Weiden gedenkt Holocaust-Opfern mit weiteren Stolpersteinen
Weiden. Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Weiden (GCJZ) verlegt am 12. November weitere Stolpersteine in der Innenstadt von Weiden. Sie erinnern an ermordete Weidener Juden. Das jüngste Holocaust-Opfer war 15, das älteste 85 Jahre alt.

Es handelt sich dabei um Adolf Kohner(15) und seine Großmutter Elisabeth (85), die in der Kettelerstraße 3 zu Hause waren. Der Junge wurde 1942 ins Vernichtungslager Lublin-Majdanek (Polen) deportiert, hier verliert sich seine Spur. Die Oma starb im Ghetto Theresienstadt (heute Tschechien).
Anstoß gab ein Nachfahre aus den USA
Seit 2022 ist die GCJZ dabei, für die Holocaust-Opfer der Stadt Weiden Gedenksteine vor den letzten Wohnadressen zu verlegen. Unterstützung kommt dabei von der Stadt Weiden, der Bauhof ist bei der Umsetzung involviert. Federführend werden die Verlegungen von Werner Friedmann und Pfarrer Alfons Forster sowie Sebastian Schott (Stadtarchiv Weiden) organisiert.
Den Anstoß gab 2022 ein Angehöriger: Peter Kupfer aus San Francisco, dessen Familie eine unglaubliche Zahl an Ermordeten zu beklagen hat. Sein Großvater, Kommerzienrat Eduard Kupfer, Inhaber der Glasfabrik in Moosbürg, hatte zehn Söhne und Töchter. Neun wurden im Holocaust ermordet, einer starb schon 1922. Weitere Todesopfer sind deren Ehepartner und Enkel. Peter Kupfer hat über seine Familiengeschichte ein Buch geschrieben („The Glassmakers Son“).
Zahlreiche Angehörige aus aller Welt reisen an
Zu den Verlegungen in diesem Herbst werden wieder Angehörige aus aller Welt erwartet. So haben Nachfahren der Fabrikanten Rebitzer und Boscowitz ihr Kommen angekündigt. Sie betrieben in der Max-Reger-Straße (heute Standort City-Center) die Schuhfabrik Salix. Enkel Allan Pinkus, Mathematikprofessor aus Haifa (Israel), will bei der Verlegung dabei sein. Seine Mutter war von den Eltern frühzeitig nach England geschickt worden, um sie in Sicherheit zu bringen. Nach dem Krieg wanderte sie nach Kanada aus und heiratete Paul Pinkus.
Eine weitere Familie plant die Reise nach Weiden: die Nachfahren der Familie Kohner aus der Sedanstraße 8. Sie reisen aus Frankreich an. Aus dieser Familie überlebte der jüngste Sohn Justin Kohner, der 1933 im Alter von 20 Jahren nach Paris ging. Er schloss sich der französischen Resistance an (Deckname „Tintin“). 1945 kam er als französischer Soldat mit der US-Army zurück nach Weiden und ermittelte gegen die Beteiligten an der Reichspogromnacht 1938.
Familie Kohner: Jüngster Sohn geht zur Résistance
Seine Angehörigen in Weiden – Eltern und Bruder – hatten in der Reichspogromnacht fürchterliche Schrecken erlitten. Vater Karl und Bruder Siegfried Kohner wurden im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Die Drei starben letztlich nach ihrer Deportation 1942 in Vernichtungslagern im Osten.
Zur Verlegung möchte die Urenkelin von „Tintin“ kommen, Nolwenn Gouault, eine Historikerin, aktuell in Sevilla ansässig. Mit ihr werden zwei Kinder des ehemaligen Resistance-Kämpfers anreisen sowie weitere Verwandte.
Unter den Ermordeten: ein Spieler des FC Bayern
Jede der Familien, für deren Angehörige Stolpersteine verlegt werden, hätte Aufmerksamkeit verdient. Familie Wilmersdörfer betrieb ein Kaufhaus. Einem der verstorbenen Söhne, Walter, wird heute noch im DFB-Museum gedacht. Er war Junioren-Spieler des FC Bayern München.
Oder auch Familie Alfred Steiner, die in der Pfannenstielgasse 8 zu Hause war: Aus dieser Familie überlebte nur die jüngste Tochter Inge. Alfred Steiner war mit Frau und zwei Töchtern in die benachbarte Tschechoslowakei geflohen. Das erwies sich als Sackgasse, als das Land okkupiert wurde. Dem Vater gelang es noch, das Mädchen über eine palästinensische Hilfsorganisation nach Haifa zu schicken. Inge Steiner wanderte von dort weiter in die Dominikanische Republik aus.
Kepler-Gymnasiasten gestalten Feier
Schüler des Kepler-Gymnasiums werden die Gedenkfeier begleiten. Für Sebastian Schott, der die Besuchergruppen betreut, geht es im Frühjahr nahtlos weiter. Weitere Standorte sind noch geplant, unter anderem für Elise Heimann, geborene Adler, in der Bahnhofstraße. Bei ihr handelt es sich um die Tochter von Glasfabrik-Direktor Isidor Adler. Elise hatte noch ihre Kinder in Sicherheit bringen können, nach England und Palästina.
Ihre und die Ausreise ihres Mannes Max scheiterten trotz verzweifelter Bemühungen. Im Sommer 2024 konnte eine Schachtel an ihren Sohn Theodor, später umbenannt in Daniel, Heiman in Tel Aviv überreicht werden. Sie war von den Eltern noch eilends gepackt und bei einer früheren Haushälterin in Weiden deponiert worden („Unglaublich: Holocaust-Überlebender erhält nach 82 Jahren Paket seiner Eltern“). Auch die Familie von Daniel Heiman hat ihr Beisein für 2025 angekündigt.
Stolpersteine am 12. November
An folgenden Standorten werden am 12. November weitere Stolpersteine verlegt:
- Max-Reger-Straße 13: Erna Wilmersdörfer (geboren 1902, Theresienstadt 1942), Selma Wilmersdörfer (1880, unbekannter Deportationsort, verschollen), Walter Wilmersdörfer (1909, deportiert nach Piaski, verschollen nach 1942)
- Max-Reger-Straße 18: Johanna Boscowitz (1886, Izbica nach 1942), Gustav Rebitzer (1870, Theresienstadt 1943)
- Pfannenstielgasse 8: Alfred Steiner (1889, Tarnopol November 1942), Irma Steiner (1912, Maly Trostinez, 1942), Wally Steiner (1888, Ghetto Baranowitschi nach 1942), Ewald Oskar Schmidt (1912, Dachau 1942)
- Sedanstraße 8: Karl Kohner (1875, Theresienstadt nach 1943), Rosa Kohner (1880, Auschwitz nach 1944), Siegfried Kohner (Majdanek nach 1942)
- Johannisstraße 17: Ernestine Kohner (1872, Theresienstadt nach 1944)
- Kettelerstraße 1: Meier Friedmann (1872, Theresienstadt nach 1944)
- Kettelerstraße 3: Adolf Kohner (1926, Majdanek 1942), Elisabeth Kohner (1857, Theresienstadt 1942), Irma Kohner (1900, Majdanek nach 1942)
- Kettlerstraße 11: Babette Lebrecht (1873, Treblinka nach 1942).
Insgesamt sind aus Weiden mindestens 56 Juden im Holocaust ermordet worden. Alle anderen jüdischen Einwohner emigrierten in Länder auf aller Welt. Nur ein Holocaust-Überlebender ließ sich nach dem Krieg wieder dauerhaft in seiner Heimatstadt Weiden nieder.
* Diese Felder sind erforderlich.