Bauen in Zukunft wie früher: Naturdorf im Geschichtspark Bärnau
Bärnau. Bauboom, Energiekrise und Baustoffmangel - das geht nicht mehr lange gut. Wie die Häuser der Zukunft aussehen können, zeigt ein Bauprojekt im Geschichtspark Bärnau-Tachov: Bauen wie vor 300 Jahren, mit Komfort von heute.
Der Spatenstich für das Naturdorf ist noch nicht gesetzt, da sind die Wandergesellen im Geschichtspark Bärnau-Tachov schon bei der Arbeit. Zur Feier des Tages hauen sie die ersten Balken zurecht.
Handwerker in traditioneller Kluft mischen sich unter die Gäste im modernen Zwirn. Diese Mischung aus Tradition und Moderne in der Kleiderwahl passt sehr gut zum Thema. Denn auch das Naturdorf, das neben dem Geschichtspark Bärnau entstehen wird, vereint diese Gegensätze.
Unterkunft für Besucher
Vier Gästehäuser mit handwerklichem Revolutionscharakter entstehen auf einer Fläche von 3000 Quadratmetern in den nächsten eineinhalb Jahren. „Wir wollen keine vorgefertigten Baustoffe verwenden, keinen Beton, keine kunststoffbelasteteten Dämmstoffe“, erklären die beiden Karlsruher Bauleiter Marlène Dorbach (Architektin und Lehmbauerin) und Lukas Ritter (Steinmetz und Bildhauer).
Holz, Lehm, Kalk, Naturstein, Hanf aus der Region sind die Baumaterialien für die vier Häuser mit insgesamt 240 Quadratmetern Grundfläche und Platz für 18 Schlafgelegenheiten. „Die Baustoffe stammen aus einem Radius von 80 Kilometern.“ Möglichst würden nur Rohmaterialien eingekauft und selbst verarbeitet. Das ist die traditionelle Seite.
Traditionelle Bauweise, moderner Wohnstandard
Die moderne Seite bleibt jedoch nicht außen vor. Die Besucherinnen und Besucher müssen keine Feuerstelle bedienen oder sich im Fluss waschen, wie die Mittelalter-Darsteller im Geschichtspark. „Wir wollen nicht bauen wie vor 300 Jahren. Wir wollen das Wissen von vor 300 Jahren kombinieren mit unserem heutigen Wissen“, betont Lukas Ritter. Die Häuser sind ausgestattet mit Glasfenstern, Wasserrohren, Elektrik, Sanitäranlagen, auch modernster Solarthermie und Photovoltaik.
Gegen „Dogma des Betons“
Wichtig ist den Bauleitern auch der Charme der Häuser. „Es soll heimelig und gemütlich sein“, sagt Ritter. „Wir wollen vom Dogma des Betons weg. Heutzutage sehen die meisten Gebäude lieblos und tot aus.“ Architekt Christian Schönberger aus Oberviechtach arbeitet bei dem Projekt mit und stimmt zu: „Moderne Architektur hat keine Regionalität, sie leidet unter Identitätsverlust.“
Egal, wo man hinschaue, moderne Häuser in Deutschland sähen überall gleich aus. Das passiere nicht, wenn man regionale Materialien verwendet. Für ihn ist diese Bauweise zukunftsweisend, besonders im Hinblick auf den derzeitigen Baustoffmangel.
Wanderoutfit statt Anzug
Beton ist auch Regierungsvizepräsident Florian Luderschmid ein Dorn im Auge. In der Oberpfalz gebe es viele Probleme bei der Entsorgung des Betons der 60er-bis-80er-Jahre-Bauten. Er wünscht sich, dass das Naturdorf „best practice“ wird: „Ich freue mich schon auf die erste Übernachtung.“ Seinen Hang zur Natur beweist der Regierungsvize mit seiner Kleiderwahl: Statt Anzug kam er im Wanderoutfit, denn für die Feier machte er in seinem Wanderurlaub einen Abstecher nach Bärnau.
1,3 Millionen Euro soll das Naturdorf kosten. Der Verein Via Carolina – Goldene Straße, der den Geschichtspark betreibt, hat Erfahrung mit Großprojekten. 8,5 Millionen Euro in 12 Jahren seien bereits in das größte mittelalterliche archäologische Freilandmuseum Deutschlands geflossen, gibt Vorsitzender Alfred Wolf stolz bekannt.
Handwerkliche Revolution
Das Naturdorf Bärnau schlage die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, und schreibe so eine neue Geschichte: „So etwas hat es noch nie gegeben.“ Das Projekt fördere zudem die deutsch-tschechische Zusammenarbeit, Handwerker aus beiden Ländern arbeiteten auf Augenhöhe zusammen. Rudolf Spotak, der neu gewählte Präsident der Verwaltungsregion Pilsen, kam deshalb neben vielen anderen tschechischen Gästen zum Spatenstich.
Informieren und aktiv unterstützen
Mehr Infos zu dem Projekt gibt es auf der Webseite https://naturdorfbaernau.de/
Die Verantwortlichen freuen sich auf Unterstützung und Spenden durch interessierte Privatpersonen und Unternehmen. Interessierte können mit einer Spende einen Pflasterstein finanzieren, der im Naturdorf verewigt wird. Auch gibt es die Möglichkeit, Wertgutscheine zu erwerben. Eine Übernachtung ist ab 2024 möglich.
Doch das Naturdorf wird vor allem ein Experimentierfeld sein. Die Baumeister schöpfen aus der Erfahrung aus ihren anderen Mittelalterbaustellen und dokumentieren jeden Schritt in einem Bauhandbuch. Auch soll das Naturdorf als Musterhaussiedlung für nachhaltiges Bauen Inspiration für Firmen und Privatpersonen bieten.
Vom Naturdorf zur Naturstadt
Im Schatten der Energie- und Klimakrise ist ein Bauprojekt, das möglichst ohne Kunststoff, also Erdöl, und Zement auskommt, hoffentlich nicht nur ein Pilotpojekt – gemäß dem Wunsch von Bärnaus Bürgermeister Alfred Stier: „Aus dem Naturdorf soll eine Naturstadt werden.“
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