. November
Weiden. Wegen eines Formfehlers bei der Zustellung der Anklage verzögert sich der Prozessauftakt gegen die WohnSachWerte. Fortsetzung ist am Montag, 6. November. Den drei Angeklagten wird Millionenbetrug vorgeworfen.

Die Vorständin Tina K. (50), ihr Ehemann Ralf K. (54) und ihr Sohn (30) sollen 21.000 Arbeitnehmer aus ganz Deutschland um 13,5 Millionen Euro gebracht haben. Laut Anklage wurden die Geschädigten mit ein paar Klicks im Internet unwissend zu Genossenschaftsmitgliedern. Ihre Arbeitgeber überwiesen jeden Monat 50 Euro von ihrem Lohn nach Weiden in der Oberpfalz, so der Vorwurf. Bei weiteren 40.000 scheiterte laut Staatsanwaltschaft der Versuch.
[Update, 14.50 Uhr] Die 1. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Peter Werner gibt einem Antrag der Verteidiger statt. Anwalt Rouven Colbatz hat am Vormittag bemängelt, dass die Anklageschrift nur als ZIP-Datei und nicht schriftlich übermittelt wurde. Beim Zippen werden Buchstabenfolgen in Zahlen umgewandelt – und umgekehrt beim Entzippen wieder zurück. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich damit die Anklage verändert habe.
Gericht druckt neun Mal 1131 Seiten aus
Zudem fehle bei der Anklage die qualifizierte Signatur. Das Gericht unterbricht für mehrere Stunden zur Beratung. Am Nachmittag räumt Richter Werner ein: „Das stellt einen Zustellungsmangel dar.“
Über die Mittagspause liefen die Drucker am Landgericht heiß. Die Protokollführerin verteilt am Nachmittag im Gerichtssaal neun 10 Zentimeter dicke Stapel Papier: die Anklage plus Eröffnungsbeschluss für alle Beteiligten. Dann eben analog statt digital. Den Anwälten und Angeklagten haben jetzt über zwei Wochen Zeit, den Inhalt abzugleichen. „Ein Streit um des Kaisers Bart“, sagt Richter Werner: „Es sind die gleichen Dateien. Eine inhaltlich identische Anklage.“ Der Prozess wird bis 6. November, 9 Uhr, unterbrochen.
Es kam damit am ersten Prozesstag nicht einmal zur Verlesung der umfangreichen Anklageschrift. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft sind bekannt: Die drei Angeklagten sollen mit ihrer fingierten Wohnungsbaugenossenschaft von 2018 bis 2022 rund 13,5 Millionen Euro eingenommen haben. Ein Teil des Geldes ging an Broker-Agenturen, über die man an die Kundendaten gekommen war.
Einen Teil des Geldes sollen die Drei für ein Leben im Luxus ausgegeben haben. Die Ermittlungen ergaben einen Urlaub in Abu Dhabi für 28.000 Euro; 30.000 Euro sollen in den Emiraten für Kleidung und Schmuck ausgegeben worden sein. Selbst das Kindermädchen für den gemeinsamen minderjährigen Sohn soll von Genossenschaftsgeld bezahlt worden sein. Die Kripo fand zum Zeitpunkt der Festnahme im März 2022 nur noch 443.000 Euro auf dem Konto. Die Straferwartung am Landgericht liegt bei vier Jahren aufwärts. Angeklagt ist gewerbsmäßiger Bandenbetrug.
Verteidiger auf Konflikt-Kurs
[Update 10.30 Uhr] Der Prozess hatte am Mittwoch, 18. Oktober, pünktlich um 9 Uhr begonnen. Seit 19 Monaten befinden sich die Angeklagten Tina und Ralf K. in Untersuchungshaft, er in der JVA Weiden, sie in Regensburg. Zur Verhandlung wurden beide in Fußfesseln (bei Gericht inzwischen obligatorisch) vorgeführt. Der dritte Angeklagte (30), der Sohn von Tina K., kam als freier Mann; er befindet sich nicht in U-Haft.
Vorsitzender Richter Peter Werner wurde flankiert von seinen Kollegen Florian Bauer und Matthias Bauer, zwei Schöffen, Ergänzungsrichterin Magdalena Stahl und einem Ersatzschöffen. Werner kam nicht über die Feststellung der Personalien hinaus – schon um fünf Minuten nach 9 Uhr wurde die Sitzung erstmals unterbrochen.
Anwalt Michael Haizmann (vertritt Ralf K.) rügte die Zuständigkeit des Landgerichts Weiden. Für sein Dafürhalten hätte der Fall vor die Wirtschaftsstrafkammer nach Regensburg gehört. Nächster Kritikpunkt: Das Gericht habe versäumt, die Eröffnungsbeschlüsse zuzustellen. Das mag an der Besonderheit liegen, dass in diesem Fall das Landgericht Regensburg das Hauptverfahren direkt nach Weiden eröffnet hat. Richter Matthias Bauer verlas daher den Eröffnungsbeschluss in voller Länge.
Um 9.40 Uhr die nächste Unterbrechung: Anwalt Rouven Colbatz (vertritt Tina K.) monierte die Art der Zustellung der Anklage: Die Verteidiger hätten diese nur als ZIP-Datei, aber nicht per Post in Schriftform erhalten. Colbatz: „Das stellt keine ordnungsgemäße Zustellung dar.“ Eine elektronische Zustellung sei zwar möglich, dann brauche es aber eine qualifizierte Signatur. Die fehle hier.
Die ersten Zeugen werden umgeladen
Es zeichnet sich damit jetzt schon ab, dass sich das Verfahren in die Länge ziehen könnte. Bislang waren 30 Sitzungstage bis Ende Februar 2024 terminiert. Durch die Unterbrechung müssen jetzt auch einige der rund 50 Zeugen (Polizisten, Broker, Mitarbeiter, Geschädigte) umgeladen werden.
Dabei will das Gericht dem Wunsch der Verteidiger entgegenkommen, den Sachbearbeiter der Kripo nicht als ersten Zeugen zu vernehmen. Nach Ansicht von Anwalt Jörg Meyer (Regensburg) könnten sich die Schöffenrichter kein unvoreingenommenes Bild machen, wenn der Chefermittler als Erster aussagt. Der Kommissar werde ans Ende umgeladen, sagte Vorsitzender Richter Werner zu.
* Diese Felder sind erforderlich.