WohnSachWerte: Gigantische Anklage gegen Ehepaar

Weiden. Auf die Justiz Weiden rollt der Prozess des Jahrzehnts zu. Ein Ehepaar und der erwachsene Sohn sind angeklagt, fast 21.000 Anleger betrogen zu haben. Sie sind die Hauptverantwortlichen der Wohnungsbaugenossenschaft "WohnSachWerte eG" (WSW).

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Foto: Christine Ascher

Die Anklage der Staatsanwaltschaft wurde letzte Woche zugestellt. Den drei Angeklagten wird gewerbs- und bandenmäßiger Betrug in 20.955 Fällen sowie versuchter Betrug in 42.024 Fällen vorgeworfen. Angeklagt sind Tina K., 49, die Vorständin der WSW, sowie ihr Ehemann Ralf K., 53, Aufsichtsratsvorsitzender. Ebenfalls auf die Anklagebank muss der erwachsene Sohn (30) von Tina K.

Die Anklage wurde zum Landgericht Weiden erhoben. Zuständig wäre damit die erste große Strafkammer unter Vorsitz von Peter Werner mit den Richtern Matthias Bauer und Florian Bauer. In der Regel verstreichen in Weiden etwa drei bis sechs Monate bis zu einem Prozessbeginn. Das wäre September bis November. Allerdings ist das Verfahren extrem umfangreich. Die Anklageschrift umfasst 1131 Seiten.

Anklage mit 1131 Seiten

Die aktuell vier Verteidiger (Michael Haizmann, Rouven Colbatz, Jörg Meyer und Dominic Kriegel) können jetzt Stellungnahmen abgeben. Die Frist ist auf einen Monat festgelegt worden. Viel zu kurz, meint der Regensburger Anwalt Haizmann, der den 53-jährigen Aufsichtsratsvorsitzenden vertritt. Ohnehin will er die Zuständigkeit rügen. Aus Haizmanns Sicht müsste bei der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Regensburg verhandelt werden. Die Entscheidung trifft letztlich das Landgericht Weiden.

Die Anklage beziffert die Schadenssumme auf 9,2 Millionen Euro; tatsächlich waren es wohl noch ein paar Millionen mehr. Die Kriminalpolizei Weiden kam im Schlussbericht auf 13,5 Millionen Euro. Gleiches gilt für die Zahl der geprellten Anleger: Die Kripo hatte 107.000 „Genossen“ recherchiert, die potenziell geschädigt wurden. 20.955 Namen wurden nun in die Anklage aufgenommen.

Hauptvorwurf: Die Gelder der Genossenschaft seien nicht für den eigentlichen Zweck (Immobilien) verwendet worden. Tatsächlich kann man der WSW nur eine einzige Wohnung in Rothenstadt zuordnen. Die Gelder wurden nach Erkenntnis der Kripo zum Großteil aus dem Unternehmen herausgeleitet. Mehrere Millionen Euro flossen, teilweise deklariert als „Provisionsleistungen“, auf das Konto einer anderen Firma des Vorstandsvorsitzenden.

Mit Kinderhilfsverein „Karolina“ in den Schlagzeilen

Tina und Ralf K. sind in Weiden und Umgebung keine Unbekannten. Die Anklage ist vorläufiger Schlusspunkt eines tiefen Falls des einstigen Society-Paares. Das Ehepaar hatte 2016 einen Verein zur Unterstützung misshandelter Kinder gegründet: den „Karolina e. V.“. Auf Charity-Veranstaltungen sammelten die beiden Spenden von mindestens 50.000 Euro ein.

Dabei erfanden sie krude Storys. Unter anderem schilderte Tina K. den Fall eines Chamer Buben, der von seinem Vater tot gebissen worden sei. Eine reine Fantasieerzählung. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren damals dennoch ein. Begründung: Die Vereinssatzung war sehr weit gefasst, was die Verwendung der Gelder anbelangte. Die Vorstandschaft bestand aus dem Ehepaar und dem erwachsenen Sohn.

Strafmaß: Bis zu 10 Jahre

Wie sich jetzt herausstellt, waren die Karolina-Spendengelder letztlich „Peanuts“. Spätestens seit 2018 lief eine viel größere Nummer, und zwar bundesweit. Ab 2018 warb die „WohnSachWerte eG“ auf breiter Front um Mitglieder und wuchs rasend schnell. Ein Großteil der Kleinanleger schloss den Vertrag online ab, unter anderem über das Portal „Foerderhelden.de“.

Das Strafgesetzbuch sieht für gewerbs- und bandenmäßigen Betrug jeweils eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Die Höchststrafe liegt bei 15 Jahren. Eine Aussetzung des Strafrestes auf Bewährung ist nach zwei Dritteln möglich. Bei besonderen Umständen sogar schon nach der Hälfte. Die Beschuldigten haben ein Kind im Grundschulalter. Von der verhängten Strafe wird zudem die bereits verbüßte Untersuchungshaft abgezogen. Das Ehepaar sitzt seit 22. März 2022 in verschiedenen Justizvollzugsanstalten ein.

Ermittler aus der ganzen Oberpfalz arbeiteten am Fall WSW. Im Mai legten sie ihren Schlussbericht vor.

Das Ehepaar sammelte auch für den „Kinderhilfsverein“ bundesweit um Spenden.

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