Bezahlbare Energiewende: Professor Brautsch und die Zieglers tüfteln am Strom-Bilanzkreis für die Nordoberpfalz
Plößberg. Alle reden über die dezentrale Energiewende. OTH-Professor Markus Brautsch sowie die Familienunternehmer Matthias und Josef Ziegler setzen sie bereits um. Ihre Regional Energie GmbH schafft ein regionales Netzwerk mit minimalen Umwelteingriffen bei maximaler Wertschöpfung.

Den ersten Aufschlag machte das neue Unternehmen Regional Energie GmbH bei der Bürgermeisterkonferenz des Landkreises Tirschenreuth im Juli. Regionale Energie aus der Region für die Region ist die Zielsetzung eines namhaften Quartetts mit OTH-Energie-Papst Professor Markus Brautsch.
Dazu gesellen sich die beiden Geschäftsführer Matthias Ziegler, Chef des Erdenwerks, das in Stein auch Holzpellets und Holzbriketts herstellt, und Josef Ziegler, der künftig das Sägewerk in Stein mit einem Mix aus Photovoltaik- und Biomasse-Anlagen nahezu autark machen will. Mit von der Partie ist außerdem Südwerk-Chef Manuel Zeller Bosse, Spezialist für Solarparks.
Der kommunale Energieberater
Markus Brautsch hat mit dem Institut für Energietechnik (IfE) an der OTH Amberg-Weiden in den vergangenen zehn Jahren über 500 Kommunen bei der Realisierung der Energiewende betreut: „Viele kommen nicht in die Umsetzung, weil es an der Akzeptanz fehlt“, sagt der OTH-Professor. Da sei die Kooperation zweier starker regionaler Akteure hilfreich.
„Die Energiewende muss mit Beteiligung der Bürger geschafft werden“, sagt Brautsch. Wohlgemerkt: Nicht nur Strom, Energie ist gefragt. „Wir streben langfristige Betreibermodelle in der Region und den Ausbau der Sektorentkoppelung von Photovoltaik, Windkraft und Biomasse an.“ Und da seien Josef und Matthias Ziegler ideale Praktiker: „Wir leben hier in der Region“, sagt Josef Ziegler, „anders als ein externer Investor sind wir vor Ort greifbar.“
„Günstige Energie geht nur regional.“ Professor Markus Brautsch
„Günstige Energie geht nur regional“, sagt Brautsch. Zukauf von Strom außerhalb der Region sei teuer, die Lösung seien Strom-Bilanzkreise mit möglichst hohem regionalen Erzeugungsanteil. „Je mehr Strom vor Ort produziert wird, desto billiger wird er am Ende.“ Den sollen vor allem Solarparks auf den bestgeeigneten Flächen liefern. Kriterien sind:
- Möglichst wenig wertvolles Ackerland verbrauchen,
- schwer einsehbares Gelände verwenden und
- Einspeisepunkte in Reichweite berücksichtigen.
Wie sieht das in der Praxis aus? „Wir haben bereits angefangen“, sagt Energietechnik-Ingenieur Brautsch. In Plößberg entsteht gerade ein Photovoltaik-Kraftwerk mit Batteriespeichersystemen, das die Ziegler-Firmen mit Eigenstrom versorgt. In Lengenfeld und Falkenberg gehen weitere Solarparks in die Planung. Die Regional Energie GmbH tritt dabei nicht als externer Investor, sondern als Teilhaber auf: „Vor Ort wird in der Gemeinde eine Firma gegründet“, erklärt Josef Ziegler. „Eine GmbH & Co. KG, an der sich zusammen mit der Gemeinde Bürger und Unternehmer beteiligen können. Zusätzlich können sich Bürger über Genossenschaften mit kleinen Beträgen direkt beteiligen.“
Blaupause für die ganze Region
Wie kommt es zur Zusammenarbeit des OTH-Professors mit den Plößberger Unternehmern? „Was die Zieglers hier machen, ist die Blaupause für die ganze Region“, erklärt Brautsch. „Wir an der Hochschule simulieren so etwas, aber hier existiert das ja bereits wirklich.“ Von Projekten mit Konzernen weiß Brautsch: „Da gibt es lange Entscheidungswege, hier wird das gemacht, was besprochen wurde.“ Und Zieglers Energieversorgung arbeite bereits mit beeindruckenden Parametern: „Das hier ist ja kein Einfamilienhaus“, zeigt er am Gelände von Josef Zieglers Sägewerks auf gewaltige Stromfresser.
Am Rechner veranschaulicht Josef Ziegler im Live-Zugriff, aus welchen Quellen die Maschinen mit Energie versorgt werden: „Wenn viel Wind geht, kann ich die Batterien vollmachen und in der Früh gleich wieder entladen – da läuft der Betrieb zwei, drei Stunden nur über den Speicher.“ Ein unscheinbarer Bauwagen auf seinem Firmengelände birgt ein ungeahntes Geheimnis: Innen stapeln sich wie in der Serverfarm eines Datenbankzentrums Batterien über Batterien. „Batteriespeicher werden immer wichtiger“, erklärt Matthias Ziegler. „Der hier lädt mit 2000 oder 3000 kW, pro Stunde kann er 2000 kW ein- oder ausladen.“
So funktioniert das Strom-Bilanzkreis-Modell
Am Bildschirm lässt sich in Echtzeit ablesen, welche Energiequellen gerade Strom einspeisen: Das Blockheizkraftwerk steuert an diesem Nachmittag gerade 1016 kW, die Photovoltaikanlage 659 kW, der Speicher 701 kW bei – aus dem Netz bezieht Ziegler 1110 kW, die in den aktuellen Werksverbrauch von 2272 kW fließen. „Wir fahren das Netz mit Hochlastzeitfenster“, erklärt Josef Ziegler. „Man muss in bestimmten Zeiten einspeisen, wenn alle viel Strom brauchen, und Strom entnehmen, wenn er günstig ist.“ Die Daten von der Leipziger Strombörse prognostizieren den Preis für die nächsten 24 Stunden: „An manchen Tagen kann der ins Minus rutschen, dann bekommt man noch Geld für den Strom.“
So könnte der Bilanzkreis auch im Großen aussehen: Schon jetzt zeigt das Schaubild ein komplexes Netzwerk mit PV, Holzvergaser, ein Biogas-Kraftwerk kommt noch hinzu und der Batteriespeicher gleicht Schwankungen aus. „Besonders effektiv wird es, wenn nicht jeder seinen eigenen Mikrokosmos aufbaut, sondern wir zusammen einen regionalen Bilanzkreis aufbauen“, sagt Matthias Ziegler. „Das Strom-Bilanzkreis-Modell bevorzugt unsere Energie aus der Region – wenn nicht genügend da ist, kauft man Strom von der Börse, wenn er am günstigsten ist.“ Überschüssigen eigenen Strom könne man vermarkten.
Voraussetzung: kategorische Entbürokratisierung
Bis zu einer großen, Nordoberpfälzer Lösung wird aber noch viel Strom über den Ostbayernring fließen. „Die bereits laufenden Aufstellungsbeschlüsse von 200 MW sind schon eine gigantische Energiewende“, sagt Brautsch. „Das reicht aber bei weitem noch nicht aus, um Strom, Wärme, und Mobilität zu decken.“ Wenn Bayern wie angekündigt bis 2040 klimaneutral sein will, müssten sich zumindest die Flächenlandkreise mit eigenen erneuerbaren Energien versorgen können: „Wenn das ein ländliches Gebiet nicht schafft, wie soll das dann bei Metropolen funktionieren?“ Die Landkreise müssten ein Vielfaches der Energie produzieren: „Das muss das Ziel sein.“
Dabei ziehe sich die Bauleitplanung bis zu vier Jahre hin, kritisiert Brautsch. Was muss passieren? „Wir brauchen eine kategorische Entbürokratisierung der Genehmigungsverfahren – wie da im Bereich PV, Wind und Wasser gebremst wird, ist der Wahnsinn.“ Auf ein Vogelgutachten müssen man ein Jahr warten, sagt Matthias Ziegler. „Und für jedes Feldlerchenpaar braucht man Ausgleichsflächen – diese Gutachten halten nicht nur auf, die machen Projekte auch unwirtschaftlich.“
Fünf Jahre für eine Zertifizierung
Josef Ziegler kann ein Lied davon singen: „Wir sind nach fünf Jahren gerade mit der Zertifizierung fertig.“ Man habe dazu Wechselrichter auswechseln müssen. „Das war eine riesige Aktion, allein ein Einzelzertifikat kostet 200.000 Euro.“ Das Stadtwerk Haßfurth musste eine EEG-Abgabe zahlen, weil es Strom aus dem eigenen Windpark entnahm: „Das kann es nicht sein“, ärgert sich Brautsch. „Und wenn die Krankenhauskantine oder der Getränkeautomat von einer Fremdfirma betrieben wird, musste der Strom als Drittstrom abgegrenzt werden – solche Bürokratiemonster stehen uns massiv im Weg.“
Der Aufwand für die technische Realisierung betrage nur 60 bis 70 Prozent: „Der Rest sind Bürokratiekosten.“ Immerhin gingen die jüngsten Vorschläge zur Entbürokratisierung gerade für Photovoltaikanlagen in die richtige Richtung. Dass Deutschland es auch besser könne, habe trotz aller Verschlimmbesserungen der vergangenen Jahre das EEG gezeigt: „Letztendlich haben es uns 27 Länder nachgemacht“, sagt Brautsch, „das war schon ein cleverer Mechanismus.“
Energie aus der Region für die Region
- Vision: Günstiger Strom für Bürger und Unternehmen, saubere Umwelt und maximale Wertschöpfung zum Wohle aller vor Ort.
- Die Macher: Matthias und Josef Ziegler (beide Geschäftsführer), Manuel Zeller Bosse (Südwerk PV-Freianlagen), Professor Markus Brautsch (das IfE-Institut an der OTH Amberg-Weiden berät mit 80 Wissenschaftlern über 500 Gemeinden und Unternehmen in Bayern).
- Leistungen aus einer Hand: Beratung und Planung, Realisierung und Verwaltung der Projekte in den einzelnen Gemeinden, Betriebsführung (technisch, kaufmännisch), Stromvermarktung, Innovative Energielösungen.
- Organisationsform vor Ort: Bürgergenossenschaften mit kommunaler Beteiligung.
- Realisierung: GIS-Analyse schafft Überblick über Flächen, die unter Berücksichtigung definierter Ausschlusskriterien (z.B. kein Ackerland, kein einsehbares Gelände) infrage kommen.
- Technische Planung und Bauleitplanung sowie Anlagenbau.
- Betriebsführung und Abrechnung: Technische Überwachung der Anlagen, Wartung und Reparatur, Stromvermarktung, Buchhaltung, Controlling.
- Innovative Fortentwicklung: Speicher, Wasserstoff, Sektorenkopplung.
- Referenzprojekte: Photovoltaik Plößberg mit 45 MWp, Akkuprojekt, Bauleitplanung, Eigenstromversorgung für Josef Ziegler GmbH, Eigenstromversorgung für Gregor Ziegler GmbH; Photovoltaik Tirschenreuth-Lengenfeld 20 MWp, Vorplanung; Photovoltaik Falkenberg 20 MWp, Aufstellungsbeschluss.
- Kontakt: Regional Energie GmbH, Stein 7a, Plößberg, E-Mail: info@regional-energie.bayern
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