Beklemmend: Wie die Vergangenheit auch heute zutrifft
Weiden. Christiane Hoffmann stellt im Rahmen der Weidener Literaturtage 2022 ihr aktuelles Buch „Alles, was wir nicht erinnern“ vor. Dass die Vergangenheit immer einen Bezug zur Gegenwart hat, stellt die Autorin eindrucksvoll unter Beweis.
Das Gesicht der Autorin kommt vielen Besuchern ihrer Lesung am Donnerstagabend im Saal der Regionalbibliothek bekannt vor. Kein Wunder. Vor ihnen sitzt die aktuelle Erste Stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Christiane Hoffmann, die sich in Bundespressekonferenzen den Fragen der Journalisten oder in Fernsehformaten einer Anne Will oder einem Markus Lanz stellt.
Parallelen zum Ukraine-Krieg
Christiane Hoffmann liest Passagen aus ihrem neuen Buch „Alles, was wir nicht erinnern“. Mitten in Zeiten der neuen Kriegsangst in Europa lenkt sie darin als Kriegsenkel sehr einfühlsam und poetisch den Blick auf die Flucht ihres Vaters 1945 als Neunjähriger aus dem schlesischen Dorf Rosenthal.
Den Zuhörern kommen schnell beklemmende Parallelen zum gegenwärtigen Ukraine-Krieg in den Sinn. Spontan, wie sie zugibt, ist sie im Januar 2020 ins heutige Rózyna aufgebrochen und von dort in drei Wochen 550 Kilometer zu Fuß und allein nach Westen bis ins tschechische Krizovatka, früher Klinghardt und 18 Kilometer nordöstlich von Eger gelegen, dem damaligen Fluchtweg ihres Vaters nachgegangen.
Reisereportage und Familiengeschichte
Erlebt hat sie dabei nicht nur Wander- und Wetterstrapazen, sondern viele Begegnungen in Kirchen, Gasthäusern und Küchen, auch mit Zeitzeugen. In einer Passage beschreibt sie die herzliche Begegnung mit den jetzigen Bewohnern des großväterlichen Hofes, ebenfalls Kriegsenkel.
„Das Buch ist nicht nur eine Reisereportage, sondern zugleich eine Familiengeschichte“, bringt es Sabine Guhl, die Leiterin der Regionalbibliothek und Moderatorin der Lesung treffend auf den Punkt. Zwischen den einzelnen Blöcken erhalten Zuhörer die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Sie machen davon regen Gebrauch.
Vergangenheit wird aktuell
Christiane Hoffmann hat ein sehr persönliches Buch mit großer literarischer Erzählkunst geschrieben und bekommt am Ende großen Applaus. Ihre kurzzeitige Flucht aus dem Sumpf des 20. Jahrhunderts führte sie zurück zu den Wurzeln ihrer Familiengeschichte. Sie hat nicht nur das Trauma ihres Vaters verstanden, sondern auch, was es heißt, durch Flucht seine existenzielle Sicherheit von einer Stunde auf die andere zu verlieren, so wie es aktuell auch den Flüchtlingen aus der Ukraine ergeht.
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