Jahn-Desaster gegen KSC: Berauschte Karlsruher zerlegen verunsicherte Regensburger
Regensburg. Ein irreguläres Tor steht am Anfang eines Jahn-Desasters. Dann folgen eine Regensburger Verunsicherung, ein KSC, dem alles gelingt und schließlich ein markerschütterndes 0:6. Die erste Heimniederlage gegen Karlsruhe in der Zweiten Liga – und dann gleich so ein Fiasko.

Von Stefan Schmid und Jürgen Herda
Der SSV Jahn Regensburg kassiert eine heftige Klatsche gegen Gäste vom Karlsruher SC, die offensichtlich den Schwung des Last-Minute-Sieges gegen Sandhausen mit in die Oberpfalz gebracht haben. Nach der frühen Führung der Gäste nach einer Ecke – Marcel Franke liegt bei seinem Kopfball halb auf Bene Gimber, der minutenlang liegen bleibt, zeigen die Regensburger sofort Nerven.
Nach vorne geht überhaupt nichts, und hinten steht das Scheunentor weit offen. Die Fehlermaschine der einen baut die anderen Stück für Stück auf. Karlsruhe kombiniert sich nach Belieben durch einen Hühnerhaufen von Abwehr. Allein Keeper Dejan Stojanovic entschärft mehrfach gefährliche Distanzschüsse. Ein Nebenkriegsschauplatz: Warum nur die Regensburger auf dem nassen Geläuft ausrutschen, fragt man sich mit zunehmender Spieldauer immer öfter.
Natürlich kann es immer mal passieren, dass in einem Fußballspiel alles gegen einen und der Rest für die anderen läuft. Das ist an diesem regnerischen Augustsamstag aber schon kein Momentum mehr, das da auf Badener Seite den Ausschlag gibt. Es ist ein ganzer Sack voller Momenti, die die Regensburger phasenweise wie eine unterklassige Amateurmannschaft aussehen lassen.
Schwierige Woche für Trainer und Sportchef
Auf Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic – und gegebenenfalls auch auf Sportchef Roger Stilz – kommt jetzt eine schwierige Woche zu. Der eine muss die Mannschaft wieder so weit herstellen, dass sie in Düsseldorf nicht das nächste Waterloo erlebt. Wie kann es sein, dass das Team, das bisher mit Ausnahme des äußerst unglücklichen 0:1 in Hannover wieder einmal einen starken Start erwischt hat, innerhalb weniger Minuten so auseinanderfällt?
Fehlt nach dem Abgang von neun Akteuren vielleicht doch noch der ein oder andere Ausnahmespieler, dem in so einer Situation nicht gleich das Herz in die Hose rutscht? Es muss ja nicht gleich Ronaldo sein … Und auch das stimmt: Es ist gut, dass man in Regensburg nicht nach jedem Rückschlag in Panik verfällt. Aber ein 0:6 zu Hause gegen einen Gegner, der mit 0:5 in Paderborn und 2:3 zu Hause gegen Magdeburg in die Saison startete, ist wahrlich schwerverdauliche Kost.
Die guten Nachrichten für den SSV Jahn Regensburg beschränken sich auf den Spielbeginn. Der quirlige Joshua Mees ist nach seiner Verletzung zurück in der Startelf. Von seiner Quirligkeit ist allerdings nichts zu sehen. Von da an geht’s bergab. Von Anfang hatte der SSV den Gästen kaum etwas, oder besser gesagt gar nichts, entgegenzusetzen. Die Badener scheinen die Schwachstellen der Jahn-Elf genauestens analysiert zu haben, zu sehr gleichen sich doch manche der sechs Gegentore. Zu oft steht ein KSC-Spieler im Rückraum frei, zu nachlässig werden Standards verteidigt.
Schlüsselszene: Frankes Rempeltor
Die Partie beginnt denkbar schlecht für den SSV Jahn, in der 6. Minute schießt Benedikt Gimber bei einer versuchten Spielverlagerung den eigenen Mann an, der Ball springt zum Gegner und Gimber zieht das Foul. Gelb für den Kapitän und Freistoß KSC. Marvin Wanitzek hebt diesen ansehnlich über die Mauer, Dejan Stojanovic rettet zur Ecke.
Diese verpennt die Jahnelf komplett. Schnell ausgeführt stützt sich Marcel Franke im Fünfer deutlich sichtbar auf die Schulter von Gimber und köpft gegen den chancenlosen Stojanovic zum 1:0 ein (9. Minute). Der Jahn-Kapitän bleibt liegen, der Keeper beschwert sich lautstark wegen des Foulspiels und kassiert eine Gelbe Karte. Auch der Kölner Keller befindet aber die Szene nicht eindeutig genug, um das Tor zu annullieren.
Schleusner düpiert die Jahn-Abwehr
Der KSC macht weiter Druck und prüft Stojanovic in Person von Philip Heise aus der Distanz (11.). Bei der folgenden Ecke kommt wieder ein Badener an den Ball, diesen Abschluss kann der Jahn-Keeper noch festhalten. Doch gleich darauf sollte es wieder klingeln vor der Hans-Jakob-Tribüne. Nach einem langen Schlag aus der KSC-Abwehr mit anschließender Kopfballverlängerung auf Fabian Schleusener pennt Benedikt Saller komplett.
Schleusener hebt vor dem Tor den Kopf und legt durch die Beine von Jan Elvedi auf Paul Nebel quer. Der braucht nur noch zum 0:2 einschieben. Drei Regensburger verfolgen das Geschehen weitgehend aus sicherer Distanz. Ganz bitterer Start für die Heimelf, die der eine nach der anderen auf das Jahn-Gehäuse zurollenden Angriffswelle mal so gar nichts entgegenzusetzen hat.
Nur Gersbeck bringt sich selbst in Gefahr
Mit fortschreitender Spielzeit kann sich der Jahn etwas besser ins Spiel kämpfen, bleibt aber weiterhin glücklos. Die besseren Chancen haben weiterhin die Gäste, die viel strukturierter in ihren Angriffsbemühungen sind und sich teilweise mit bis zu sieben Spielern in den Jahn-Strafraum kombinieren.
So resultiert die erste große SSV-Chance (36.) aus einer Einladung von KSC-Keeper Marius Gersbeck, der sich selbst in Bedrängnis bringt. An der eigenen Grundlinie, weit weg vom Tor, versucht er herauszuspielen und muss, angelaufen von Prince Owusu, blind klären. Bis der Ball aber schließlich bei Nicklas Shipnoski landet, der es aus 20 Metern probiert, ist Gersbeck wieder auf dem Posten.
Gondorfs Kracher
Dann wird es kurios. In der 38. Minute ergrätscht sich Nicklas Shipnoski auf rechts den Ball, der gleich zu Owusu in die Spitze springt. Im Glauben, dass er eh im Abseits stehe, übergibt der Stürmer im vorauseilendem Gehorsam den Ball an die KSC-Defensive. Die Fahne wäre nicht oben gewesen, wenn auch der VAR den möglichen Treffer wohl zurückgenommen hätte.
Wieder macht es der KSC besser: Jérôme Gondorf erzielt in der 43. Minute das 0:3. Nach einem KSC-Freistoß aus dem Halbfeld bekommt die Jahn-Defensive den Ball nicht geklärt. Von der Grundlinie legt der umtriebige Heise das Spielgerät mit viel Übersicht zurück an den Sechzehner. Dort steht Gondorf sträflich frei, der den Ball im linken Kreuzeck unterbringt. Eine überforderte Jahn-Elf wird mit einigen Pfiffen von den Rängen in die Kabine verabschiedet – großes Kompliment an die Fans: Trotz des Debakels feuern die Regensburger ihr Team bis zum bitteren Ende tapfer an.
Kennedy fügt sich nahtlos ein
Wer es mit dem Jahn hält und auf Besserung aufgrund eines Dreifach-Wechsels zur Pause gehofft hatte, sieht sich getäuscht. Es geht weiter, wie es aufgehört hat. Scott Kennedy, in der Pause für den schwachen Breitkreuz ins Spiel gekommen, fügt sich nahtlos in den katastrophalen Auftritt seiner Teamkollegen ein.
Beim Klärungsversuch eines weiten Balls wirkt der Innenverteidiger überfragt, wohin mit dem Ball. Er wählt die denkbar ungünstigste Möglichkeit und schießt den anlaufenden Schleusener an. Der macht sich auf den Weg Richtung Jahn-Tor, umkurvt Stojanovic und schiebt ins Tor ein. 48. Minute, die Jahn-Elf liegt 0:4 hinten.
Zwei Mini-Chancen trösten nicht
Damit können die Gäste dann auch mit angezogener Handbremse weiterspielen, das Spiel scheint gelaufen zu sein. So ergibt sich in der Folge wenigstens ein etwas ausgeglicheneres Spiel, in dem aber weiter klar ersichtlich ist, wer hier führt.
In der 56. Minute dann das erste Mal in Halbzeit zwei etwas Aufregung unter den Jahnfans: Aygün Yildirim hat den Ball im Sechzehner der Gäste und trifft den Pfosten, aber er steht ohnehin im Abseits. Bei allem Bemühen wirken die Solos des Stürmers meistens kopflos, so dass Yilderim meistens am zweiten oder dritten Gegner die Zähne ausbeißt. Auch Andreas Albers kommt noch zu seinem Abschluss, aber der Kopfball ist kein Problem für Gersbeck (59.).
KSC macht das halbe Dutzend voll
Das war es dann aber auch schon wieder mit Jahn-Abschlüssen. Und da ja jemand was für das Spiel machen muss, macht sich der KSC in der 66. Minute auf zum 0:5. Dabei sind die Gäste noch so gnädig, sich Zeit bei der Ausführung einer Ecke zu nehmen, aber auch das bringt der Jahn-Elf keinen Vorteil. Zu frei findet Wanitzek am langen Pfosten Schleusener der den Kopf hinhält und zum Tor einnickt.
Ein Aufbäumen der Regensburger ist nicht zu erkennen. Zu schwer sind die Beine, zu tief sitzt die Frustration. Und so ist es wieder am Gästeteam, wenigstens was fürs Auge zu tun. Erst bekommt Simone Rapp am Elfmeterpunkt den Ball, der dann mit Tim Breithaupt einen mal wieder freistehenden Spieler im Rückraum bedient. Dessen Direktabnahme landet sehenswert im rechten Kreuzeck (78.). Das halbe Dutzend ist voll.
So bleibt Mersad Selimbegovi für die kommende Woche vor allem therapeutische Aufbauarbeit. Spieler wie Prinz Owusu lassen nach eigenen Fehlern zu schnell den Kopf hängen. Anderen gelingt in solchen Phasen kein einziger Pass. Für das Trainerteam wird die Aufarbeitung ein Balanceakt: Die Fehler schonungslos aufzeigen, ohne das angekratzte Ego weiter zu schwächen.
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