Gericht schickt WTW-Spanner hinter Gitter – Auch Nachbarinnen heimlich gefilmt

Weiden/Amberg. Das Schöffengericht Weiden schickt einen Handwerker (40) für 3 Jahre und 3 Monate in Haft. Er hatte 258 Badegäste in der WTW und im Kurfürstenbad nackt gefilmt. Hinter Gitter bringt ihn letztlich, dass er sich nachts heimlich ans Bett seiner Nachbarin schlich. Der 40-Jährige wurde nach der Urteilsverkündung noch im Gerichtssaal festgenommen.

Noch im Gerichtssaal nahmen Kripobeamte den verurteilten 40-Jährigen wieder in Haft. Im Hintergrund Staatsanwältin Sofie Huber. Foto: Christine Ascherl

Das Gericht setzt den Haftbefehl wieder in Vollzug, der am ersten Prozesstag Anfang November ausgesetzt worden war. Richter Hans-Jürgen Schnappauf macht keinen Hehl daraus, dass er zu Beginn des Prozesses eine bewährungsfähige Strafe (maximal 2 Jahre) für möglich gehalten habe. Immerhin saß der 40-Jährige schon fast ein Jahr in Untersuchungshaft.

Heimliche Besuche im Nachbarhaus: „Das ist nicht entschuldbar“

Am Donnerstag kommt es zum Kurswechsel. Das Schöffengericht sieht sich – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – das aufgenommene Videomaterial an. Im Urteil gegen 18 Uhr geht Schnappauf sogar noch über die Anklage hinaus. Zu Hausfriedensbruch, Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahme, Herstellen kinderpornografischer Inhalte kommt – neu – ein sexueller Übergriff hinzu.

„Was er sich da im Nachbarhaus geleistet hat, das ist nicht irgendwie harmlos. Das ist menschenverachtend, schändlich, erniedrigend“, sagt Schnappauf. Der Angeklagte habe jegliche Empathie vermissen lassen. Das Gericht wisse, wie extrem belastend es für Geschädigte sei, wenn jemand in ihrem Haus war. Der 40-Jährige sei mit einem hinterlegten Zweitschlüssel wiederholt in das Haus von Mutter und Tochter gegangen, als diese nicht Zuhause waren.

Mit „erheblicher krimineller Energie“ installierte er Kameras in Bad und Schlafzimmer, bohrte dafür sogar Löcher in die Decke. Seine Besuche steigerten sich zu dem sexuellen Übergriff, als er am Bett der schlafenden jungen Frau onanierte. „Das ist nicht entschuldbar.“ Er schlich sich über den Zeitraum von über einem Jahr immer wieder ins Nachbarhaus.

Das Gericht honoriere durchaus den finanziellen Ausgleich, den der Handwerker inzwischen an die Geschädigten überwiesen hat. Aber: „Kann man das mit Geld wirklich ausgleichen?“ Besonders die junge Frau werde wahrscheinlich ihr Leben lang mit diesem Geschehen konfrontiert sein, fürchtet Richter Schnappauf: „Ganz unbelastet und vorbei und vergessen wird das nie sein.“

Staatsanwältin von pädophilen Neigungen überzeugt

Staatsanwältin Sofie Huber plädiert zuvor auf 3 Jahre und 9 Monate Haft. Sie glaubt nicht an die Version, dass die Aufnahmen von nackten Kindern „Beifang“ waren. Der psychiatrische Sachverständige Dr. Thomas Lippert habe pädophile und hebephile Neigungen nicht ausgeschlossen. „Das Material lässt doch jeden Pädophilen vor Freude in die Luft springen.“ Die Ausrichtung der Kamera – einmal auch direkt auf den Wickeltisch – lasse für sie keinen anderen Schluss zu. Das Gericht folgt ihr letztlich in diesem Punkt.

Die Nachbarin lässt sich als Nebenklägerin von Anwalt Thomas Lößel vertreten. Das Video vom Bett der schlafenden Frau mit ihrem Freund zeigt aus seiner Sicht, wie verwerflich die Tat war: „Da liegt das Paar eng umschlungen und er steht fünf Zentimeter davor. Was wäre passiert, wenn da jemand aufwacht: Gibt es dann Mord und Totschlag?“

Verteidiger: „Blödsinn gemacht“

Verteidiger Engelbert Schedl bittet um eine möglichst geringe Haftstrafe nicht über zwei Jahre: „Der Angeklagte weiß, dass er Blödsinn gemacht hat.“ Er widerspricht dem Vorwurf der Herstellung von Kinder- und Jugendpornografie. Auf den Videos aus den Umkleiden sei aus seiner Sicht nichts Pornografisches zu sehen: „Badehose ausziehen, abtrocknen, anziehen.“

Schedl hat ein Zeugnis des JVA-Leiters dabei. Der lobt den Fleiß und die Höflichkeit des Angeklagten bei seiner Arbeit in der JVA-Küche. „Das habe ich noch nie erlebt, dass die JVA bereit war, ein Zeugnis zu schreiben.“ Der 40-Jährige sei ein fleißiger Mann, der sich noch nie etwas zu Schulden habe kommen lasse und schon früh geständig war. „Er ist eine Fachkraft, ein Top-Mann, solche Leute werden dringend gesucht.“ 

Unglücklicher Monolog als letztes Wort

Im „letzten Wort“ schildert der Angeklagte zehn Minuten lang seine Befindlichkeiten. Zu den Taten sei es gekommen, weil er nicht aus sich herauskönne: „Ich kann das nicht, mit Leuten Smalltalk machen.“ Kinderpornografie sei dabei nie seine Intention gewesen. Er spricht nur über sich. Über seine berufliche Situation, seinen Hausumbau, seine Schwierigkeiten mit der Bank, Materialprobleme durch Corona. Die Zeit in Untersuchungshaft habe ihn „extrem gezeichnet“. Das Schmerzensgeld belaste ihn finanziell stark. Nur in einem Satz erwähnt er die Opfer: „Es tut mir leid, nochmal. Ich möchte mich bei allen Geschädigten, auch bei allen, die es nicht wissen, entschuldigen.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Berufung und Revision sind noch möglich.

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Hans-Jürgen Schnappauf verurteilte am Donnerstag einen 40-Jährigen aus dem Landkreis Amberg-Sulzbach (im Bild mit Verteidiger Engelbert Schedl). Rechts die Anwälte der Nebenklage: Thomas Lößel (rechts) und Philipp Schulz-Merkel. Foto: Christine Ascherl

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