Jahn Regensburg am (Tabellen-) Ende: 1. FC Nürnberg der bessere Hühnerhaufen

Nürnberg. Das erwartete Spiel vor rund 27.000 Zuschauern: Krampf und Kampf statt Spielkultur. Der Club um ein Jota und einen Torschuss besser. Der SSV Jahn nach einer saisonübergreifenden Talfahrt am Ende mit seinem Latein – und der Tabelle.

Nürnbergs Beste bejubeln das einzige Tor; Kwadwo Duah knuddelt den Siegtorschützen Enrico Valentini. Bild: jrh

Die Nürnberger Fans haben Club-Trainer Markus Weinzierls Flehen erhört. Trotz einer überschaubaren Leistung drückten die Glubberer beide Augen zu, zollten dem Kraftakt nach 120 Minuten Pokalfight Respekt und feuerten ihr Team fast ohne Pfiffe über 93 qualvolle Minuten an.

Für den 1. FC Nürnberg sollte sich das auszahlen: Ein Patzer von Jahn-Urgestein Sebastian Nachreiner, der den Ball vom Fünfer zu kurz vor die Füße seines Routinier-Pendants Enrico Valentini klärt, der zieht aus 18 Metern ab, der ansonsten tadellose Torwart-Youngster Jonas Urbig ist zu überrascht, die Kugel schlägt unweit links von ihm ein, 1:0 -Endstand (56.). Die Frage, wer nach diesem Kellerduell der größere Depp ist: geklärt.

Die wilden Hühner finden kein Tor

Zuvor und auch danach ist vor allem eines zu konstatieren: Die Nürnberger bemühen sich um einen geordneten Spielaufbau, bringen ihre Stürmer aber mangels Präzision kaum in aussichtsreiche Positionen. Der Jahn hält mit Pressing wie immer lange dagegen, scheitert aber schon daran, die Bälle überhaupt in den gegnerischen Strafraum zu transportieren. Am Ende erinnert man sich an einen aussichtsreichen Abschluss von Bene Gimber, der knapp am rechten Pfosten vorbeistreicht – und einen, aus unerklärlichen Gründen zurückgepfiffenen Kopfball von Andreas Albers, der Club-Keeper Peter Vindahl zu einer überflüssigen Glanzparade zwingt.

Nach der Nürnberger Führung kann man den Oberpfälzern den Willen zum Ausgleich nicht absprechen. Jahn-Coach Mersad Selimbegovic wirft alles an Offensive auf den Platz, was schon jemals auf ein Tor geschossen hat. Was aber Blendi Idrizi, Dario Vizinger, Ayguen Yildirim, Lasse Günther und Joshua Mees für Kaan Caliskaner, Sarpreet Singh, Bene Gimber, Leon Guwara und Minos Gouras in den verbleibenden 10, 20 Minuten bis zum bösen Erwachen am Tabellenende abliefern, ist eher hochnotpeinlich als ermutigend. Nicht die Abteilung Attacke bestürmt das Nürnberger Tor, vielmehr fühlt man sich an das Jugendbuch „Die wilden Hühner“ erinnert.

Schmerzhaftes Derby: Kramp und Kampf dominieren beim Kellerduell zwischen dem 1. FC Nürnberg und Jahn Regensburg. Bild: jrh

Scouting ohne glückliches Händchen

Wie unkte Selimbegovic doch bei der PK noch mit Galgenhumor: „Im modernen Fußball spielen auch viele ohne Stürmer, das kann der Jahn ja auch mal probieren.“ Wen soll der Jahn-Trainer denn einwechseln, wenn sechs Stammspieler verletzt ausfallen? Aber ganz ehrlich: Recht viel besser liefert das – zugegeben angeschlagene – Stammpersonal auch nicht ab: Singh, Albers und Caliskaner ein Schatten ihres früheren Selbst. Max Thalhammer und Leon Guwara in der Vorbereitung zwei Totalausfälle. Einzig Konrad Faber fällt hin und wieder mit ambitionierten, aber ertraglosen Flügelflitzereien positiv auf.

Womit wir auch schon beim Kern des Problems sind: Ganz offensichtlich hat Regensburg den massiven Talentabfluss nach der vergangenen Saison nicht verkraftet. Keeper Alex Meyer, Jan-Niklas Beste, Max Besuschkow oder Erik Wekesser, um nur einige zu nennen, konnten nicht annähernd adäquat ersetzt werden. Sicher, Reisende soll und kann man selten aufhalten, wenn sie von großen Karrieren träumen, die meist auf der Ersatzbank enden. Doch es fällt auf: Das glückliche Händchen, das die Jahn-Verantwortlichen beim Scouting in früheren Jahren bewiesen, es griff dieses Mal offensichtlich gründlich ins Leere.

Düstere Miene zum schlechten Spiel: Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic. Bild: jrh

Keine Schonfrist für den Sportchef

Und noch einmal stellt sich angesichts dieser rasanten Talfahrt die Frage: Will, soll, muss man denn bei aller Skepsis in puncto Panikkäufe nicht trotzdem alles versuchen, um hier noch einmal nachzubessern. Oder will man sich wirklich damit abfinden, dass der nur aus Verletzungsgründen zum Jahn zurückgeliehene Singh der einzige Feldspieler bleibt, von dem man hoffen darf, dass er Standards zumindest Richtung Tor und eigener Spieler bringt? Warum hat man sich nicht einmal mit dem auf St. Pauli gescheiterten Freistoß-Killer Marvin Knoll beschäftigt? Warum hat man dabei zugeschaut, wie sich Abstiegskonkurrent Sandhausen Hamadi Al Ghaddioui unter den Nagel gerissen hat – um nur zwei Beispiele zu nennen?

Nur zur Erinnerung: Aus der Zweiten Bundesliga abzusteigen, geht relativ einfach, wie 1860 München, der FC Ingolstadt oder Dynamo Dresden bezeugen können. Wieder hochzukommen dagegen, das ist schwer. Und wenn man sich dann noch das Missverhältnis zwischen Aufwand und Einnahmen ansieht, ist ein weiterer Absturz nicht auszuschließen. Der neue Sportchef Tobias Werner ist jetzt gefragt. Pech für ihn, dass nach dem Fehlgriff aus der Schweiz jetzt keine Schonfrist bleibt.

Die Abseits-Hoffnung stirbt zuletzt: Kaan Caliskaner wartet auf die Entscheidung des Video-Schiedsrichters, der seinen vermeintlichen Führungstreffer zurecht aberkennt. Bild: jrh

Auch der schlechteste Sturm trifft einmal

„Gespielt“ wurde auch noch in Nürnberg: Bemühte Franken führen zunächst ihrem Publikum vor Augen, warum der schlechteste Sturm der Liga mit Toren geizt. Jens Castrop (4.) und Lukas Schleimer (22.) sorgen aus der Distanz für wenig Gefahr. Einzig der quirlige Kwadwo Duah stellt auf der linken Seite die Regensburger Abwehr wiederholt vor Probleme – Valentini versucht dessen Flanke auf der rechten Seite direkt zu verwerten, Urbig reagiert stark, den Abpraller klärt die Defensive (34.). Viel mehr gibt es in der ersten Hälfte nicht zu bestaunen – sieht man von einem Abseitstor von Caliskaner ab.

Regensburgs bis dahin beste Gelegenheit nach einem der häufigen Ballverluste im Spielaufbau: Gimbers Strich aus 18 Metern rauscht knapp rechts vorbei (49.). Der Club braucht dann einen Standard und die gnädige Mithilfe von Wastl Nachreiner um eine Jubeltraube zu bilden: Nachreiner ballert die Kugel vom Fünfer auf Valentini, der zieht ab, Urbig rechnet offensichtlich in keinster Weise mit einem Abschluss, 1:0 (56.). Für den SSV Jahn die dritte verlorene Partie nach der Winterpause.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber wer gegen einen geschlauchten Tabellennachbarn nur zweimal aufs Tor schießt, kann gegen Hannover 96 am Samstag (13 Uhr) keinen allzu großen Optimismus entfachen.  Auch für den Club dürften die Trauben am Sonntag (13.30 Uhr) in Heidenheim nicht in Mundhöhe hängen.

Nicht einmal Sarpreet Singhs Freistöße lassen auf Besserung hoffen. Bild: jrh

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