Holzhaus 39 Zentimeter zu tief gebaut – Bauherrin zieht vor Gericht
Weiden. Wie kann so etwas passieren? Eine Bauherrin aus dem Altlandkreis Vohenstrauß hat eine Firma aus der Region mit dem Bau eines schlüsselfertigen Holzhauses beauftragt. Das Haus steht. Allerdings 39 Zentimeter zu tief.

Bei Regen läuft das Wasser zum Haus – statt von ihm weg. Laut Gutachter liegt der Fußboden 12 Zentimeter unter der Straßenkante, die Garage 28 Zentimeter. Eigentlich müsste das ganze Haus über dem Geländeniveau liegen. Der Bausachverständige Michael Feiner konnte sich nicht erklären, wie es zu so einem Fehler kommen kann.
Üblicherweise wird auf dem Bauplatz ein Schnurgerüst gezogen, das die Position der Bodenplatte bestimmt. Ein deutlich tieferes Niveau als im Plan (39 Zentimeter) hätte dem Bauleiter und dem Polier auffallen müssen. „Ich weiß nicht, was da komplett schiefgegangen ist“, sagt der Gutachter.
Wer zahlt? Und wie viel? Seit über einem Jahr sind alle Güteverhandlungen gescheitert. Thomas Hys, Vorsitzender Richter der 1. Zivilkammer am Landgericht Weiden, versuchte es am Dienstag trotzdem noch einmal mit einem Vergleichsvorschlag.
Behelfsdrainage keine Garantie
Und: Was tun? Technisch machbar wäre eine Behelfslösung. Grob gesagt: eine Ring-Drainage rund ums Haus. Außerdem Hebeanlagen für die bodengleiche Dusche im Haus sowie zur Entwässerung der Garage. Zudem müssten die Holzständer im Nachhinein abgedichtet werden. Kosten der Behelfslösung: rund 38.000 Euro.
Aber selbst wenn dies alles erfolgt sei, gäbe es keine Garantie, so der Gutachter. Ein „Jahrhundertregen“ könnte trotz Behelfslösung das Haus überschwemmen und den Estrich durchfeuchten. „Und Starkregenereignisse werden mehr“, sagte Bausachverständiger Feiner. Als Gutachter hatte er in Kelheim jüngst den Fall, dass es in einer halben Stunde 120 Liter regnete. „In Frankreich waren es 600 Liter.“
Alternative: der komplette Abbau und Wiederaufbau
Die Alternative? Der komplette Abbau des Hauses. Theoretisch ist es laut Gutachter möglich, das Dach abzuheben und das Haus zu zerlegen, die Installation und den Estrich rückzubauen. Dann könnte die Bodenplatte erhöht werden. Und ein Kran würde alle Holzbauteile und das Dach wieder aufsetzen. Kostenpunkt: mindestens 200.000 bis 250.000 Euro.
Der Richter warb für einen Vergleich. 360.000 Euro sollte das Haus schlüsselfertig kosten. Hys schlug dem Bauunternehmen vor, auf 100.000 Euro zu verzichten. Sprich: Die Bauherrin bekäme 100.000 Euro zugesprochen. Damit könnte sie die Behelfslösung beauftragen (Kosten rund 38.000 Euro). Der Rest der Summe soll sie für die Wertminderung entschädigen. „100.000 Euro Abzug – und dann geht jeder seines Weges. Eine Win-win-Situation.“
Dr. Christian Weinelt, Anwalt des Bauunternehmens, wies darauf hin, dass es sich ansonsten um ein „technisch einwandfreies Haus“ handelt. Replik des Richters: „Was nützt mir das schönste Haus, wenn ich bei jedem Starkregen Angst haben muss, dass es mir überschwemmt wird?“ Am Ende scheiterte die Vergleichsverhandlung ohnehin: an der Bauherrin. Ihr Anwalt Jürgen Feldsmann (Kanzlei Sammet) fordert mehr als 100.000 Euro.
Wie so etwas passieren kann? Im Baubereich ist alles möglich. Man vermisst sich. Verwechselt Nord und Süd. Verwechselt ganze Grundstücksparzellen. Alles schon da gewesen. Bausachverständiger Michael Feiner
Sollte ein Vergleich scheitern, muss das Gericht ein Urteil sprechen. Hys neigte klar zur Bauherrin: „Ein Haus baut man bloß einmal im Leben. Und es ist ein schwerwiegender Fehler, es droht Überschwemmung.“ Nach seiner Sicht müsse die Bauherrin nicht mit der Minderung und der fragwürdigen Mängelbeseitigung zufrieden sein. Damit könnte es zum „Worst case“ für die Baufirma kommen: den Ab- und Wiederaufbau.
Oder auch nicht: Der Klageweg ist lang, könnte über das Oberlandesgericht führen und Jahre dauern, warnte Hys.
Nicht der einzige Fall
Ein ähnlicher Fall war erst Anfang Oktober vor der Zivilkammer am Landgericht Weiden verhandelt worden. Auch damals gab es Unstimmigkeiten zwischen einem Bauherren, diesmal mit Wohnsitz im Landkreis Tirschenreuth, und dem Bauunternehmen aus der Region. Unter anderem ging es um einen angeblich vereinbarten Festpreis, der nicht eingehalten wurde. Der Hausbesitzer hatte zudem nicht die ganze Rechnung bezahlt, weil er Mängel monierte. Unter anderem gebe es Probleme mit dem Anschluss an die Kanalisation. Das Brauchwasser laufe über die Straße ab, die Gemeinde habe dies schon beanstandet.
Das Pikante: Die Herren waren zuvor eng befreundet. „Ich war noch auf der Hochzeit, wo alle dabei waren. Da war Friede, Freude, Eierkuchen“, erinnerte sich ein Anwalt. Die Freundschaft ist Teil der Problematik in dem Rechtsstreit. Richter Dr. Roth zeigte auf dem Screen des Gerichts einen WhatsApp-Chat, in dem salopp der Bau besprochen wurde.
Auch in diesem Fall hat die Zivilkammer die Vergleichsbemühungen noch nicht aufgeben. Die strittige Summe liegt zwischen 65.000 und 120.000 Euro. Vereinbart wurde die erneute Erstellung einer Mängelliste bei einem Ortstermin der Parteien.
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