„Extrawurst“ auf der Luisenburg: Mehr als nur Theater

Wunsiedel. Das Buffet und damit der gemütliche Teil des Abends müssen warten: Eine vermeintlich unspektakuläre Entscheidung steht beim Provinz-Tennis-Verein noch auf der Agenda. Die hat es aber in sich, wie die Konzertdirektion Landgraf/Euro-Studio mit dem Gastspiel „Extrawurst“ auf der LuisenburgBühne in Wunsiedel deutlich macht.

Allerlei Diskussionen entfachen sich im Tennisclub – auch wenn es
vermeintlich nur um einen Grill geht. Foto: Holger Stiegler
Allerlei Diskussionen entfachen sich im Tennisclub – auch wenn es vermeintlich nur um einen Grill geht. Foto: Holger Stiegler
Rationale Argumente zählen wenig, vermeintliche Beweise auf dem
Handy entpuppen sich als subjektiv Wahrgenommenes. Foto: Holger Stiegler
Rationale Argumente zählen wenig, vermeintliche Beweise auf dem Handy entpuppen sich als subjektiv Wahrgenommenes. Foto: Holger Stiegler
TV-Star Gerd Silberbauer kehrt nach vielen Jahren wieder auf die
Luisenburg-Bühne zurück. Foto: Holger Stiegler
TV-Star Gerd Silberbauer kehrt nach vielen Jahren wieder auf die Luisenburg-Bühne zurück. Foto: Holger Stiegler

Neben den Eigenproduktionen hatten sich die Verantwortlichen der Luisenburg-Festspiele in der laufenden Saison für ein Gastspiel entschieden, das insgesamt dreimal auf die Bühne gebracht wird. Die Premiere von „Extrawurst“ am vergangenen Dienstagabend macht klar, dass auch hier der Besuch absolut lohnenswert ist.

Rückkehr für Gerd Silberbauer

Für einen der Protagonisten des Stückes ist der Auftritt auch eine Art „Rückkehr“: TV-Star Gerd Silberbauer, berühmt geworden als Hauptkommissar Arthur Brauner in der Serie „SOKO 5113/SOKO München“ von 2008 bis 2020, steht wieder einmal auf der Bühne, wo er in den 1990er und 2000er Jahren bereits große Erfolge feierte – beispielsweise als Wilhelm Tell, als Graf von Monte Christo und auch in „Sommernachtstraum“. Um ihn herum ein ausgezeichnetes Ensemble, das unter der Regie von Frank Matthus aus dem Stück von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob ein echtes Theatererlebnis macht.

Vordergründig geht es in dem Stück um die Anschaffung eines neuen Grills für den Tennisverein. Doch die Frage nach einem Essensregeln-konformen, eigenen – und damit weiteren – Grill für das einzige muslimische Mitglied mit türkischer Abstammung versetzt die Vereinsseele in Aufruhr. Es entstehen heiße und hitzige Diskussionen, die für einen Seelen- und Gedankenstriptease der fünf Akteure auf der Bühne sorgen. Das Innerste wird nach außen gekehrt, ein Vorurteil jagt das andere, vielen gesellschaftlichen Diskussionen wird der Spiegel vorgehalten. Dass sich der Verein dabei mehr oder weniger selbst zerlegt, wird einerseits mit viel Humor und Komik serviert, lässt aber den Zuschauer das ein oder andere Mal das Lachen doch auch einfrieren.

Droht eine Islamisierung des Tennisvereins?

Wenn Vorsitzender Heribert (Gerd Silberbauer) immer wieder an das sportliche Ideal „Fairplay!“ erinnert, während sein Vize Matthias (Daniel Pietzuch) eine drohende Islamisierung des Tennisvereins am Horizont heraufkommen sieht, dann ist das hervorragend in Szene gesetzt. Und gleichzeitig doch auch ernüchternd: Empörung mischt sich mit verdeckten Ressentiments und steigert sich zum eiskalten Rassismus – Hitler-, Putin- und Erdogan-Vergleiche inklusive. Die Realität abseits der Bühne lässt (leider) grüßen. Jörg Pauly übernimmt die Rolle des Anwaltes Erol Oturan, an dem sich die „Grill-Frage“ entzündet. Susanne Thiel mimt Melanie Pfaff, Doppel-Partnerin des türkischstämmigen Vereinsmitglieds, und Hans Machowiak agiert als Werbetexter Torsten Pfaff, dem in Sachen Zynismus niemand etwas vormachen kann.

Dass die Ensembleleistung mit „Standing Ovations“ gewürdigt wird, ist mehr als gerechtfertigt: Mit ihrem Spiel lassen sie vermeintliche Grenzen verschwimmen – zwischen „links“ und „rechts“, zwischen „tolerant und intolerant“, zwischen „religiös“ und „atheistisch“, ja sogar zwischen „Vegetarier“ und „Flexitarier“. Ob sich das Problem lösen lässt? Zwei Chancen gibt es noch, dies herauszufinden: Das Ensemble gastiert nämlich am 5. und am 18. August nochmals auf der Luisenburg Bühne. Beginn ist jeweils um 20.30 Uhr.

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