Internationaler Betrügerring scheitert an Polizei Vohenstrauß
Weiden/Vohenstrauß. Wegen bandenmäßigen Betrugs muss sich seit Montag ein 35 Jahre alter Nigerianer verantworten. Der Beutezug führte ihn durch ganz Deutschland. Aufgeflogen ist er erst in Vohenstrauß.

Man fragt sich schon, warum dies nicht schon früher aufgefallen ist: Ein gebürtiger Nigerianer holte für einen Betrüger-Ring Ware in Paketshops ab. Die Iphones und Ipads waren unter falschen Namen bestellt worden. Die Bande hatte Amazon-Konten von Kunden in ganz Deutschland gehackt. Der 35-Jährige zeigte bei der Abholung gefälschte Personalausweise und ID-Karten vor. Sie zeigten sein Foto, dazu den Namen des Bestellers.
Zwei Jahre ging das gut. Der Nigerianer holte für seine Auftraggeber Pakete in fast jedem Bundesland ab: von Neudietendorf in Thüringen bis Wustermark in Brandenburg. Gemeldet war der Nigerianer im Ruhrgebiet. Die Anklage, verlesen von Staatsanwältin Anja Benner, umfasst 23 Fälle des bandenmäßigen Betrugs. Bis auf einmal (in Edenkoben, Rheinland-Pfalz) wurden dem Mann anstandslos die Pakete übergeben. Beutewert der Apple-Produkte: über 32.000 Euro.
Misstrauen in Vohenstrauß
Erst in Vohenstrauß konnte der 35-Jährige geschnappt werden. Hier scheiterten die Betrüger am aufmerksamen Kunden. Der Logistikleiter (35) aus Waidhaus befand sich auf einer Urlaubsreise, als ihm am 13. Juni 2022 in der Banking-App eine anstehende Amazon-Buchung auffiel. Er forschte nach und stellte verblüfft fest, dass er angeblich zwei iPads für 1.700 Euro bestellt hätte. Die Zustellung war auf den DPD-Shop beim NKD in Vohenstrauß abgeändert worden.
Der Waidhauser rief einen befreundeten Polizisten an. Die Polizei Vohenstrauß traf Vorbereitungen für die Abholung. Die iPads wurden sichergestellt. Sollte der Abholer eintreffen, sollten ihn die Verkäuferinnen hinhalten und sofort anrufen. Am 14. Juni 2022 passierte gar nichts. Am 15. Juni 2022 um 11.36 Uhr war es dann soweit. Vor der Verkäuferin stand ein Schwarzafrikaner – knalloranger Pulli, gelbe Brille – und wollte das Paket abholen. Der Hinhalteversuch ging schief (sie müsse das Paket „erst suchen“). Der Mann roch Lunte und floh in Richtung Stadtmitte.
Polizeichef macht Verdächtigen selbst dingfest
Kein Problem für die Polizeiinspektion Vohenstrauß: Der Chef persönlich nahm den Mann fest. Mitten auf dem Marktplatz, vor dem Rathaus. Inspektionsleiter Martin Zehent und seine Kollegen waren gerade von einer größeren Durchsuchungsaktion zurück, als der aufgeregte Anruf der NKD-Verkäuferin einging. „Wir haben alles stehen und liegen gelassen und sind ausgerückt.“
Zehent und seine Kollegin waren in einem Zivilfahrzeug unterwegs. Bei der Fahndung überquerte der Verdächtige vor ihnen die Friedrichstraße. Zehent nahm ihn selber fest: „You are arrested.“ Verwechslungen waren ausgeschlossen. „Das wäre schon ein großer Zufall, wenn eine zweite Person in derselben Aufmachung unterwegs gewesen wäre.“
Staatsanwaltschaft geht von Bande aus
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte Teil einer Gruppierung ist. Staatsanwältin Benner: „Die Tätergruppe arbeitet mit mindestens drei oder vier Tätern, stimmt sich in Planungen und Vorgesprächen ab und alle halten über Mobiltelefone Verbindung zueinander.“
Grob gab der Nigerianer über seinen Anwalt Matthias Haberl Auskunft über die Organisation, der er angehöre. Die Chefs kenne er namentlich nicht, Sitz sei in Deutschland. Einen der Auftraggeber nannte er in einem Chat „Chef Duisburg“. Für die Abholaufträge sei er zunächst zum nächstgelegenen Bahnhof gerufen worden. Dort bekam er von einem Afrikaner den jeweiligen gefälschten Ausweis und die Adresse des Paketshops. Als Foto für den Ausweis verwendete man sein WhatsApp-Profilbild.
Nach Abholung habe er die Ware am Bahnhof diesem Mann wieder ausgehändigt. Als Entlohnung gab der Angeklagte 100 bis 200 Euro pro Auftrag an. Zur Organisation gehöre ein Hacker, der im Vorfeld die Accounts „hackte“.
Geständig: Straferwartung 3,5 bis 4,5 Jahre
Die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Peter Werner führte auf Wunsch von Anwalt Haberl ein Rechtsgespräch. Das Gericht stellte im Fall eines Geständnisses eine Strafe zwischen 3,5 und 4,5 Jahren in Aussicht. Per Verteidigererklärung erfolgte das Geständnis in allen 23 Fällen und in 7 Fällen des Versuchs, bei denen die Ware nicht zugestellt wurde.
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.
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