Autohändler nach Überfall: „Wir haben extrem Angst“

Weiden/Neuhaus. Am Montag hat am Landgericht Weiden der Prozess gegen einen Moldawier (34) begonnen. Ihm wird die Beteiligung am Raubüberfall auf einen Autohändler und dessen Frau im Gewerbepark Neuhaus bei Windischeschenbach im März 2023 vorgeworfen.

Landgericht Weiden Raubüberfall Neuhaus
Verteidiger Adam Zurawel mit dem moldawischen Angeklagten und einer Übersetzerin. Im Hintergrund die Nebenklagevertreter Ulrich Weber und Dr. Gunther Haberl. Foto: Christine Ascherl

Der Angeklagte Vladislav G. (34) nennt vor der 1. großen Strafkammer nur seine Personalien. Der Klempner stammt aus dem Bezirk Telenești, Moldawien, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Zur Tat schweigt er: „Nein, ich werde mich nicht äußern“, übersetzt die Dolmetscherin. Verteidigt wird er von Anwalt Adam Zurawel. Sein zweiter Verteidiger, Dr. Albrecht Göring (München), fehlt wegen Krankheit.

Oberstaatsanwalt Peter Frischholz wirft dem Moldawier schweren Raub und gefährliche Körperverletzung vor. Seine DNA war am Klebeband gesichert worden, mit dem der Mund der überfallenen Frau zugeklebt war. Die Staatsanwaltschaft geht von Beute im Wert von rund 87.000 Euro aus. Im Tresor waren neben mindestens 27.000 Euro Bargeld unter anderem Ringe der Eltern des Autohändlers, Rolex- und Breitling-Uhren, Goldbarren und Münzen.

Autohändler über Überfall: „Ich habe wirklich gemeint, jetzt ist es vorbei“

Der Autohändler (37) will als Zeuge nicht einmal seine aktuelle Anschrift sagen. „Wir haben extrem Angst.“ Seit dem Überfall im März 2023 sind er und seine Frau dreimal umgezogen. Zu seiner Aussage vor der 1. großen Strafkammer wird er von einer Psychologin begleitet. Er fürchtet sich bis heute, wenn die Dämmerung hereinbricht. Nachts wacht er auf und sieht Leute im Haus. Manchmal liege er schweißnass im Bett, mit dem Pfefferspray in der Hand.

Er schildert, wie er an dem Montagabend mit seiner Frau die Schafe füttern wollte. Die Ställe befinden sich neben Werkstatt und Wohnhaus. Es war stockdunkel. Auf dem Weg zum Gehege der Schafböcke hätten ihm „drei, vier“ Täter aufgelauert. „Das ging alles ziemlich schnell.“ Er konnte noch schreien, dann wurde er überwältigt. Er demonstriert, wie ihn die Unbekannten mit Klebeband verschnürten: erst um den Brustkorb, dann um die Beine. „Ich habe nicht mal mehr Luft gekriegt. Ich habe wirklich gemeint, jetzt ist es vorbei.“

Täter sprachen Russisch

Seine Lebensgefährtin wollte ihm zu Hilfe kommen und lief den Tätern direkt in die Arme. Auch sie wurde mit Klebeband verzurrt und zum Haus geschleppt. Seine Frau sei durch das Gästezimmer-Fenster in das Gebäude gehoben worden. Ihn brachte man über die Terrassentür ins Haus.

Die Täter entdeckten den Safe. Nur einer von ihnen habe mit ihm gesprochen, ein „hibbeliger“ Typ. Er forderte in recht gutem Deutsch Geld für seine kranke Mutter in der Ukraine. Untereinander sprachen die Täter Russisch. Die Aggression habe sich gesteigert. Der Autohändler rückte zügig Code und Schlüssel für den Safe heraus: „Du willst aus dieser Situation nur raus.“

Als die Täter verschwunden waren, sei die einzige Zielsetzung „weg, nur weg“ gewesen. Das Paar packte die Hunde ins Auto und fuhr zu einem guten Freund nach Windischeschenbach. Dieser rief gegen 20.45 Uhr die Polizei.

Sogar der Hund musste zum Psychologen

Der Autohändler erlitt eine Prellung und eine Schürfwunde, seine Handgelenke waren eine Zeit lang taub. Was schwerer wiegt: Er kämpft noch immer mit Angst, leidet an Panikattacken und Schlafstörungen. Betroffen ist auch ein Hund, der während der Tat im Schlafzimmer eingesperrt war. „Er ist für mich wie ein Sohn.“ Auch der Husky musste zum Psychologen. „Der ist ganz schön getroffen durch diesen Überfall, weil er mir nicht helfen konnte.“

Um Spuren zu verwischen, sprühten die Täter den Tatort mit Felgenreiniger ein. Sogar die Jacke des Überfallenen wurde eingesprüht.

Wertgegenstände noch nicht lange versichert

Oberstaatsanwalt Frischholz will wissen, ob der Autohändler eine Erklärung für den Überfall habe: „Haben Sie Feinde?“ Der 37-Jährige glaubt an einen Zusammenhang mit dem nahen Autohof an der A93, wo am Wochenende Trucker rasten. Von dort sei sein Anwesen zu sehen, das „nicht ganz schlecht aussieht“. Erst kürzlich habe er einen Lkw-Fahrer beobachtet, der im Gewerbepark spazieren ging und per Videocall die Umgebung filmte.

Eine Nachfrage des Staatsanwalts gibt es auch zur Versicherung. Die meisten gestohlenen Wertsachen waren erst seit Januar 2023 gegen Diebstahl versichert; der Überfall ereignete sich Anfang März 2023. Der Autohändler gibt an, schon längere Zeit eine Versicherung geplant zu haben. „Ich habe schon länger mit der Versicherungsagentin geschrieben, bis es endlich dazu kam. Ich hatte einfach nie Zeit.“

Verteidiger zielt auf Glaubwürdigkeit ab

Verteidiger Zurawel zielt auf die Glaubwürdigkeit des Überfallenen ab: Wieso seine Kleidung nicht sonderlich schmutzig gewesen sein soll, beispielsweise. Warum er die Polizei nicht von einem Nachbarbetrieb aus gerufen habe. Er fragt nach psychischen und finanziellen Problemen schon vor der Tat. Auch die erst kurz davor abgeschlossene Versicherung ist ein Thema.

Der Überfallene kontert irgendwann entnervt: „Ich wünsche Ihnen nicht, dass Sie in den ,Genuss‘ eines Überfalls kommen.“ Das Leben habe sich „um 180 Grad gedreht“. Die Angst sei so weit gegangen, dass er und seine Frau nicht einmal mehr mit den Hunden rausgehen konnten. „Ich habe schon viel Schlimmes erlebt. Aber das war schlimm.“ Er steht davor, seine Arbeit als Autohändler aufzugeben.

Der Prozess wird am Donnerstag, 28. November, 9 Uhr, fortgesetzt. Zur Festnahme des Angeklagten war es durch einen DNA-Treffer in Belgien gekommen.

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