Neue Ermittlungen im Mordfall: Wer war Christa Mirthes?

Schwandorf/Amberg. Der Mordfall Christa Mirthes kommt noch einmal auf den Tisch. Das 15 Jahre alte Mädchen war 1978 verstümmelt in einem Brunnenschacht gefunden worden. Wer war dieses halbe Kind, das mitten in Schwandorf regelrecht entsorgt wurde?

Christa Mirthes
Christa Mirthes. Foto: Polizeipräsidium Oberpfalz

In Weiden kennt jeder den ungelösten Mord an Walter Klankermeier. Oder das rätselhafte Verschwinden von Monika Frischholz in Flossenbürg. Aktuell wird ein „Cold Case“ neu aufgerollt, der im Norden der Oberpfalz weniger bekannt ist: der brutale Mord an der erst 15-jährigen Christa Mirthes in Schwandorf.

Es war ein Paukenschlag: Das Polizeipräsidium Oberpfalz teilte letzte Woche mit, dass schon im Januar 2023 eine neue Ermittlungsgruppe „Brunnen“ der Kripo Amberg gebildet worden ist. Die Kommissare haben in den letzten Monaten Akten studiert und Zeugen noch einmal vernommen. Auch alle Asservate sind noch einmal ausgepackt worden und mit neuen Methoden untersucht worden. Volltreffer: „Dabei konnte tatsächlich DNA-Material aufgefunden werden“, informierte am Donnerstag Polizeisprecher Claus Feldmeier.

Asservate: Mullbinden, Socken, Jacke, Schuhe

Die Polizei gibt nicht preis, an welchem Beweisstück die DNA gesichert werden konnte. Möglichkeiten gibt es einige. Bei der Leiche lagen blutige Mullbinden, Frotteesocken und Plateauschuhe des Mädchens sowie ein Kettchen. Auch ihre schwarze Veloursjacke mit gelbem Teddyfutter konnte in unmittelbarer Umgebung gefunden werden. Weitere Kleidung und die Unterwäsche fehlten.

Der Körper war verstümmelt, die Brustwarzen abgeschnitten. Der Unterleib wies Stiche und Schnitte auf. Kopf und Kiefer waren zertrümmert. Wer war dieses halbe Kind, das derart zugerichtet in einem Brunnenschacht „entsorgt“ wurde?

Bei dem Mädchen wurden seine grünen Plateauschuhe, rot-schwarzen Frotteesocken und ein Halskettchen gefunden. Foto: Polizeipräsidium Oberpfalz

Schon Monate nicht mehr nach Hause gekommen

Es waren die 70er Jahre. Christa Mirthes, 1962 in Deggendorf geboren, zog mit ihrer Mutter als Kind nach Schwandorf. Gemeldet war die Familie in der Sommerstraße, rund anderthalb Kilometer vom späteren Fundort der Leiche (Klosterstraße) entfernt.

Schon früh war das Mädchen in halbseidene Kreise abgerutscht, unterhielt wechselnde Männerbekanntschaften. Schon mit 13 Jahren soll sie im Seehaus Neubäu, einem damaligen Bordell von den Toren Rodings, als Animierdame angeheuert haben. Spätestens ab Januar 1978 kam sie gar nicht mehr nach Hause. Sie galt als Streunerin. Für 28. und 30. April 1978 berichteten Zeugen, sie in Männerbegleitung auf dem Weg in die Diskotheken „Elvis Club“ und „Captain Cook“ in Schwandorf gesehen zu haben.

Fundort wohl nicht gleich Tatort

Die Polizei geht davon aus, dass Christa Mirthes Anfang/Mitte Mai 1978 starb. Die neue Ermittlungsgruppe sucht Zeugen, die im Zeitraum 30. April bis 15. Mai 1978 in der Klosterstraße auffällige Beobachtungen gemacht haben (Fahrzeuge, Personen). Am 16. Juni 1978 hatten spielende Buben die halb verweste Leiche gefunden. Der Brunnenschacht gehört zu einem heruntergekommenen Gebäude in der Klosterstraße 30 in der Nähe des Bahnhofs. Es steht heute nicht mehr.

Man ging damals nicht davon aus, dass das damals leerstehende Haus der Tatort war. Bei der Tatbegehung muss viel Blut geflossen sein. Das Aufsprühen von Luminol, mit dem schon geringe Mengen Blut nachgewiesen werden könne, erbrachte 1978 kein dazu passendes Ergebnis.

Christa Mirthes Fundort
Die Klosterstraße in Schwandorf. Foto: Polizeipräsidium Oberpfalz

Zentrale Frage: Wer gewährte ihr Unterschlupf?

Für die Ermittlungsgruppe ist von größter Wichtigkeit, wo sich Christa Mirthes zwischen Januar und Mai 1978 aufhielt. Sie soll mal hier, mal da übernachtet haben. Die Polizei fragt: Wer gewährte ihr Unterschlupf? Wo hatte sie ihre Habseligkeiten deponiert? In die Ermittlungsarbeit ist die Operative Fallanalyse in München eingebunden.

In den Folgejahren waren immer wieder Anläufe gestartet worden, den gewaltsamen Tod von Christa Mirthes aufzuklären. Für Aufmerksamkeit sorgte 1999 eine Zeugenaussage bei einem Prozess am Landgericht Regensburg. Vor Gericht stand der frühere Nachtclub-Boss aus Neubäu (damals 51 Jahre). Ein Kriminalkommissar berichtete im Zeugenstand, dass ein mitangeklagter Mitarbeiter des 51-Jährigen vielsagende Andeutungen gemacht habe. Er wisse mehr über Straftaten des Nachtclub-Bosses und den Fall Christa Mirthes. Der Mitangeklagte forderte im Gegenzug eine neue Identität, was ihm versagt wurde. Die Hinweise, die er gab, führten zu nichts.

Straftaten von Helfern wären verjährt

45 Jahre liegt der Mord an Christa Mirthes zurück. Warum sollte sich jetzt jemand melden? Die Staatsanwaltschaft Amberg weist darauf hin, dass, mit Ausnahme des Mordes, sämtliche Straftaten verjährt sind. Hinweisgeber müssen daher nicht befürchten, sich selbst strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen. Möglicherweise fällt es auch ihren damaligen Männerbekanntschaften inzwischen leichter, über die letzten Wochen im Leben von Christa Mirthes zu berichten.

Die Belohnung ist auf 10.000 Euro erhöht worden, selbst wenn der Täter nicht mehr leben sollte.

Fahndungsaufruf der Polizei

Am 14. September 2023 ging die Polizei mit einem Zeugenaufruf erneut an die Öffentlichkeit.

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