Eskalation in Mietshaus: Ehepaar verprügelt Nachbarin
Weiden. Ein Ehepaar aus Tirschenreuth soll eine Nachbarin überfallen und verprügelt haben. Die 53 Jahre alte Frau und ihr Mann (52) stehen nicht zum ersten Mal vor Gericht. Beide haben Knast-Erfahrung.

Nein, in diesem Mehrfamilienhaus in Tirschenreuth möchte man nicht wohnen. Selbst vor Gericht ist die Stimmung angeheizt. Die Angeklagte giftet „in einer Tour“ in Richtung der Geschädigten. Sogar Verteidiger Bernd Ostheimer wird es irgendwann zu viel: „Jetzt halten Sie endlich mal Ihren Mund.“ In den Pausen auf dem Gang gibt sie lautstarke Kostproben ihres Temperaments.
Überfall nach Zoiglnachmittag
Die 53 Jahre alte Frau aus Tirschenreuth und ihr Mann (52) sollen einer Nachbarin das Leben zur Hölle machen. Sobald diese die Wohnung verlässt, muss sie sich alle möglichen Namen geben lassen. Die 45-jährige Packerin hat keine Erklärung für den Hass. Vor 16 Jahren ist sie eingezogen. Seit 16 Jahren gibt es Ärger. Zuletzt unterstellten ihr die Eheleute eine Affäre mit ihrem Sohn. „Völliger Blödsinn.“
Am Tag der Tat im November 2021 fand die alleinlebende 45-Jährige zunächst einen anonymen Brief im Postkasten, der betreffs Inhalt und Rechtschreibung auf das arbeitslose Ehepaar hinwies. Man schimpfte sie eine „dreckige Hure“. Den freien Nachmittag verbrachte die Packerin mit einem Nachbarn (63) in einer Zoiglwirtschaft, erzählte ihm vom Brief. Sie hatte da schon eine üble Vorahnung, erzählt der gute Freund.
Verletzungen an Auge und Nase
Zurück in der Wohnung kam es am Abend tatsächlich zum Überfall. Die 45-Jährige saß vor dem Fernseher, als sie laute Geräusche an ihrer Tür hörte: Das Nachbarehepaar trat die Tür ein. Für einen Anruf bei der Polizei blieb keine Zeit mehr. Sie lief zur Tür und versuchte, sie zuzuhalten. „Da wurde schon auf mich eingeschlagen.“ Sie habe sich auf dem Boden zusammengerollt und versucht, ihren Kopf zu schützen. Sie könne daher auch nicht zuordnen, wer sie traf.
Die 45-Jährige erlitt erhebliche Verletzungen: eine Naseneinprellung, ein blaues Auge und eine Verletzung an der Hornhaut des Auges. Noch in der Nacht wurde sie vom Krankenhaus Tirschenreuth zu Augenexperten in die Uniklinik Regensburg gebracht. Sie konnte drei Wochen nicht richtig sehen. Inzwischen ist alles abgeheilt. Was bleibt, ist die Angst: „Ich gehe nicht mehr allein vor die Tür.“
Dem befreundeten Nachbar (63) tut die Frau leid. „Das geht seit Jahren so, laufend.“ Er lässt keinen Zweifel, wer am Dauerstreit die Schuld trägt: „Der Aggressor ist immer die Angeklagte.“ Ein inzwischen pensionierter Polizeibeamter beschreibt dem Gericht die eingetretene Tür: „ausgespreißelt“. Zudem habe er in seiner Laufbahn selten ein derart blutunterlaufenes Auge gesehen.
Gericht beschließt psychiatrische Untersuchung
Beide Eheleute sind erheblich vorbestraft und haben mehrere Haftstrafen verbüßt. Für den Überfall auf die Nachbarn verhängte das Amtsgericht Tirschenreuth 2022 in erster Instanz wieder eine Gefängnisstrafe – ohne Bewährung. Grund sei eine schlechte Sozialprognose: „Das Leben der beiden kann nicht als sozial eingeordnet bezeichnet werden.“ Das Urteil lautete auf 1 Jahr und 4 Monate bzw. 1 Jahr und 2 Monate wegen gefährlicher Körperverletzung und Hausfriedensbruch.
Dagegen wollen die beiden Angeklagten in der Berufungsverhandlung am gestrigen Mittwoch am Landgericht Weiden vorgehen. Die Frau verweigert die Aussage, um ihren Mann nicht belasten zu müssen. Der Mann schildert die Attacke anders als angeklagt: Niemals habe man die Tür eingetreten; er habe die Nachbarin auch nicht verprügelt, sondern nur „gepackt und hingeschmissen“, weil diese seine Frau an den Haaren gerissen habe.
Der Berufungskammer unter Vorsitz von Florian Bauer fällt während der Verhandlung das hohe Aggressionspotenzial der 53-Jährigen auf. Für diese Wut gebe es zudem „real keine Anknüpfungspunkte“. Beschluss des Gerichts: Psychiater Dr. Bruno Rieder, Landgerichtsarzt in Weiden, soll sich die Frau ansehen. Er soll auch die Voraussetzungen einer Unterbringung in der Psychiatrie (Paragraf 64) prüfen. Wenn das passiert, sitzt sie dort womöglich länger, als es in Haft der Fall gewesen wäre.
Annäherungsverbot bleibt ohne Wirkung
Die Verhandlung wird bis zur Fertigstellung des Gutachtens ausgesetzt. Für die Geschädigte und ihren befreundeten Nachbarn geht der tägliche Horror indessen weiter. Auch nach der ersten Verurteilung am Amtsgericht Tirschenreuth im Oktober 2022 gingen die Angeklagten nicht vom Gas. Die 45-Jährige berichtet von anhaltenden Beschimpfungen und Bedrohungen.
Sie habe ein Annäherungsverbot erwirkt, das gebrochen wurde. Mehrfach habe sie weitere Anzeigen bei der Polizei erstattet, die aber inzwischen „sehr genervt“ sei. Ein neues Annäherungsverbot hat die Packerin nicht beantragt: „Das hat ja eh nichts gebracht.“ Wegziehen könne sie nicht: „Ich verdiene jetzt nicht so viel. Diese Wohnung kann ich mir leisten.“
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