„Geiselnahme im Gefängnis“: Polizei und JVA proben Ernstfall
Weiden. Justizvollzugsanstalt und Polizei proben am Mittwoch den Ernstfall am Almesbacher Weg. Sie bewältigen eine fiktive Geiselnahme im Gefängnis. Mit Video von David Trott.

Mittwoch, 8.30 Uhr. An der Pforte der Justizvollzugsanstalt geht ein Anruf ein. Es ist der Anschluss im Krankenzimmer. Ein Gefangener ist dran. Er und sein Mitinsasse haben zwei Geiseln in ihrer Gewalt. Einen Krankenpfleger und eine Psychologin, die sie mit einem spitzen Gegenstand bedrohen. Die Häftlinge fordern freies Geleit.
Das ist das Ausgangsszenario einer Großübung, die am Mittwochvormittag den Almesbacher Weg in einen Ausnahmezustand versetzt. Ziel: „Die Führungs- und Handlungskompetenz der Einsatzkräfte bei derartigen Einsatzlagen zu stärken und den sicheren Umgang mit den Einsatzmitteln möglichst praxisnah zu erproben“, kündigt Präsidiumssprecher Claus Feldmeier an.
Beachtlicher Fuhrpark trifft ein
In den Folgestunden bekommen die Nachbarn der JVA ganz schön was zu sehen. Auf den ersten Streifenwagen der Inspektion Weiden folgen Einsatzfahrzeug um Einsatzfahrzeug. Beamte der Inspektion, der Kripo, der Verkehrspolizei. Die Verhandlungsgruppe – speziell ausgebildete Beamte – wird gerufen. Spezialeinheiten aus Nürnberg rollen an. Prominenz aus dem Präsidium trifft ein: Leitender Polizeidirektor Klaus Müller, Leiter des Sachgebiets II, ist Einsatzleiter. Übungsleiter vor Ort ist stellvertretender Dienstgruppenleiter Thomas Bäuml von der PI Weiden.
9 Uhr. Der Leitende Oberstaatsanwalt Bernhard Voit ist da. Auch er wird zur Besprechung ins Freigängerhaus geholt. Wenig später sieht man ihn telefonieren: Die (erfundenen) Personalien der Täter sind bekannt. 25 und 32 Jahre alt, Geburtsorte, Aktenzeichen. Voit recherchiert alte Verurteilungen, mögliche psychiatrische Auffälligkeiten und macht schon mal den Ermittlungsrichter startklar.
30-Kilo-Monturen bei 30 Grad
Rädchen greift in Rädchen. Harald Bäumler, Abteilungsleiter der JVA Weiden, druckt Lagepläne seines Gefängnisses für die Spezialkräfte aus. Vor der Gefängnismauer loten sie Zugriffsmöglichkeiten aus. Man will sich gar nicht ausmalen, wie sich die SEKler fühlen. In ihren 30 Kilo schweren Monturen bei 30 Grad in schwüler Hitze. Mit einer Hebebühne manövriert ein JVA-Mitarbeiter einen Scharfschützen aufs Dach. Er bezieht Stellung.
9.20 Uhr. Von drinnen gibt es für die Pressevertreter nur Videos zu sehen, gedreht vom PI-Sprecher Mario Schieder. Der Geiselnehmer brüllt ins Telefon, fordert das Herbeibringen seiner Ex-Freundin: „Sabine soll kommen. Sonst wird’s hier ungemütlich. Die Psychologin macht es nicht mehr lang.“ Rechts hält der Hörer, links hat er eine jammernde Blondine im Schwitzkasten. Alle Schauspieler sind Polizeibeamte des Einsatzzuges aus Amberg. Sie spielen ihre Rollen Oscar-reif.
Fluchtfahrzeug vorbereitet
10.16 Uhr. Es wird verhandelt. Die Zeit verstreicht. Gut so. Alles braucht seine Zeit, muss wohl durchdacht sein. Die Krankenstation eignet sich nicht für den Zugriff, sie hat nur eine Tür, der Raum ist viel zu eng. Mit der Aussicht auf ein Fluchtfahrzeug sollen die Geiselnehmer in den Hof gelockt werden. Jürgen Strauß, PI Weiden, hat für den Zugriff extra einen schrottreifen VW Polo bei Bergler aufgetrieben, der schon bereit steht. Am Ende wählen die Entscheider trotzdem einen schwarzen Mercedes der SE.
Um 11.27 Uhr die Erlösung. Das Tor der JVA öffnet sich. Der Mercedes rollt hinein. Die Mauern schließen sich. Und dann ist für die Medien wieder Schicht im Schacht. Man hört Schreie, vielleicht einen gedämpften Schuss, irgendwas fällt auf die Hupe. Nach wenigen Minuten schieben sich die Tore auf. Geiselnahme beendet. Übung abgeschlossen. Der Vollständigkeit halber fährt noch die Kripo auf den Hof. Gäbe es jetzt echte Täter, würde ihre Arbeit beginnen.
Für 110 Häftlinge ein freier Vormittag
So aber gibt’s für die Geiselnehmer eine Zitronenlimo und viel Lob für die schauspielerische Leistung. Ohnehin: Das erste Resümee fällt durchaus positiv aus. Die Geiselnahme konnte ohne Verletzte und noch vor der Zeit beendet werden. „Die Übung an sich hat reibungslos funktioniert“, sagt Leitender Polizeidirektor Müller. Er dankt der Bevölkerung für die Geduld bei den Straßensperrungen. „Für uns war vorrangig, dass wir unsere Konzeption und Logistik überprüfen.“
Roland Retzbach, JVA-Leiter von Amberg und damit auch von Weiden, verweist auf Straubing, wo es 2009 zur Geiselnahme einer Psychologin gekommen war. Auch für die Gefängnismitarbeiter sei die Übung am Mittwoch absolut sinnvoll gewesen. „Aus jeder Übung kann man Verbesserungen ableiten.“ Den 110 Häftlingen bescherte der Alarm einen freien Tag. Sie waren eigentlich schon zur Arbeit ausgerückt, als der „Ernstfall“ eintrat und verbrachten den Vormittag in ihren Zellen.
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