Drei Jahre danach: Corona-Grenzkontrolle beschäftigt Landgericht Weiden

Weiden/Bärnau. Vor über drei Jahren soll eine inzwischen 61-Jährige eine Grenzkontrolle zur Pandemie-Zeit durchbrochen haben. Ein Bundespolizist musste sich nach eigenen Angaben in Bärnau durch einen Schritt nach hinten in Sicherheit bringen, um von dem BMW nicht touchiert zu werden.

Das THW richtete im Februar 2021 eine Kontrollstelle am Grenzübergang Bärnau zur tschechischen Republik ein. Hier kam es im März 2021 zu dem folgenschweren Zwischenfall. Foto: THW, Andreas Duschner

In diesen Tagen wird das Berufungsverfahren gegen die 61-Jährige am Landgericht Weiden verhandelt. In erster Instanz war sie im August 2022 vom Amtsgericht Weiden u. a. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen worden. Strafmaß: zehn Monate Haft auf Bewährung. Sie ging in Berufung, die jetzt verhandelt wird.

Am ersten Verhandlungstag hatte die Berufungskammer sechs von sieben Tatkomplexen eingestellt. Dabei handelte es sich in erster Linie um das Beleidigen und Filmen von Polizeibeamten („Nazis“, „Schwachköpfe“). Geschehen war dies jeweils bei und nach ihren Protesten gegen Corona-Maßnahmen in der Fußgängerzone in Weiden 2021. Die Einstellungen erfolgten nach Paragraf 154 der Strafprozessordnung (wenn die Strafen neben der erwarteten Strafe nicht ins Gewicht fallen). Übrig ist aktuell nur die Fahrt in Bärnau.

Lektüre im Sitzungssaal: „Klartext“

Die 61-Jährige verteidigt sich vor der Berufungskammer selbst. Auch am zweiten Prozesstag bleibt sie während der Verhandlung vor Richter Dr. Marco Heß und den Schöffen stehen. Mit verschränkten Armen. Sie setzt sich nicht. Sie will auch nicht als „Angeklagte“ bezeichnet werden. Hinter sich auf dem Tisch hat sie ihre Beweisanträge ausgebreitet, von denen sie am Ende fünf stellt.

Begleitet wird die Frau von mehreren Bekannten. Sie alle sind überzeugt davon, die wahren Hintergründe hinter Deutschland und der Welt zu sehen. Im Sitzungssaal wird in der Zeitung „Klartext“ geblättert, einer Zeitung, die auf ihrer Homepage solche Sätze verbreitet: „Den Leuten hängt der Dünnschiss dieser unfähigen Bande von semidebilen Polit- und Wirtschaftsgockeln aus Berlin, Brüssel und Davos zum Halse raus.“

Zentrales Beweismittel: ein Handy-Video

Im Blickpunkt steht am Dienstag ein Video, das die Angeklagte selbst mit ihrem Handy aufgenommen hat. Es entstand im März 2021 gegen 22 Uhr am Grenzübergang Bärnau. Bundespolizisten wollten die Unternehmerin bei der Ausreise kontrollieren. Sie hat einen Wohnsitz in Tschechien. Sie hielt zunächst an, „brach dann aber durch“, wie der Bundespolizist sagt. Angeklagt war der Vorfall als versuchte Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Der damalige Beamte (27), inzwischen am Flughafen München tätig, wird am Montag als Zeuge gehört. Eigentlich kontrollierten die Beamten während der Pandemie nur die Einreise.  In diesem Fall sei aber ein Auto bei der Ausreise auffällig gewesen, da es sehr schnell in die Kontrollstelle einfuhr. Die Fahrbahn war künstlich verengt worden. Es kam zum Rückstau, in dem in der Folge die 61-jährige Angeklagte mit ihrem BMW warten musste.

Bundespolizist: „Sie brach durch Kontrolle“

„Sie filmte bereits die Kontrolle“, sagt der Bundespolizist. Aus diesem Grund habe man die Identität der Fahrerin feststellen wollen und sie gebeten, links ran zufahren. „Sie fuhr dort hin. Aber als es dann Richtung Kontrollsituation ging, beschleunigte sie und trat die Flucht in Richtung Tschechien an.“ Er habe links vorne an der Fahrerseite gestanden, als sie „durchgebrochen ist“.

Im Gerichtssaal wird das Video abgespielt. Es zeigt, wie die Fahrerin zunächst auf Bitten des Polizeibeamten links an den Straßenrand fährt. Dann kurbelt sie an ihrem Lenkrad und gibt hörbar Gas. Der Polizist ist im Video nicht zu sehen. Er hat die Situation als gefährlich in Erinnerung: „Ich hatte schon das Gefühl, dass sie in Kauf genommen hat, mich zu touchieren. In meiner Erinnerung gehe ich einen Schritt zurück, um auszuweichen.“

Fünf Beweisanträge, ein Befangenheitsantrag

Die Angeklagte stellt am Dienstag fünf Beweisanträge, über die jetzt entschieden werden muss. Unter anderem will sie, dass das Video in seiner vollen Länge von acht Minuten gezeigt wird. Es wurde 2022 bereits am Amtsgericht gezeigt: Zu hören ist eine minutenlange Diskussion mit den Polizeibeamten, ob sie nun ihren Ausweis vorzeigt oder nicht. Sie zweifelt an, ob sie als Ausreisende überhaupt kontrolliert werden dürfe.

Die 61-Jährige fordert zudem ein verkehrsanalytisches Gutachten des Videos: „Für jeden Popel werden heutzutage Gutachter hinzugezogen. Und hier geht es um den Vorwurf einer schweren Straftat.“ Dem Bundespolizisten wirft sie uneidliche Falschaussage vor. Sie zweifelt an, dass die Kontrolle noch auf deutschem Staatsgebiet stattfand. Und dass die beteiligten Polizeimeisteranwärter ihre Papiere fordern durften. „Das sind keine Vollzugsbeamte.“

Richter Heß sammelt die Anträge mit bemerkenswerter Geduld ein. Nur gelegentlich muss er am Dienstag ihren Redefluss stoppen: „Prinzipiell wissen Sie ja auch, dass Sie das Wort haben, wenn ich es Ihnen erteile.“ Staatsanwalt Thomas Wosch hat nun Gelegenheit, Stellung zu den Beweisanträgen zu nehmen. Das Verfahren wird am nächsten Montag, 9 Uhr, fortgesetzt. Dann wird über die Anträge entschieden. Zudem wird ein Richter des Landgerichts über einen Befangenheitsantrag gegen Richter Heß entscheiden.

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