Jahn in Liga 3: Regensburg stolpert bei Viktoria Köln zur Relegation

Köln. Ja, es war heiß. Und der Druck nach dem 12-Punkte-Vorsprung noch alles zu verlieren, ist groß. Aber erklärt das, warum der SSV Jahn bei Viktoria Köln trotz der Mega-Vorlage von 1860 in Essen nur Angsthasen-Fußball zustande bringt? Für den einen Punkt, der zur Relegation reicht.

Starke Reaktion der 500 Regensburger Jahn-Fans in Köln: Das Signal für die Relegation. Foto: jrh

Mischt man alle Farben zusammen, kommt dabei ein tristes Grau heraus. In diesem Sinn hat Jahn-Trainer Joe Enochs natürlich recht, wenn er nach dem Spiel sagt: „Was die Jungs in dieser Saison über 37 Spieltage geschafft haben, ist, dass wir mindestens Relegation spielen.“

42 Punkte in Hinrunde, 21 in der Rückrunde

Da kann keiner widersprechen. „Wir sind unter den ersten drei Mannschaften der Liga, das ist top.“ Auch das stimmt. Aber zur Wahrheit gehört auch: Dieses Ergebnis hat Regensburg in den ersten 19 Spieltagen mit 42 Punkten gewuppt. In den 18 darauffolgenden Spielen bringen es die Regensburger gerade noch auf 21 Punkte – knapp mehr als ein Ein-Punkte-Schnitt.

Bei noch einer Analyse kann man dem sympathischen Kalifornier nicht widersprechen: „Was heißt nach 20 Spieltagen?“ Man habe sich eben eine super Ausgangsposition erarbeitet. Da habe es Ereignisse gegeben, „die nicht so schön waren“. Enochs dürfte den Schock nach Agy Diawusies tragischen Tod meinen. All das ist eingepreist.

Viele Hinrunden-Siege auf Messers Schneide

Auch Enochs lässt das nicht als einzige Erklärung gelten: „Wir haben damals immer gesagt, das waren Spiele auf Messers Schneide – wenn ich überlege, unser Sieg in Dresden, unser Sieg in 60, letzte Minute Siegtor, etwas glücklich.“ D’accord! „Wir sind nicht diese Spitzenmannschaft, die irgendwo hinfährt und eine Mannschaft auseinandernimmt.“ Alles richtig.

Aber bei der konkreten Spielanalyse ist dann doch arg viel Schönfärberei dabei: „Heute haben wir eine konzentrierte defensive Leistung gezeigt, auswärts gegen Viktoria Köln“, bilanziert Enochs. „Wir haben früh angegriffen, das ist unser Spiel. Dass wir aus den Ballgewinnen nicht so die Klarheit hatten, das ist uns dann nicht gelungen.“

Freut sich über seinen Abstauber: Jonas Bauer bringt den SSV Jahn bei Viktoria Köln in Führung. Foto: jrh

Schnelle Führung löst keine Bremsen

Das ist gelinde gesagt die Untertreibung des Jahres. Und leider nicht das erste Mal. Wie beim 1:3-Desaster bei Schlusslicht Freiburg vergangene Woche, wo der Jahn den direkten Aufstiegsplatz abschenkte, stolpern sich die Regensburger von einer falschen Entscheidung zur nächsten. Der überraschende Führungstreffer: Ein Abstauber des fleißigen Jonas Bauer nach Dominik Kothers ersten und einzigen Schuss, der aufs Tor kommt, 0:1 (22.).

Anschließend wird der Tabellendritte nur noch einmal gefährlich: Nach Andi Geipls Ecke, bringen die Rheinländer den Ball nicht aus dem 16er, Christian Vieth zirkelt die Kugel aus acht Metern mit dem Rücken zum Tor über seinen Kopf Richtung Kasten, Viktoria-Keeper Ben Voll muss sich strecken, um den Ball noch über die Latte zu fingern (27.). Ansonsten das nackte Grauen: Ziegele versucht es zweimal aus der Distanz, die in etwa auch den Abstand zum Tor widerspiegelt.

Auch die Jahn-Standards bleiben beim 1:1 bei Viktoria Köln weitgehend harmlos. Foto: jrh

Eigentor gleicht Abstauber aus

Der schnelle Ausgleich: Die erste Offensivaktion der bis dato braven Kölner, die Regensburg förmlich zum Ballbesitz in der eigenen Hälfte einladen. Passend zum Spielgeschehen passt der wieder einmal indisponierte Oscar Schönfelder, der zuvor bereits drei ungestörte Fehlpässe auf seiner linken Seite fabrizierte, Niklas Mays schwache Hereingabe zurück in den Fünfer, Simon Handle schießt Robin Ziegele an, von dessen Schienbeinschoner die Kugel über die Linie kullert, 1:1 (30.).

Dabei ist es nicht fair, einzelne Spieler herauszugreifen: Die Offensivbemühungen der Regensburger sind genauso ein Totalversagen wie das kaum vorhandene Mittelfeld einem nicht gerade bis in die Zehenspitzen motivierten Gastgeber genügend Räume für gelegentliche Konter bietet. Und nach der Meisterleistung beim Ausgleichstor müssen die 500 mitgereisten Regensburger Fans bei jeder Kölner Flanke die Luft anhalten.

Kölns Trainer Olaf Janßen ist mit der Leistung seiner Viktoria top zufrieden. Foto: jrh

Lopes Cabrals Freistoß ans Lattenkreuz

Ja, wir verstehen auch, dass Joe seine Jungs nicht Harakiri spielen lassen will – bei zwei Niederlagen könnte Dynamo Dresden (2:1 in Unterhaching) mit dem wesentlich besseren Torverhältnis auch noch Platz 3 stibitzen. Aber wäre nicht genau deswegen Angriff die bessere Verteidigung, zumal man sich durch konstante Ballverluste gerade in der zweiten Hälfte immer wieder in akute Gefahr bringt?

Da verwundert’s schon ein wenig, wenn Enochs eine ganz andere Wahrnehmung hat: „In der zweiten Halbzeit habe ich eine Mannschaft gesehen, die nur in einer Hälfte gespielt hat.“ Natürlich habe Köln zwei, drei Kontersituationen, die gefährlich werden können. Darunter Sidny Lopes Cabrals Freistoß ans Lattenkreuz (56.), nachdem Oscar Schönfelder Handle in letzter Sekunde vor dem 16er am Trikot festgenagelt. „Aber letztendlich haben wir nach vorne gespielt und haben leider so ein bisschen Unglück im Torabschluss.“

Jahn-Sportchef Achim Beierlorzer (links) und Trainer Joe Enochs beraten in der Pause beim Blick auf Spielszenen aus der ersten Halbzeit, was man besser machen könnte. Foto: jrh

Körpersprache zwischen Lethargie und Lähmung

Das Spiel nach vorne sieht dann aber so aus, dass sich entweder Noah Ganaus irgendwo an der Grundlinie festrennt oder Viet einem Kölner in die Hacken schießt – in den zweiten rund 49 Minuten mussten Münster-Fans lediglich in der Nachspielzeit einmal kurz durchschnaufen, als Ganaus einziger Schussversuch am Fünfer geblockt wird. Dazwischen ein Festival an Missverständnissen, Fehlpässen, verlorenen zweiten Bällen und eine Körpersprache irgendwo zwischen Lethargie und Lähmung.

Am Ende ist Köln, das mit 48 Punkten die Saison im Niemandsland bereits abgeschlossen hat, dem Dreier sogar ein wenig näher als die Regensburger, die mit einem Auswärtssieg die Preußen, die in Verl erst einmal gewinnen müssen, mächtig unter Druck setzen hätte können.

Jahns Torschütze Jonas Bauer am Boden, der früher so gefährliche Flügelflitzer Konrad Faber steht oft nur daneben. Foto: jrh

Relegation gegen Wiesbaden oder Rostock?

Und ja: Niemand bezweifelt, dass die Mannschaft alles versucht hat. Nur muss man nach dem zehnten enttäuschenden Rückrundenspiel dann halt auch einräumen: Entweder der psychische Knacks ist bei den Oberpfälzern bis heute nicht überwunden – oder die Jungs haben in der Hinrunde so dermaßen über ihre Verhältnisse gespielt, dass es nicht nur für ganz oben nicht reicht: Es reicht ja kaum für einen überzeugenden Auftritt beim Letzten und beim 13.

Natürlich ist es mit Platz 3 in der Tasche wenig hilfreich, jetzt in Resignation zu verfallen. Deshalb drücken wir Joe Enochs alle Daumen, den SSV für das letzte Heimspiel gegen Saarbrücken und die voraussichtliche Relegation gegen Wiesbaden oder Rostock wieder aufzurichten. Denn Relegation kann der Jahn ja bekanntlich. Auch wenn bei den drei vergangenen Aufstiegsduellen gegen den KSC, Wolfsburg II und 1860 die Ausgangslage eine andere war: Die Teams von Markus Weinzierl und Heiko Herrlich waren im Flow. Der Blick der Jahn-Spieler nach Köln: gähnende Leere.

Stimmen zum Spiel

Jahn-Trainer Joe Enochs: „Natürlich wär’s schöner, wenn wir das Spiel gewonnen hätten. Natürlich wünscht man sich immer den direkten Aufstieg. Wir müssen schauen, wie Münster spielt, aber ich glaube immer noch dran. Den Punkt nehmen wir mit, wir wissen halt, zweite Halbzeit, wir müssen abwägen, wieviel Risiko wir eingehen, weil letztendlich, wenn Viktoria Köln gut kontert, kann es eine Niederlage sein. Jetzt haben wir noch ein Spiel in der Saison, wir versuchen das Ding zu wuppen und uns gut auf die Relegation vorzubereiten, wenn es sein muss.

Viktoria Köln hat sich sehr tief hinten reingestellt, wir sind trotzdem gegen eine so tief gestaffelte Mannschaft 1:0 in Führung gegangen. Dann hätte ich mir halt diese Führung etwas länger gewünscht und geschaut, was in der zweiten Halbzeit ist. Heute hätte ich gerne eine von unseren Standardsituationen reingemacht, weil wir 10:0 oder 10:1 Ecken hatten. Heute haben wir eine konzentrierte defensive Leistung gezeigt auswärts gegen Viktoria Köln, wir haben früh angegriffen, das ist unser Spiel.“

Jahn-Torschütze Jonas Bauer: „Ins Spiel sind wir super reingekommen, auch mit dem Tor – ich denke schon verdient. Dann haben wir ein unglückliches Gegentor bekommen, 1:1. Ich glaube, der Mannschaft kann man keinen Vorwurf machen, wir haben uns am Schluss in alles reingehauen, haben alles nach vorne geworfen. Klar gab‘s dann auch noch den einen oder anderen Konter für Köln, aber mit dem Punkt müssen wir leben.“ Der Kopf habe schon ein bisschen mitgespielt.

„Vor allem wenn man die letzten Wochen immer wieder auf die Schnauze fliegt, dann tut’s natürlich weh. Vor allem in Freiburg 3:1 verloren, da wollten wir heute natürlich einen Reset-Knopf drücken. Ich finde, von der Leistung her hat’s eigentlich ganz gut geklappt, aber leider ohne drei Punkte. Erstmal glauben wir noch zu 100 Prozent, dass wir`s direkt schaffen können. Jetzt gilt’s erst einmal gegen Saarbrücken zu gewinnen und dann schauen wir, was dabei herauskommt. Wenn’s dann die Relegation ist, dann ist das so. Wenn uns das jemand vor der Saison gesagt hätte, wäre es überragend gewesen.“

Viktoria-Cheftrainer Olaf Janßen: „Top. bin ich sehr mit zufrieden, wir wussten, Regensburg wird brutal anlaufen, hohes Pressing machen, da muss ich sagen, wie wir uns da auch noch spielerisch lösen konnten, top. Nach der ersten Trinkpause, dem 1:0, haben wir sehr viele tolle Momente, waren sehr fleißig, haben niemals aufgehört. Es gebietet der Respekt gegenüber anderen Mannschaften, die da oben noch eingreifen können, dass wir bis zur letzten Minute nicht nur versucht haben, den Punkt über die Zeit zu bringen, sondern das Spiel zu gewinnen.

Das war ein würdiger Rahmen, den wir da geboten haben und wir können fast einen Strich drunter machen unter diese wirklich brutale Saison, die wir hinter uns haben. Münster kann es morgen klar machen, in doppelter Hinsicht – unser Spiel gegen Münster haben wir 3:1 geführt, dann kriegen wir 5 Standardtore rein. Aber das ist der Fußball, dann haben sie`s auch verdient. Wir hätten das Spiel auch gerne gewonnen, auch noch für andere Mannschaften wie Dresden oder Aue. Wir haben’s probiert, aber jetzt ist es der Punkt geworden. Jetzt kann sich Münster freuen, das ist auch ein Verein aus dem Westen, von daher passt alles.“

Eigentor-Assistent Simon Handle: „Jeder, der den Platz sieht, das Wetter sieht, einfach traumhaft. Wir können befreit aufspielen gegen einen super Gegner, hat richtig Spaß gemacht. Ich bin jetzt das siebte Jahr hier, die einen kommen, die anderen gehen, das ist Teil des Sports. Es wird sich zeigen, wie der Kader dann aussieht, aber ich bin frohen Mutes, die Verantwortlichen werden ihre Sache schon machen.“

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