Automatensprenger: Im 600-PS-Audi zum Tatort, im Fiat 500 nach Hause
Bamberg/Luhe. Alles wieder auf Null. Am Montag beginnt in Bamberg der Prozess gegen 16 mutmaßliche Automatensprenger. Sie sollen auch für die Detonationen in Bankfilialen in Luhe und Wiesau verantwortlich gewesen sein.

Der Prozess gegen 16 Angeklagte aus den Niederlanden und Belgien hatte im April schon einmal begonnen. Da kam die Strafkammer allerdings nicht über die Aufnahme der Personalien hinaus. Verteidiger rügten erfolgreich, dass sie Beweismaterial erst spät bekommen hatten. Das Verfahren wurde ausgesetzt.
Jetzt geht alles wieder vorne los. Der Aufwand ist enorm. Die Bundespolizei hat ihre John-F.-Kennedy-Halle in Bamberg frei gemacht. Aufgrund der vielen Angeklagten plus 38 Anwälten findet der Prozess auf dem Ausbildungsgelände der Bundespolizei statt. Die 16 Angeklagten müssen in einer Sternfahrt aus Gefängnissen in ganz Bayern heran gekarrt werden. Auch in der JVA Weiden sitzt ein Beschuldigter, der von der Polizei Weiden vorgeführt wird.
Die 16 Angeklagten lebten vor der Festnahme in den Niederlanden und Belgien. Sieben Staatsangehörigkeiten sind vertreten: sieben Niederländer, drei Afghanen, drei Marokkaner, zwei Rumänen und ein Türke. Ihre Berufe gaben sie vor Gericht mit Reinigungskräften, Automechaniker und Krankenpfleger an. Allein 13 Männer sind Geburtsjahrgang 1993 bis 1997, also um die 30 Jahre alt. Der Jüngste ist ein 2000er, der älteste 1981 geboren.
Nach Hause im Kleinwagen
Die Anklage der Staatsanwaltschaft Bamberg enthält viele interessante Details. Eines ist sogar ganz lustig: Zu den Tatorten in ganz Deutschland fuhren die Automatensprenger immer in schwarzen Audi RS 6 (600 PS). Die Taten dauerten nur wenige Minuten. Dann ging es mit Vollgas auf der Autobahn zurück über die deutsch-niederländische Grenze. Manchmal sogar ohne Licht, gesteuert per Nachtsichtgerät. Mehrere Male wurden die Täter geblitzt.
Stützpunkt der Bande war eine Garage in Roermond, mit einer Werkstatt als Tarnung. Ein Täter machte das Rolltor auf, der Audi RS 6 rollte hinein. Das Auto wurde gereinigt, die Beute verpackt. Nach Hause ging es dann in weit unauffälligeren Fahrzeugen, darunter ein Fiat 500 und ein Citroën C1.
Die Tat von Luhe
31 Fälle aus ganz Deutschland sind in Bamberg angeklagt. Die Sprengung in der Sparkassenfiliale in Luhe ist ein gutes Beispiel, wie die Täter vorgingen. Drei Bandenmitglieder trafen sich am 24. Oktober 2022 um 21.20 Uhr in der Garage in Roermond. Die Arbeitskleidung: schwarze Kapuzenpullover, Jogginghose, Stirnlampe, der Übergang von den Armen zu den Handschuhen wurde mit schwarzem Tape abgeklebt.
Gegen 21.38 Uhr fuhren die Drei im Audi RS6 los und reisten um 21.48 Uhr über die Autobahn 52 nach Deutschland ein. An Bord: ein Sprengsatz, ein Arbeitstelefon und Ersatzkennzeichen, die vorab auf einem Park-and-Ride-Parkplatz gestohlen wurden.
Arbeitshandys in der Maas entsorgt
Um 3.15 Uhr kam das Trio an der Sparkassenfiliale in Luhe an. Die Filiale lag im Erdgeschoss eines Wohn- und Bürogebäudes. Zwei Täter hebelten mit Brecheisen synchron den Geldautomaten auf. Dann steckten sie den Sprengsatz in den Geldausgabeschlitz, verließen das Gebäude und ließen den Tresor detonieren.
Aus den Trümmern klaubten die Täter etwa 173.850 Euro. Der dritte Mann wartete als Fahrer im Fluchtwagen. Die Täter fuhren auf direktem Weg zurück in die Niederlande, nur bei Sinsheim wurde ein kleiner Stopp zu einem weiteren Kennzeichendiebstahl eingelegt. Gegen 10.40 Uhr kamen die Drei wieder in der Garage in Roermond an. Gegen 11 Uhr übergaben sie die Beute in einem blauen Rucksack an einen Mitangeklagten. Dann liefen die üblichen Nachbereitungen: Das Arbeitstelefon wurde in die Maas geworfen, wie viele andere Male auch. Der Fluss muss voll sein damit.
Das Gebäude in Luhe wurde stark beschädigt (Schaden mindestens 200.000 Euro), die Bewohner mussten zeitweise evakuiert werden.
Bande mit mafiösen Strukturen
Die Staatsanwaltschaft schreibt von „mafiösen und fluid organisierten Strukturen“. Als die ersten zwölf Angeklagten im Frühjahr 2023 verhaftet waren (27 Sprengungen: Schaden 5,5 Millionen Euro, Beute 3,25 Millionen) rückten die nächsten nach. Im Bamberger Prozess ist eine zweite Anklage von vier Männern hinzuverbunden, denen vier Sprengungen (Schaden 1,2 Millionen, Beute 273.000 Euro) zur Last gelegt werden.
Die 31 angeklagten Fälle sind bei weitem nicht alle Detonationen. Wiesau ist beispielsweise nicht enthalten, sondern aus prozessökonomischen Gründen weggekürzt worden. Auch so steht das Landgericht Bamberg vor einer Mammutaufgabe. Über 70 Prozesstage sind angesetzt.
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