Justiz besucht OTH: Künstliche Intelligenz das große Thema
Weiden/Pilsen. Was ist, wenn Künstliche Intelligenz einmal Gedanken lesen kann? Richter und Staatsanwälte aus Deutschland und Tschechien werfen bei der OTH einen Blick in die Zukunft.

Wird es das einmal geben: Künstliche Intelligenz, die erkennt, ob ein Angeklagter lügt? „Die Frage ist nicht ob, sondern wann KI Gedanken lesen kann“, sagt Prof. Christian Schneider, jüngst berufener Forschungsprofessor an der OTH Amberg-Weiden. Sein Fachgebiet: Artifical Business Intelligence.
Seine Gäste: rund 40 Richter und Staatsanwälte. Die Justiz Weiden hat am Mittwoch zu einem Arbeitstreffen die tschechischen Kollegen aus Pilsen zu Gast. Mit den Chefinnen und Chefs: Anna Mariková (Staatsanwaltschaft Pilsen), Věra Oravcová (Bezirksgericht Pilsen), Josef Weidensteiner (Landgericht Weiden) und stellvertretend Christian Härtl (Staatsanwaltschaft Weiden).
Gedanken lesen per MRT
Das Programm für den Nachmittag – ein Besuch bei der OTH, organisiert von Prof. Ralf Krämer und Landgerichtssprecher Matthias Bauer – erweist sich als überraschend interessanter Blick in die Zukunft. Die Juristen besuchen mit Dekan Prof. Marco Nirschl den erst vor zwei Monaten eröffneten „Digital Business Campus“ mit KI-Labor.
Zurück zum Gedanken lesen: Ist das möglich? Zwischenschritt sind MRT-Scans, erklärt Prof. Schneider. Dem Propanden wurde – während er in der Röhre lag – das Foto einer Giraffe gezeigt worden. Die Gehirnaktivität wurde aufgezeichnet. Später sah die KI nur noch Scans und rekonstruierte daraus ein Bild, das zumindest ein giraffenähnliches Pferd darstellte. „Nah dran.“
Typisch: die Skepsis der Älteren
„Ob man das im Kontext der Juristerei einsetzen kann, müssen Sie bewerten“, so Schneider. KI und Justiz – geht das zusammen? Die Jüngeren der Richter am Landgericht sehen im Geiste schon ihre Stapel an VW-Klagen schmelzen. Der Professor meint: „Bei der Verarbeitung von Standardfällen ist KI wahrscheinlich ein nützliches Werkzeug. Je komplexer der Fall, umso weiter entfernt.“ Immerhin bestehe ChatGPT (meistens) Jura-Klausuren.
Bei den gesetzteren Jahrgängen überwiegt angesichts der technischen Revolution der Gedanke an „die Flucht in den Vorruhestand“. Auch das sei typisch, so Prof. Schneider. Jede Neuerung, die nach dem 30. Geburtstag erfunden werde, empfinde der Mensch potenziell als Teufelszeug. Was bei der Geburt bestehe (Telefon, Auto) werde hingenommen. Was bis zum 30. Lebensjahr dazukomme, werde als wohlstandsmehrend gesehen.
Per Knopfdruck ein Dossier möglich
Für die OTH-Studierenden stehen wirtschaftliche Applikationen im Vordergrund. Beispielsweise für das Stadtmarketing Amberg. Ein Bildschirm zeigt den Marktplatz, die KI trackt gerade acht Passanten. Welche Wege gehen sie? Was zieht sie an? Sind sie zufrieden? Haben sie gute Laune? „Wir könnten in die Gesichter der Leute zoomen, um Emotionen zu erkennen.“
Und noch viel mehr. Per Reverse-Image-Search ist eine Rückwärtssuche, auch zu Texten über die Person, möglich. Man könnte ChatGPT dann bitten, ein Dossier über die Person anzufertigen und aufploppen zu lassen. Gleich mehrere Staatsanwälte sehen sich die Video-Leinwand genauer an. „Minority Report“, der Film mit Tom Cruise, lässt grüßen. Er spielt 2054. Da gibt es keine Morde mehr, weil „Pre Crime“ Straftäter schon vorher erkennt.
Internationales Wettrüsten
Kurzum: Es gibt unheimlich viele Möglichkeiten. „Wir entwickeln sie; Sie müssen sie ausbaden“, scherzt Prof. Schneider. Aber man lasse die Gesellschaft damit nicht allein, verspricht der Forscher. Mittlerweile sei man beispielsweise sehr gut darin, KI zu erkennen. Er spricht von einem internationalen Wettrüsten. „Alles ist eine Frage der Zeit. Wir alle, auch Sie, müssen sich damit beschäftigen.“
Noch Fragen? „Viel Durst“, sagt ein Tscheche. Zum Abschluss des Arbeitstreffens steht eine Bierprobe an – ohne Webcams.
OTH Amberg-Weiden: immer größer, immer internationaler
Ein schöner Zufall: Just in dem Moment, in dem Prof. Ralf Krämer den tschechischen und deutschen Juristen den Hörsaal zeigt, ist nebenan die westböhmische Universität Pilsen zu Gast. Maika Victor-Ustohal und Monika Mundilová sagen kurz „Ahoj“.
Hintergrund ihrer Veranstaltung: An der OTH in Weiden ist das Kompetenzzentrum Mittel- und Osteuropa angesiedelt. Die Hochschulen Amberg, Weiden und Pilsen präsentieren sich drei Tage lang 18 Hochschulangehörigen aus ganz Europa als attraktiver Standort.
Warum sollte man hier studieren? Das Studium ist auch auf Englisch möglich. In Weiden ist dabei besonders der Studiengang „International Business“ beliebt. Aktuell sind etwa 2000 Studierende an der WEBIS (Weiden Business School) eingeschrieben, davon 1000 ausländische Studenten (ein Plus um 681 Prozent).
In Pilsen ist beispielsweise ein Medizinstudium komplett auf Englisch möglich, interessant für alle, die in Deutschland keinen Studienplatz bekommen haben.
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