Prozess wegen Vergewaltigung: Angeklagte kurz vor der Einbürgerung
Weiden. Endstation Anklagebank. Zwei Männer (23, 27) müssen sich vor dem Landgericht Weiden wegen Vergewaltigung verantworten. Sie hatten es seit ihrer Flucht 2015 eigentlich geschafft. Am vierten Prozesstag geht es um ihre persönlichen Verhältnisse.

Beide Angeklagte waren 2015 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Der 27 Jahre alte Angeklagte aus dem Irak erinnert sich, wie seine Eltern ihn wegschickten. Mossul war umkämpft. Sie könnten nicht fliehen, meinten die Eltern. Aber er sei jung, damals 19. Er solle gehen und sein Glück versuchen.
Beide kurz vor der Einbürgerung
In einer ähnlichen Situation war 2015 der zweite Angeklagte. Der Syrer aus Damaskus (heute 23) war damals fast 16 und mit der Schule fertig. Ihm drohte die Einberufung zum Militär. Auch ihn schickten die Eltern über die Route Türkei, Griechenland, Balkan nach Mitteleuropa. Er kam mit einem Bruder nach Weiden. Vier seiner Schwestern leben auch in Deutschland, eine in Österreich. Er halte guten Kontakt zu den Eltern in Syrien.
Beide Angeklagte hatten es eigentlich geschafft. Beiden gelang nach dem Schulbesuch in Deutschland die Integration in den Arbeitsmarkt, wenn auch mit vielen Jobwechseln. Am Ende verdienten beide gut in namhaften Firmen. Sie teilten sich mit Freunden Wohnungen. Nach Feierabend trafen sie sich im Einkaufszentrum und nachts in Clubs. Beide planten die Einbürgerung, was nach acht Jahren möglich ist.
Die letzten Zeugen
Die Nacht von 14. auf 15. November 2021 könnte all diesen Plänen ein Ende bereiten. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden vor, eine Zufallsbekanntschaft nach durchzechter Nacht im Schlaf überrascht und gemeinschaftlich vergewaltigt zu haben. Im Falle einer Verurteilung drohen mehrjährige Haftstrafen. Die Männer bestreiten die Taten. Das Opfer, eine 20-Jährige aus Weiden, bleibt bei ihrer Aussage. Diese wird von einem DNA-Gutachten gestützt, das DNA-Spuren an und in ihrem Körper bestätigt.
Um ihre Glaubwürdigkeit abzuklopfen, hört das Gericht am Montag die letzten Zeugen. Darunter ist ein junger Syrer aus Weiden, der damals mit allen befreundet war: mit dem mutmaßlichen Opfer und den Angeklagten. Als er damals von den Tatvorwürfen hörte, stellte er alle Beteiligten unabhängig voneinander zur Rede. Seine Vernehmung am Montag ist ein Geduldsspiel. Der 24-Jährige will „öffentlich“ zunächst überhaupt nichts sagen. „Sie winden sich hier wie ein Aal, den man aus dem Weiher zieht“, sagt Richter Matthias Bauer und weist auf die Wahrheitspflicht hin.
Eine Hochzeit mit 600 Gästen
Am Ende rückt der Industriearbeiter dann doch heraus. Einer der Angeklagten habe ihm gegenüber zugegeben, Sex mit der 18-Jährigen gehabt zu haben, aber einvernehmlich: „Es war was. Aber das Mädchen wollte das.“ Der Syrer sprach auch mit der jungen Frau, mit der er – ohne Wissen der anderen – einmal gut befreundet war. Sie schilderte ihm, wie sie in dem dunklen Schlafzimmer zu sich gekommen sei, nackt war und die Männer abwechselnd auf ihr lagen. Die Freundin tat ihm leid, wie er vor Gericht einräumt. „Aber am Schluss habe ich keinem mehr geglaubt.“
Aktuell habe er zu keinem der Beteiligten mehr Kontakt. Die beiden Angeklagten (inzwischen in Untersuchungshaft) waren zwar noch bei seiner Hochzeit in diesem Jahr zu Gast: „Aber da waren viele Leute.“ Er habe mit 500 bis 600 Gästen im Landkreis Neustadt/WN gefeiert.
Alkohol ja, aber voll schuldfähig
Landgerichtsarzt Dr. Bruno Rieder steuert am Montag die mutmaßlichen Promillewerte der Beteiligten bei: Wahrscheinlich seien 1,47 beim syrischen Angeklagten, 0,69 beim irakischen und 1,3 Promille bei der Geschädigten. Bei den Angeklagten sieht der Landgerichtsarzt keine Beeinträchtigung der Tathandlungsmotivation. Kurz gesagt: Sie sind aus seiner Sicht voll schuldfähig.
Am Freitag, 14. Juli, ist ein weiterer Prozesstag angesetzt, der möglicherweise nicht der letzte bleibt. Zwar sind alle Zeugen gehört. Aber über manche Beweisanträge ist noch nicht entschieden, vielleicht kommen auch noch neue dazu. Das Gericht hat dem Wunsch der Verteidiger entsprochen, die Betreuungsakte des mutmaßlichen Opfers einsehen zu dürfen. Die 20-Jährige ist im Heim aufgewachsen und nahm zum Tatzeitpunkt Psychopharmaka.
Ein Befangenheitsantrag gegen das Gericht ist inzwischen von einer anderen Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Thomas Hys zurückgewiesen worden. Für Verteidiger Dominic Kriegel war schon am ersten Verhandlungstag der Eindruck entstanden, das Gericht habe über die Schuld der Angeklagten längst entschieden.
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